Schätzungen zufolge erkranken zwischen fünf und 20 Prozent aller Kinder aus Industrienationen an atopischer Dermatitis, Tendenz steigend. Bei der Ätiologie spielen neben genetischen Faktoren Biofilme eine wichtige Rolle. Je nach Land werden die kleinen Patienten mit unterschiedlichen Strategien therapiert.
Kinder mit atopischer Dermatitis, sprich Neurodermitis, tragen Risikofaktoren im Erbgut. Bereits vor Jahren fanden Humangenetiker verdächtige Mutationen im Filaggrin-Gen. Filaggrine sind Proteine, die an strukturbildenden Prozessen in der Epidermis beteiligt sind. Sie führen zur Vernetzung von Keratin-Filamenten über Disulfidbrücken. Bei der Krankheitsentstehung kommen bislang teils unbekannte Triggerfaktoren mit hinzu. Forscher sind jetzt auf einer heißen Spur.
Herbert B. Allen und Suresh G. Joshi, Pennsylvania, haben Hautproben von 40 Atopikern mit denen 20 gesunder Probanden verglichen. In nahezu jedem Abstrich fanden sie bei Erkrankten Staphylokken, zum Teil Staphylococcus aureus (42 Prozent) oder Staphylococcus epidermidis (20 Prozent). Bemerkenswert war der hohe Grad an Resistenzen gegenüber Methicillin (60 Prozent), Clindamycin (80 Prozent), Erythromycin (86 Prozent) sowie gegen Levofloxacin (66 Prozent) – ein wichtiger Hinweis für die Praxis. Versagen bestimmte Wirkstoffe, sollte nach möglichen Resistenzen gefahndet werden. Damit nicht genug: Etwa 85 Prozent aller Keime produzierten Polysaccharide. Diese langkettigen Zucker tragen zur Bildung von Biofilmen bei und verstopfen Ausgänge von Schweißdrüsen. In entsprechenden Schleimschichten werden Keime vor körpereigenen oder pharmakologischen Angriffen geschützt. Noch ein Blick in das Labor: Histochemisch fanden Allen und Joshi, dass der Toll-like Rezeptor 2 in Hautläsionen aktiviert worden ist. Sie kommen zu dem Fazit, dass Staphylokokken-haltige Biofilme eine wichtige Rolle bei der Okklusion von Schweißdrüsen spielen und Entzündungen beziehungsweise Juckreiz erklären. Ohne Filaggrin-Defekt bilden Bakterien ebenfalls Schleimschichten an Schweißdrüsen. Läsionen treten aber nicht auf.
Wird eine atopische Dermatitis diagnostiziert, werden je nach Fachrichtung beziehungsweise Herkunft verschiedene Therapien eingeleitet. Das berichtet Laura E. Proudfoot aus London im „British Journal of Dermatology“. Sie befragte im Rahmen der European Treatment of severe Atopic eczema in children Taskforce (TREAT)-Studie 765 Mitglieder diverser Fachgesellschaften für pädiatrische Dermatologie. Proudfoot erhielt insgesamt 343 Antworten aus Dänemark, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, aus den Niederlanden, aus Schweden und aus Spanien. Ihr Fazit: Drei von vier Ärzten verordneten kleinen Patienten mit schwerem Krankheitsverlauf primär ein Immunsuppressivum: Ciclosporin (43 Prozent), orale Kortikosteroide (31 Prozent) oder Azathioprin (22 Prozent). Als Second-Line-Therapeutikum stand ebenfalls Ciclosporin auf Rezepten, und Methotrexat war der Studie zufolge das wichtigste Third-Line-Therapeutikum. Mycophenolat kam äußerst selten zum Einsatz. Generell entschieden sich Dermatologen häufiger als Pädiater für eine systemische Behandlung. In Deutschland wählten Ärzte meist Ciclosporin (87 Prozent), in Dänemark war der Wirkstoff seltener zu finden (12 Prozent). Dafür setzen Kollegen des nördlichen Nachbarlands Azathioprin häufig zur First-Line-Therapie ein (47 Prozent). Methotrexat wiederum ist bei uns erst dritte Wahl, während dänische oder französische Kolklegen das Pharmakon bereits zur Second-Line-Therapie verordnen. Jeder zweite Mediziner testete seine Patienten auf Staphylococcus aureus und setzte beim positiven Befund Penicillin, seltener Makrolidantibiotika oder Cephalosporine, ein. Prophylaktische Antibiotikagaben führen aus wissenschaftlicher Sicht zu keinem Mehrwert.
Neben Arzneistoffen stehen noch weitere Optionen zur Verfügung: Pädiater wenden bei Kindern, die unter mittelschweren bis schweren Verlaufsformen der Krankheit leiden, Schmalspektrum-UVB-Strahlung an. Erstmals haben Dermatologen jetzt Resultate einer prospektiven Studie veröffentlicht. Kinder zwischen drei und 16 Jahren wurden mit topischen Basistherapeutika versorgt. Bei der ersten Gruppe mit 29 kleinen Patienten erzielten Dermatologen keine zufriedenstellenden Erfolge. Zum Vergleich dienten weitere 26 Betroffene. In der ersten Gruppe kam Schmalspektrum-UVB zum Einsatz: durchschnittlich zwei Mal pro Woche mit 28,6 J/cm2. Entsprechende Veränderungen des Hautbilds wurden anhand des SASSAD (Six area, six sign atopic dermatitis)-Scores bewertet. Er gilt als Maß für die Schwere der Erkrankung. Insgesamt gelang es, diesen Wert durch Schmalspektrum-UVB um 61 Prozent zu reduzieren. In der Bestrahlungsgruppe waren 41 Prozent aller Kinder mit SASSAD-Scores unter zehn quasi beschwerdefrei. Ohne Phototherapie verschlechterten sich die Werte sogar um sechs Prozent. Dazu einige Erklärungsansätze: Möglicherweise gehen durch UVB in der Haut T-Lymphozyten zu Grunde, und der Körper exprimiert vermehrt antiinflammatorische Botenstoffe. Für Kinder mit atopischer Dermatitis stehen damit etliche Behandlungsstrategien zur Verfügung.