Wissenschaftler berichten nun, dass eine gestörte dynamische Regulierung des Kortisol-Spiegels mit erniedrigten Spiegeln am Morgen und erhöhten abendlichen Werten eng mit dem Auftreten von Schwächezuständen im Alter zusammenhänge.
Die sogenannte Altersschwäche ist ein wesentlicher Risikofaktor für die Unterbringung in Pflegeinstitutionen und geht mit einem erhöhten Sterblichkeitsrisiko einher. Charakteristisch für das Gesamtbild der Gebrechlichkeit im Alter sind ungewollter Gewichtsverlust, häufige Erschöpfungs- und Müdigkeitszustände, körperliche Inaktivität, verlangsamter Gang und Kraftlosigkeit. Ein hormonelles Ungleichgewicht, insbesondere für das Stresshormon Kortisol, das körperliche Anpassungsreaktionen auf situative und umweltbedingte Anforderungen steuert, wird bereits seit längerem mit Altersschwäche in Verbindung gebracht. Die zugrundeliegenden biologischen Mechanismen sind allerdings bislang unverstanden. Hamimatunnisa Johar und Kollegen von der Arbeitsgruppe Mental Health am Institut für Epidemiologie II (EPI II) am Helmholtz Zentrum München haben in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der Medizinischen Klinik der Ludwig-Maximilians-Universität München nun den Zusammenhang einer veränderten Kortisol-Ausschüttung mit Altersschwäche untersucht. „Die Kortisol-Spiegel verhalten sich normalerweise nach einem speziellen Muster mit Spitzenspiegeln in den frühen Morgenstunden und niedrigen Werten am Abend“, erklärt Prof. Dr. Karl-Heinz Ladwig, Leiter der Arbeitsgruppe Mental Health. „Wir konnten zeigen, dass Gebrechlichkeit bei alten Personen mit einem gestörten Kortisolmuster einhergeht. Die dynamische Regulierung sowie das Verhältnis von morgendlichen zu abendlichen Hormonspiegeln sind dabei deutlich verändert, mit niedrigeren Werten am Morgen und höheren Werten am Abend.“
Grundlage der analysierten Daten ist die KORA-Age Studie, die den Zusammenhang zwischen Lebensstilfaktoren und dem Gesundheitszustand von Personen im Alter von 65 Jahren oder älter im Raum Augsburg untersucht. In ihrer Studie werteten die Wissenschaftler Daten von 745 Teilnehmern im Alter von 65 bis 90 Jahren aus. Die Kortisol-Spiegel wurden mittels Speichelproben bestimmt, die direkt bzw. 30 Minuten nach dem Erwachen und am späten Abend entnommen wurden. Altersschwäche wurde diagnostiziert, wenn drei oder mehr der folgenden Symptome vorlagen: Erschöpfung, körperliche Inaktivität, langsames Gehtempo, Muskelschwäche (verringerter Kraftgrad beim Faustschluss) oder Gewichtsverlust (mehr als fünf Kilogramm über die letzten sechs Monate). „Unsere Ergebnisse zeigen einen Zusammenhang von gestörten Kortisol-Spiegeln mit einem Verlust von Muskelmasse und Kraft – den Grundproblemen der Altersschwäche“, sagt Johar, Doktorandin am Helmholtz Zentrum München und Erstautorin der Studie. „Altersschwäche richtig zu diagnostizieren kann im klinischen Alltag aufwändig und schwierig sein. Die Messung der Kortisol-Level könnte daher als wichtige diagnostische Ergänzung dienen.“ Originalpublikation: Blunted Diurnal Cortisol Pattern is Associated with Frailty: A Cross-Sectional Study of 745 Participants Aged 65 to 90 Years Hamimatunnisa Johar et al.; JCEM, doi: 10.1210/jc.2013; 2014