Forscher haben das Hepatitis-C-Virus 1989 erstmals molekularbiologisch identifiziert. Genau 25 Jahre später versprechen innovative Pharmaka neue Heilungschancen für fast alle Patienten. Demgegenüber stehen exorbitante Therapiekosten.
Gute Nachrichten aus Deutschland: Im letzten Jahrzehnt verringerte sich die Zahl an gemeldeten Hepatitis-C-Diagnosen pro 100.000 Menschen von 9.038 (2004) auf 4.982 (2012), berichtet das Robert-Koch-Institut. Bundesweit sind etwa 500.000 Patienten mit Hepatitis-C-Viren (HCV) infiziert. Diese Entwicklung gilt aber nur für westliche Länder. Weltweit stecken sich laut WHO Fact Sheet drei bis vier Millionen Menschen pro Jahr neu an. Rund 150 Millionen Personen haben aufgrund chronischer Hepatitis-C-Infektionen ein erhöhtes Risiko, Leberzirrhosen oder hepatozelluläre Karzinome zu entwickeln. Daran sterben jährlich mehr als 350.000 Menschen.
Virologen gingen bislang davon aus, HCV würde vor allem beim intravenösen Drogenkonsum übertragen. Eine kürzlich im International Journal of Epidemiology veröffentlichte Arbeit zeigt, dass Infektionen beim Geschlechtsverkehr wohl unterschätzt worden sind. Roger D. Kouyos, Zürich, untersuchte Daten einer seit 1988 bestehenden HIV-Kohorte mit rund 10.000 Patienten. Das Besondere: Aufgrund genetischer Informationen rekonstruierte Kouyos in vielen Fällen Übertragungswege. Das Risiko von HIV-Patienten mit HIV/HCV-positivem Partner, sich mit Hepatitis C zu infizieren, war drei Mal so hoch wie bei Vergleichsgruppen. Diese Zahlen betreffen homosexuelle und heterosexuelle Paare ohne Drogenkonsum.
Patienten mit HCV-Infektion werden zurzeit mit pegylierten Interferonen wie Peginterferon alfa-2a beziehungsweise Peginterferon alfa-2b subkutan behandelt. Das oral zu verabreichende Virustatikum Ribavirin kommt mit hinzu. Je nach Molekularbiologie liegt ihre Chance auf dauerhafte Eliminierung bei maximal 50 Prozent (HCV-Genotyp 1) oder 80 Prozent (Genotypen 2 und 3). Erhalten Patienten zusätzlich Proteaseinhibitoren wie Telaprevir oder Boceprevir, verbessern sich ihre Heilungschancen beim Typ 1 auf 65 bis 75 Prozent. Die Beobachtungsstudie NOVUS spricht sogar von 87 Prozent. Andererseits verschlechtern sich pharmakologische Erfolge durch HIV-Koinfektionen, durch eine starke Schädigung der Leber und durch hohe Viruslasten.
Jetzt gibt es Hoffnung durch Sofosbuvir (Sovaldi®), einen innovativen RNA-Polymerase-Hemmstoff. Die US Food and Drug Administration (FDA) gab bereits im Dezember 2013 grünes Licht, und die European Medicines Agency (EMA) schloss sich an. Zuvor hatten Wissenschaftler mehrere Phase-III-Studien mit insgesamt 1.000 Patienten durchgeführt. Sie veröffentlichten Resultate ihrer FISSION- und der NEUTRINO-Studie im „New England Journal of Medicine“. Einige Zahlen: Teilnehmer der NEUTRINO-Studie litten größtenteils an HCV vom Genotyp 1 ohne bisherige Therapie. Ärzte setzten bei ihnen Sofosbuvir plus Peginterferon plus Ribavirin ein. Nach zwölf Wochen waren 90 Prozent geheilt – in den Studien wird von einer SVR (Sustained Virologic Response)-12-Rate gesprochen. Bei FISSION standen die Genotypen 2 und 3 im Mittelpunkt. Mediziner verglichen Sofosbuvir plus Ribavirin mit der Standardtherapie PegInterferon plus Ribavirin. Hier schnitt der neue Arzneistoff bei HCV vom Typ 2 etwas besser ab (97 versus 78 Prozent), beim Typ 3 betrug die Sustained Virologic Response 57 versus 63 Prozent.
HCV-Infizierte mit Interferon-Unverträglichkeit haben laut POSITRON- und die FUSION-Studie künftig bessere Chancen. Auch hier sind Resultate im „New England Journal of Medicine“ zu finden. Die SVR12-Rate erreichte bei Infizierten mit den HCV-Typen 2 oder 3 rund 78 Prozent (Placebo: 0 Prozent). Erhielten bereits Vorbehandelte Sofosbuvir plus Ribavirin über zwölf beziehungsweise 16 Wochen, fanden Virologen SVR-Raten von 50 beziehungsweise 73 Prozent. Neue Arzneistoffe verbessern interferonfreie Therapien weiter. So lassen sich mit Sofosbuvir plus Daclatasvir je nach Genotyp Erfolge von 92 bis 100 Prozent erzielen. Ähnlich vielversprechend sind Kombinationen von Faldaprevir plus Deleobuvir plus Ribavirin. Patienten mit schweren Verlaufsformen respektive Interferon-Unverträglichkeit haben plötzlich eine hohe Chance auf Heilung – aber zu welchem Preis?
Das lässt sich am bereits zugelassenen Sofosbuvir durchexerzieren. Eine Tagesdosis liegt bei schätzungsweise 1.000 US-Dollar (725 Euro). Hinter diesem Mondpreis stecken keinesfalls aufwändige Synthesen. Andrew Hill, Wissenschaftler am Department of Molecular and Clinical Pharmacology, University of Liverpool, kritisiert: „Auch wenn wir sehr konservativ schätzen, würden die Kosten für eine Behandlung in der Größenordnung von 150 bis 250 US-Dollar pro Person liegen.“ Momentan seien es 84.000 US-Dollar – wirklich kein „fairer Gewinn“, so Hill weiter. Dass innovative Therapeutika ein Vermögen kosten, ist bekannt. Beispielsweise schlagen 56 Tabletten Ivacaftor laut Roter Liste mit 25.504,69 Euro zu Buche. Diese Packung reicht für lediglich 28 Tage. Ivacaftor stellt bei Mukoviszidose Funktionen eines Ionenkanals teilweise wieder her. Hinter Sofosbuvir steckt vermutlich Gileads Wunsch, hohe Investitionskosten rasch zu kompensieren. Sein neues Molekül kommt nicht aus konzerneigenen Labors. Vielmehr wurde eine Firma für mehr als elf Milliarden US-Dollar aufgekauft – inklusive des Pharmakons.
Bei der Preisdiskussion werden Erinnerungen an erste Wirkstoffe gegen HIV wach. Nur die wenigsten Infizierten leben in westlichen Staaten mit solventem Gesundheitssystem. Wie bereits vor Jahrzehnten bei HIV, fordert die Treatment Action Group, ärmeren Ländern HCV-Therapeutika nicht vorzuenthalten. Das Wissenschaftsmagazin „Science“ schlägt in eine ähnliche Kerbe. Jetzt hat Gilead zumindest Gesprächsbereitschaft signalisiert.