Neu zugelassene Wirkstoffe sind nicht immer gleich sicher und effektiv, denn die Qualität der Studien, die diesen Neuzulassungen zugrunde liegen, schwankt oft beträchtlich. Das erschwert die Entscheidung für oder gegen ein neues Therapeutikum.
„Die meisten Patienten und Ärzte gehen davon aus, dass die Zulassungsbehörde FDA die Sicherheit und die Effektivität neu zugelassener Medikamente gründlich geprüft hat“, schreiben Wissenschaftler der Yale School of Medicine am Yale Center for Outcomes Research & Evaluation (CORE) in ihrer aktuellen Veröffentlichung. Doch innerhalb des Zulassungsverfahrens scheint es offenbar große Schwankungen bei der Qualität der zugrundeliegenden klinischen Studien zu geben.
In ihrer Metastudie nahmen die Wissenschaftler alle öffentlich zugänglichen, klinischen Studien unter die Lupe, die der FDA zur Zulassung von 188 Medikamenten mit neuen Wirkstoffen in den Jahren 2005 bis 2012 als Grundlage dienten. Besonderes Augenmerk schenkten die Wissenschaftler dabei der Dauer, der Größe, dem Design und den Endpunkten der Studien. Generika, Reformulierungen und Kombinationstherapien mit neuen Therapeutika sowie Daten zu Neuzulassungen aus anderen Ländern waren nicht Gegenstand der Untersuchungen. „Unsere Datenanalyse zeigte, dass im betrachteten Zeitraum mehr als ein Drittel aller Neuzulassungen auf nur einer Studie basierten. Es gab keine Wiederholungen, um die Daten zu validieren. Zahlreiche weitere Studien waren klein, kurz und konzentrierten sich auf Laborwerte oder andere metrische Effekte, anstatt auf klinische Endpunkte wie den Tod“, fasst Erstautor Nicholas S. Downing zusammen.
Einer Umfrage zufolge, an der knapp 3.000 Erwachsene in den USA teilnahmen, ergab, dass 39 Prozent davon ausgehen, die FDA lasse nur „äußerst effektive“ Medikamente zu. Ein Viertel der Befragten glaubt, dass nur Medikamente ohne schwere Nebenwirkungen auf den Markt kommen. Welche Voraussetzungen ein neuer Wirkstoff zur Zulassung erfüllen muss, ist in den Richtlinien der FDA geregelt. Demnach sollte ein Hersteller mindestens zwei Studien durchführen, in denen der Effekt des neuen Medikaments unabhängig nachgewiesen wurde. In Ausnahmefällen und bei bestimmten Anwendungen kann auch nur eine Studie zur Zulassung ausreichend sein. Gerade bei der Behandlung lebensbedrohlicher Krankheiten gibt es ein verkürztes Zulassungsverfahren.
Kommt ein neuer Wirkstoff auf den Markt, müssen Ärzte und Patienten entscheiden, ob sie sich bei der Therapie auf das neue Medikament verlassen. Und das ist nicht immer einfach. „Zum Zeitpunkt der Neuzulassung können Ärzte und Patienten lediglich auf die Daten der Zulassungsstudien zurückgreifen, wenn es darum geht, die Therapie auf einen neuen Wirkstoff umzustellen“, schreiben die Wissenschaftler. Doch die unterschiedlichen Zulassungsstandards ließen die Unsicherheit bei Anwendern und Therapeuten wachsen. „Bei den von uns betrachteten Studien fehlte die Einheitlichkeit in Bezug auf die Aussagekraft der Studien“, so Studienleiter und Professor für Innere Medizin an der Yale School of Medicine, Joseph S. Ross. Und weiter: „Einige Medikamente werden auf Basis großer, qualitativ hochwertiger Studien zugelassen, für andere genügen kleinere Studien.“ Doch nicht nur die Anzahl der eingeschlossenen Patienten spiele bei der Qualität einer Studie eine Rolle, auch das Studiendesign. So hatten nur 40 Prozent der Zulassungen eine klinische Studie zur Grundlage, in der das neue Medikament mit bereits verfügbaren Therapieoptionen verglichen wurde. „Das ist ein wichtiger Schritt, um zu klären, ob die Neuzulassung überhaupt bestehenden Therapiemöglichkeiten überlegen ist“, so Ross.
Einerseits sei die Flexibilität bei der Zulassung neuer Wirkstoffe wichtig, um die Verfügbarkeit effektiver Therapien für lebensbedrohliche Krankheiten zu beschleunigen. Hier kann die FDA auf kosten- und zeitintensive randomisierte, doppelblind kontrollierte Studien verzichten, obwohl diese als Goldstandard zur Evaluierung angesehen werden. Vor allem bei den Therapeutika gegen Krebs sei der Goldstandard nicht immer notwendig, um ein Medikament zur Marktreife zu bringen, so Ross. Dennoch stünden viele Ärzte und Patienten allein gelassen mit der Frage, ob ein neu zugelassener Wirkstoff eine sichere und nützliche Option für sie darstelle. Neben fehlenden direkten Vergleichsstudien und relevanten Studienendpunkten, fiel den Wissenschaftlern auch bei den Neuzulassungen für chronische Erkrankungen eine Schwachstelle auf: „Die Mehrzahl der Zulassungsstudien für Medikamente gegen chronische Erkrankungen hatten eine Laufzeit von weniger als einem Jahr“, heißt es in der Publikation. Das werfe Fragen bezüglich der Langzeiteffekte und der Sicherheit dieser Therapeutika auf.
Bereits im Jahr 2006 hatte das Institute of Medicine Report on the Future of Drug Safety empfohlen, die FDA nicht nur vor der Zulassung die Vorzüge und Risiken eines Medikaments prüfen zu lassen, sondern diese über dessen gesamten Verkaufszeitraum kontinuierlich zu erheben. „Doch diese Informationen dann an Ärzte und Patienten weiterzugeben, ist schwierig“, geben die Wissenschaftler zu bedenken. Um die Übersicht zu wahren, hat ein Komitee des Institute of Medicine kürzlich vorgeschlagen, für jedes Medikament in einem einzigen Dokument alle wichtigen Beobachtungen zu Sicherheit und Effektivität zusammenzufassen und dieses regelmäßig upzudaten. Als Alternative schlagen die Studienautoren vor, dass die FDA jede Neuzulassung mit einer Art Schulnote bewerten solle, die Auskunft über die Qualität der zugrundeliegenden Studien gibt. Ihr Standpunkt: „Die FDA muss sicherstellen, dass Ärzte und Patienten verstehen, wie sie verschiedene Studiendaten interpretieren müssen. Nur so können sie einschätzen, ob ihnen ein neues Therapeutikum eher nutzen oder schaden wird.“