Trockene, lichtempfindliche Augen und Mundtrockenheit haben viele Ursachen. Dahinter kann sich das Sjögren-Syndrom, eine anfangs oft übersehene Autoimmunerkrankung, verbergen. Die Behandlung ist so komplex wie das Krankheitsbild selbst.
Gerade zu Beginn äußert sich das Sjögren-Syndrom, eine chronische Autoimmunerkrankung, anhand wenig spezifischer Beschwerden. Fatigue, trockene, gereizte Augen und Lichtempfindlichkeit führen Patienten zum Ophthalmologen. Mundtrockenheit und damit verbundene Probleme wie Karies sind eher ein Fall für Zahnärzte. „Die vielfältige Symptomatik des Sjögren-Syndroms führt dazu, dass die Patienten unterschiedliche Fachärzte, zum Beispiel Allgemeinmediziner, Augen-, HNO- oder Zahnärzte, zur Erstkonsultation aufsuchen“, schreibt Dr. Ana-Luisa Stefanski von der Charité Universitätsmedizin Berlin in einem Übersichtsbeitrag. Bis zur Diagnose kann viel Zeit vergehen. Schuld daran ist die Komplexität des Erscheinungsbilds.
Zum Hintergrund: Das Sjögren-Syndrom ist eine Autoimmunerkrankung aus der Gruppe der Kollagenosen. Antikörper richten sich gegen Bindegewebsstrukturen. Ärzte unterscheiden zwischen dem primären Sjögren-Syndrom (pSS) und dem sekundärem Sjögren-Syndrom (sSS). Bei der primären Form treten neben den Leitsymptomen Keratokonjunktivitis sicca und Xerostomie keine zusätzlichen Autoimmunerkrankungen anderer Organsysteme auf. Hier werden vor allem die Tränen- und Speicheldrüsen in Mitleidenschaft gezogen. Das sekundäre Erscheinungsbild geht mit Lupus erythematodes (15 bis 36 Prozent aller sSS), mit einer rheumatoiden Arthritis (20 bis 32 Prozent) oder einer progressiven systemischen Sklerose (11 bis 24 Prozent) einher. Beide Formen zusammen haben eine Prävalenz von mindestens 0,4 Prozent.
Diagnostisch ist die Sache nicht immer einfach. Sicca-Beschwerden geben zwar wichtige Hinweise. Dabei darf nicht übersehen werden, dass sie viele Ursachen haben. Mit zunehmendem Alter und mit einer steigenden Zahl an Medikamenten in Dauertherapie häufen sich entsprechende Symptome, ohne dass ein Sjögren-Syndrom vorliegt. Deshalb ist neben der Anamnese eine erweiterte Labordiagnostik von besonderer Bedeutung. Im Blut von bis zu 83 Prozent aller Sjögren-Patienten sind antinukleäre Antikörper (ANA) zu finden. Diese Antikörper richten sich gegen Bestandteile des Kerns körpereigener Zellen. Im Unterschied zu anderen Autoimmunerkrankungen handelt es sich um SSA(Ro)- beziehungsweise SSB(La)-Antikörper. Histologisch findet man im Gewebe exogener Drüsen Infiltrate aus verschiedenen Lymphozyten.
Nach Abschluss der Diagnostik stehen Ärzte vor der Herausforderung, Sicca- und Fatigue-Symptome zu therapieren, um die Lebensqualität ihrer Patienten zu verbessern. Gegen Beschwerden im Bereich der Augen gibt es unterschiedliche Tränenersatzmittel. Stefanski weist auf den Mehrwert antiinflammatorischer Cyclosporin-A-Augentropfen hin. Schwieriger wird es beim Thema Mundtrockenheit. „Therapeutisch lassen sich die komplexen Funktionen des Speichels nicht optimal kompensieren“, schreibt die Expertin. Deshalb sei die zahnärztlichen Betreuung besonders wichtig. Sind andere Organsysteme beteiligt, verordnen Ärzte systemische Arzneistoffe. Bei Arthralgien, Arthritis, kutanen Läsionen und Fatigue ist Hydroxychloroquin Mittel der Wahl. Kommt es zu schwerwiegenden Organmanifestationen, haben sich Methylprednisolon und Cyclophosphamid bewährt. Auf Basis ihrer Literaturarbeit muss Stefanski jedoch feststellen, dass bislang kein sicherer Nachweis über die Wirksamkeit von krankheitsmodifizierenden Antirheumatika oder Biologika erbracht werden konnte.