Die Reserven gesetzlicher Krankenkassen steigen weiter – sehr zur Freude der schwarz-roten Koalition. Jetzt wollen sich Politiker am Überschuss bedienen, um den Haushalt zu konsolidieren. Das stößt Industrievertretern und Spitzenverbänden sauer auf.
Neue Zahlen aus dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG): GKVen hatten im letzten Jahr 32,21 Milliarden Euro für Arzneimittel ausgegeben – das sind nur 2,4 Prozent mehr als im Vorjahr. Andere Bereiche des Gesundheitssystems schossen um durchschnittlich 4,9 Prozent in die Höhe. BMG-Ökonomen führen den Effekt vor allem auf Rabattverträge zurück. Unter dem Strich summieren sich alle Rücklagen auf mittlerweile 13,6 Milliarden Euro.
Angesichts dieser Entwicklung sprach Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) von einem „soliden Polster“. Er plant, „aus dieser Reserve im Jahr 2015 vorübergehend Geld zur Haushaltskonsolidierung“ zu entnehmen. Allerdings bestehe mit dem Finanzminister Einigkeit, entsprechende Summen zurückzuzahlen. Dazu will Gröhe Bundeszuschüsse ab 2017 – wieder steht eine Bundestagswahl an – dauerhaft pro Jahr um 500 Millionen Euro erhöhen, und zwar auf 14,5 Milliarden Euro. Doch erst einmal heißt es, den Gürtel enger zu schnallen: Für 2014 sind 10,5 Milliarden Euro im Gespräch, im Vorjahr waren es 11,5 Milliarden, und in 2012 genau 14 Milliarden.
Außerhalb der Regierung stoßen Gröhes Pläne auf Ablehnung. Doris Pfeiffer, Vorsitzende des GKV-Spitzenverbands, sieht schon jetzt Beitragserhöhungen auf Versicherte zukommen, und der Verband der Ersatzkassen rechnet ebenfalls mit steigendem Druck. Flächendeckende Zusatzbeiträge würden Vertretern der Linkspartei zufolge vor allem Geringverdiener belasten. In diesem Zusammenhang kritisieren die Grünen „haushaltspolitische Trickserei“.
Einerseits kürzt die Bundesregierung Zuschüsse, andererseits spricht sie sich weiter für Preismoratorien aus. Vor allem sollte Hermann Gröhes erste Amtshandlung, Zwangsabgaben zu verlängern, eigentlich GKVen stabilisieren. Über diese Logik wundert sich Henning Fahrenkamp, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI): „Wer in diesem Jahr 3,5 Milliarden Euro und im nächsten noch einmal 2,5 Milliarden Euro am Steuerzuschuss absenken kann, kann wohl kaum von einer bedrohlichen Kassenlage sprechen.“ Für ihn ist es „Hohn, wenn man einem Wirtschaftszweig wie der pharmazeutischen Industrie über mehr als sieben Jahre ein Preismoratorium ohne Inflationsausgleich auferlegt und andererseits die gesetzlich zugesicherten Steuerzuschüsse kürzt“.