Die Aktion Freundilie bemüht sich um ein familienfreundliches Umfeld für kommende Ärztegenerationen und fordert gesündere Arbeitsstrukturen. Letztes Jahr setzten die Projektverantwortlichen mit einem selbstinszenierten Video ein Ausrufezeichen. Höchste Zeit also für einen Blick hinter die Kulissen.
Anfang 2013 sorgte die Kassenärztliche Bundesvereinigung mit aufmerksamkeits- und reichweitenstark platzierten Plakatmotiven und TV-Spots für Aufsehen. Doch die großangelegte, bundesweite Imagekampagne unter dem Slogan „Wir arbeiten für Ihr Leben gern“ rief auch durchaus kritische Stimmen hervor. So auch von den in der Aktion Freundilie engagierten Medizinstudierenden. Diese inszenierten ihrerseits einen kurzen Videoclip, worin sie das durch die Kampagne vermittelte Ärztebild und dessen teils realitätsferne Herangehensweise kritisch hinterfragten. Doch die Aktion Freundilie hat davon abgesehen noch einiges mehr zu bieten, wie uns Friederike Jahn, Medizinstudentin in Greifswald und eine der Projektverantwortlichen, nun im Interview verriet. © Friederike Jahn DocCheck: Zuallererst: Wer verbirgt sich hinter dem Projekt freundilie? Friederike Jahn: Mit dem Projekt freundilie setzt sich die bvmd (Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland e.V.) für ein familienfreundliches, gesundes und menschliches Arbeiten im Arztberuf ein. Wir machen bei verschiedenen Veranstaltungen auf uns aufmerksam, vernetzen uns mit anderen Initiativen und versuchen, auf politischer Ebene zu überzeugen. DocCheck: Wie ist das Projekt freundilie entstanden, was war der ausschlaggebende Punkt? Friederike: Freundilie ist 2009 in Norwegen bei einer Famulatur zweier Vorgängerinnen von uns entstanden. Die beiden waren so begeistert von den Arbeitsbedingungen in Skandinavien, dass sie NorwegerInnen und anderen internationalen Studierenden vom ärztlichen Arbeiten in Deutschland erzählten und sie fragten, ob diese sich vorstellen könnten, in Deutschland zu arbeiten, was überzeugend verneint wurde. Daraufhin gründeten die beiden zusammen mit anderen bvmd-Engagierten das Projekt, um es irgendwann mal hier so zu haben wie in Skandinavien, nämlich familienfreundlich, mit gesunden Arbeitszeiten und das alles ganz selbstverständlich. DocCheck: Warum hast Du Dich für ein Engagement in gerade diesem Projekt entschieden? Wie sieht Dein konkreter Aufgabenbereich aus? Friederike: Ich glaube, alle jungen Mediziner, die kurz vor dem Berufsstart stehen, machen sich Gedanken über die Arbeitswelt da draußen. Zunehmender Druck durch Ökonomesierung, steigende Schlagzahlen in Praxen und in der Klinik, aber auch ein unterschiedlich weit verbreiteter Fachkräftemangel verändern die medizinische Landschaft und auch die ärztliche Tätigkeit. Hinzu kommt, dass sich die Ansprüche der jungen Mediziner auch mit dem Wissen um den Mangel vielerorts verändert haben, sodass die junge Generation recht selbstbewusst geworden ist. Außerdem finde ich die Verknüpfung unseres Projekts zur Gesundheitspolitik spannend. Letztlich arbeiten wir auch eng mit der AG Gesundheitspolitik der bvmd zusammen. Mein Aufgabenbereich ist ganz vielfältig und ich habe natürlich viel Gestaltungsspielraum. Zusammen mit Carolin (gemeinsam mit Friederike Projektverantwortliche, Anmerkung der Redaktion) klappt das prima und je nachdem, wer gerade wie eingespannt ist (PJ im Ausland, Prüfungsphase etc.) beantwortet die eine oder andere die reinkommenden Mails. Momentan erreichen uns erfreulicherweise viele Anfragen für Podiumsdiskussionen, Interviews und auch mal einen Vortrag oder einfach Interessensbekundungen. DocCheck: Welche Ziele verfolgt Ihr mit Eurem Projekt? Friederike: Wir wollen versuchen, nicht nur den Dialog über die Bedürfnisse der jungen Medizinergeneration anzuregen, sondern uns auch konkret für bessere Arbeitsbedingungen einzusetzen. Das ist wie überall am schwersten, auch wenn auf politischer Ebene schon lange darüber diskutiert wird, es Studien wie die KarMed-Studie gibt und gute vorangehende Beispiele wie FamSurg in Lübeck oder die Murnauer Unfallklinik, die schon 2006 berechnen ließ, dass sich optimale Kinderbetreuung in einer betriebseigenen Kita für die Klinik zahlenmäßig sehr positiv auswirkt. Des Weiteren wollen wir, und das machen wir hauptsächlich in Workshops auf bvmd-Veranstaltungen, unsere Kommilitonen motivieren, an der eigenen Klinik aktiv zu werden und sich für die eigenen guten Arbeitsbedingungen einzusetzen. Denn häufig lassen sich die jungen Ärztinnen und Ärzte immer noch 70h-Wochen, Forschung am Wochenende und 7 Dienste pro Monat gefallen, dies häufig an großen, vielversprechenden Kliniken, weil sich dort die Bewerbungen auf dem Schreibtisch des Chefs noch stapeln. Das ist sehr schade, aber momentan ein Teufelskreis, der noch nicht gut zu durchbrechen ist. DocCheck: Welche konkreten Projekte habt ihr bereits realisiert? Gib uns bitte einen kurzen Einblick. Friederike: 2010/2011 wurde eine Umfrage unter Medizinstudenten durchgeführt, die unter dem Titel „Von den Bedürfnissen einer neuen Medizinergeneration“ veröffentlicht wurde. Da ergaben sich spannende Ergebnisse, die uns dazu animierten, 2012 ein Positionspapier zu verfassen, das erfreulicherweise ein breites Presseecho nach sich zog. Im darauf folgenden Jahr ergab sich dann spontan in Anregung durch den „Ihre Ärzte“-Spot der KBV auf einer der Medizinstudierendenversammlungen der bvmd während eines Workshops ein kleiner Video-Spot mit dem Titel „Man hört ja so einiges. Eine freundilie-Produktion“, der unsere Vision gut widerspiegelt. Das war eine tolle Aktion, die wir auch gut verbreiten konnten und auf die es sehr schöne Reaktionen gab. Seitdem haben wir gut zu tun. Wir vernetzen uns auch mit anderen jungen Medizinerorganisationen wie Medizin und Menschlichkeit, Medizin mit Herz und Hand und dem Jungemedizinerforum der Anthroposophen sowie lokalen Initiativen an Unis, die z. B. für familienfreundliches Studium kämpfen. Hier versuchen wir, uns gegenseitig zu helfen, gemeinsame Veranstaltungen zu initiieren und haben einen regen Austausch. DocCheck: 2012 habt Ihr, wie Du ja bereits kurz erwähntest, eine umfassende Umfrage zu Bedürfnissen der neuen Medizinergeneration durchgeführt. Die „Familienfreundlichkeit im deutschen Universitäts- und Klinikalltag“ stand dabei im Fokus. Wo hapert es hier, deiner Meinung nach, besonders? Friederike: Ungefähr 74 % der ca. 2000 Befragten gaben zum Beispiel an, den Konflikt von Beruf und Familie als „stark“ bzw. „sehr stark“ zu empfinden, wobei fast 70 % Kinder als Karrierehemmnis werteten. Das ist schon eine große Hausnummer, die erahnen lässt, das sicher die ein oder andere Familienplanung aufgrund von Karrierewünschen auf der Strecke bleibt. Man muss sagen, dass die Umfrage jetzt auch schon 3 Jahre her ist, aber leider ist in dieser Zeit an vielen Standorten auch noch nicht allzu viel passiert. Bei der Frage, was für den zukünftigen Arbeitsplatz sehr wichtig ist, wurden vor allem die uneingeschränkte Möglichkeit der Elternzeit (mit uneingeschränkt meine ich vor allem vorurteilsfrei), flexible Arbeitszeiten, und ein Betreuungsangebot für Kinder genannt. DocCheck: Ihr seid ja sicher über die ganze Republik verstreut. Wie kommunizieren die Mitglieder des freundilie-Teams untereinander? Ausschließlich online oder auch live und in Farbe? Friederike: Leider ist das enge freundilie-Team gar nicht so groß. Carolin Fleischmann und ich koordinieren momentan alles, haben aber einen Projekt-eMail-Verteiler (freundilie-alle-subscribe@bvmd.de) mit vielen interessierten Leuten, die hier und da mal unterstützend mit zu Veranstaltungen kommen, uns Ideen geben und uns zum Beispiel über Aktionen und Veranstaltungen oder Probleme an ihren Studienorten aufmerksam machen. Momentan suchen wir aber unbedingt Nachfolger für die Projektleitung, da wir beide bald nicht mehr Studentinnen sein werden. Carolin und ich kommunizieren auf vielen Wegen, per eMail, telefonisch, mal besuchen wir uns. Da wir gut befreundet sind, ist das ziemlich unproblematisch und macht immer Spaß. Dann haben wir unseren Verteiler, über den Interessierte die wichtigsten Infos erhalten und auch selbst mal was schreiben und dann treffen wir uns vielleicht so 1x jährlich in größerer Runde zu kleineren Arbeitstreffen irgendwo in Deutschland, wo dann zum Beispiel mal ein Positionspapier erarbeitet wird oder Ideen für die nächsten Aktionen gesammelt werden, also auch mal live und in Farbe. DocCheck: Auf welche bisher erzielten Erfolge im Zuge Deines freundilie-Engagements bist Du besonders stolz? Friederike: Besonders gefreut haben wir uns im Mai letzten Jahres, als das Video veröffentlicht wurde. Die besten Ideen sind meistens die spontanen und so war es auch in diesem Fall. Es gab ein tolles Presseecho und auch auf dem kurz darauf folgenden Ärztetag wurden wir und die anderen Vertreter der bvmd, die dort waren, ganz oft darauf angesprochen. Einer der Delegierten nutzte das Video sogar im Plenum für seine Argumentation. Das war schon ein bisschen komisch, sich selbst da auf der großen Leinwand in der Messehalle zu sehen, denn Carolin und ich sind selbst auch Sprecher im Video-Spot. Aber das machte uns auch schon ein bisschen stolz und brachte freundilie enorm nach vorne. http://www.youtube.com/watch?v=AuO5zmKHfqI DocCheck: Ein kleiner Blick in die Zukunft. Was habt Ihr in der kommenden Zeit mit dem Projekt freundilie vor? Friederike: Zunächst einmal würden wir in diesem Jahr gerne Nachfolger finden, die unser Projekt mit Herzblut weiterführen. Wir würden natürlich weiterhin mit Rat und Tat zur Seite stehen, dürfen aber natürlich als Ärztinnen nicht mehr die studentische Vertretung übernehmen. Auf den Ärztetag wollen wir in diesem Jahr höchstwahrscheinlich ein eigens gestaltetes Magazin mitnehmen, in dem kreative und erklärende Beiträge aus studentischer Sicht und von jungen Ärzten unsere Wünsche und Ideen erkären werden. DocCheck: Zum Ende eine persönliche Frage. Wie lässt sich deine sicher zeitintensive, ehrenamtliche Arbeit für freundilie (und eventuell weitere studentische Projekte) mit deinem medizinstudentischen Alltag vereinbaren? Friederike: Ich sag mal: Das geht schon immer irgendwie. Klar muss man motiviert sein, in der Freizeit viele eMails zu beantworten, kreativ zu sein und auch mal öfter in der Gegend herumzufahren. Ich hätte aber ohne diese Arbeit in der bvmd und auch bei mir im Fachschaftsrat in Greifswald nicht so viele tolle Erfahrungen gesammelt, so nette, interessierte und interessante Menschen kennengelernt. Privat hatte ich auch immer großes Verständnis für mein außercurriculares Engagement und glücklicherweise musste ich während des Studiums keinen einnehmenden Zweit-Job machen. Wir danken Friederike für das Interview. Wer sich beim Lesen des Artikels übrigens gefragt haben sollte, was es mit dem Begriff freundilie auf sich hat: Hinter dem Projektnamen verbirgt sich ein Neologismus, der auf einer Verschmelzung der Bestandteile des Halbsatzes „für Freunde und Familie“ beruht.