Bei den ersten Symptomen einer Geschlechtskrankheit raten Mediziner zu umfassenden Tests. Problematisch ist jedoch, dass viele sexuell übertragbare Krankheiten symptomlos verlaufen. Infektiologen legen Risikogruppen nahe, sich regelmäßig untersuchen zu lassen.
„Wenn’s juckt oder brennt, dann bitte zum Arzt“. So lautet die Botschaft einer Kampagne des Bundesamts für Gesundheit, die Personen mit einer sexuell übertragbaren Krankheit auffordert, sich testen zu lassen. „Die Aussage ist nicht grundsätzlich falsch, aber sie ist auch nicht ganz korrekt“, sagt Dominique Braun, Oberarzt in der Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene des Universitätsspitals Zürich. Wie er und Kollegen in einer aktuellen Studie herausfanden, sind homosexuelle Männer zwar sehr häufig mit sexuell übertragbaren Krankheiten infiziert, die Infektion verläuft aber „meistens symptomlos“.
In der im renommierten Fachblatt „Clinical Infectious Diseases“ publizierten Studie wurden rund 200 HIV-infizierte homosexuelle Männer auf sexuell übertragbare Infektionskrankheiten untersucht. Bei diesen Männern wurde eine HIV-Infektion in der frühen Phase diagnostiziert. Sie standen unter einer wirksamen HIV-Therapie, sodass sie bezüglich ihrer HIV-Infektion nicht mehr als ansteckend galten. Jeder dritte dieser Männer infizierte sich innerhalb von ca. 1,5 Jahren mit einer oder mehreren sexuell übertragbaren Infektionen, am häufigsten mit Chlamydien (50 Prozent), seltener mit Tripper (25 Prozent) und Syphilis (19 Prozent), und sehr selten mit Hepatitis C (4 Prozent). Die Infektionen wurden dabei am häufigsten im Enddarm, aber auch im Pharynx und in der Urethra gefunden. „Verglichen mit anderen Studien in Westeuropa ist die Anzahl der diagnostizierten Infektionen in dieser Personengruppe außergewöhnlich hoch“, sagt Professor Huldrych Günthard von der Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene. Allerdings zeigten bis zu 70 Prozent der Infizierten keinerlei Symptome.
„Testet man nur aufgrund von Symptomen, entdeckt man solche Krankheitsträger nicht, es findet keine Behandlung statt und die Übertragung geht weiter“, sagt Infektiologe Braun. Es ist deshalb häufig schwierig zu entscheiden, welche Personen auf Geschlechtskrankheiten untersucht werden sollten, wenn keine Symptome vorliegen. Die Studienautoren suchten deshalb nach Risikofaktoren, die das Vorliegen einer sexuell übertragbaren Infektionskrankheit vorhersagen können. Wechselnde Sexualpartner zählen genauso zu den ermittelten Risikofaktoren wie Sex ohne Kondome oder der Gebrauch von Drogen wie Ecstasy, GHB oder Kokain.
„Wir empfehlen, homosexuelle Männer, auf welche die Risikofaktoren zutreffen, alle drei Monate auf sexuell übertragbare Krankheiten zu testen, auch wenn keine Symptome vorliegen“, sagt Dominique Braun. Falls Symptome wie Brennen oder Schmerzen im Genitalbereich vorliegen, sollte nach wie vor eine Testung erfolgen, da diese Symptome stark auf eine Geschlechtskrankheit hinweisen. Bislang wurde die Testung auf Geschlechtskrankheiten dann empfohlen, wenn typische Krankheitszeichen vorlagen. Die Studienergebnisse seien vor dem Hintergrund der aktuellen Epidemie von sexuell übertragbaren Erkrankungen bei homosexuellen Männern „hochgradig relevant“, sagt Huldrych Günthard. Aber auch in der heterosexuellen Bevölkerung nähmen Geschlechtskrankheiten wie Syphilis, Tripper und Chlamydien massiv zu. Der Text basiert auf einer Pressemitteilung des Universitätsspitals Zürich. Quelle: High rates of subsequent asymptomatic STIs and risky sexual behavior in patients initially presenting with primary HIV-1 infection. Dominique L. Braun et al., Clinical Infectious Diseases, doi: 10.1093/cid/cix873; 2017