Haben Patienten eine Erkrankung, lautet ihre erste Frage: Wie finde ich einen guten Spezialisten? Aus diesem Grund haben nun drei Unternehmer BetterDoc gegründet: Sie finden Spezialisten, indem sie Ärzte des Fachbereichs fragen, wo sie sich selbst behandeln lassen würden.
Dr. med. Donata von Dellingshausen, Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe, Dipl.-Kaufmann Nils von Dellingshausen und Dipl.-Kaufmann Christoph A. von Dellingshausen haben BetterDoc gegründet. Im Gespräch mit DocCheck erläutern sie Ihr Geschäftsmodell und welchen Nutzen dieses für eine bessere medizinische Versorgung in Deutschland haben könnte. DocCheck: "Warum benötigen Patienten Hilfe, um gute Fachärzte zu finden?" (von links nach rechts) Dipl.-Kfm. Christoph von Dellingshausen, Dr. med. Donata von Dellingshausen, Dipl.-Kfm. Nils von Dellingshausen ©BetterDoc Donata von Dellingshausen: Für Patienten ist es schwer bis unmöglich, die fachliche Qualifikation von Ärzten einzuschätzen. Auch gibt es keine Quelle in Deutschland, die Patienten schnell und einfach hilft, für ihr individuelles Gesundheitsproblem einen fachlich kompetenten Spezialisten zu finden. Hinter BetterDoc steht zudem eine simple Wahrheit: Nicht alle Ärzte können alles gleich gut, sondern jeder Arzt ist in bestimmten Bereichen besonders qualifiziert beziehungsweise begabt – so, wie das auch in allen anderen Berufsgruppen der Fall ist. Die Idee ist durch meine Arbeit als Fachärztin an vielen deutschen Kliniken entstanden. Dort wurde ich immer wieder mit einer Tatsache konfrontiert: Es ist für den Behandlungserfolg entscheidend, an den richtigen Arzt zu gelangen, der sich auf eine bestimmte Erkrankung spezialisiert hat. Bei vielen Krebsarten ist die Mortalität von behandelten Patienten beispielsweise um bis zu 50 Prozent geringer, wenn sie sich in die Hände eines hochspezialisierten Experten begeben. Dazu gibt es umfangreiche Studien. Und: Je komplexer die Erkrankung der Patienten ist, umso schwieriger ist es, für ihn einen passenden Arzt zu finden. DocCheck: "Wie funktioniert BetterDoc?" Donata von Dellingshausen: Um herauszufinden, welcher Arzt in welchem Bereich besonders qualifiziert beziehungsweise begabt ist, halte ich es für den pragmatischsten und schnellsten Weg, Kollegen, die ebenfalls in diesem Fachbereich tätig sind, um ihre Einschätzung zu bitten. Dafür bauen wir fachbereichsspezifische Kompetenzteams von jeweils zirka 100 Ärzten auf, die Patienten gemeinsam zu passenden Spezialisten lotsen. Antworten gibt es spätestens innerhalb von 48 Stunden. Unsere Erfahrung zeigt aber, dass die allermeisten Ärzte deutlich schneller antworten, meist innerhalb von 24 Stunden. DocCheck: "Wie haben Sie Ihr Experten-Netzwerk aufgebaut?" Nils von Dellingshausen: Die Teilnahme an einem Kompetenzteam ist nur nach Einladung durch BetterDoc möglich. Wir betreiben viel Rechercheaufwand, um Ärzte zu finden, die in ihrem Bereich als Spezialisten gelten und dadurch besonders qualifiziert sind, Patienten bei der Suche nach einem passenden Arzt zu helfen. Darunter sind 80 Prozent Chef- und Oberärzte deutscher Kliniken sowie zwanzig Prozent spezialisierte, niedergelassene Ärzte. BetterDoc ist darüber hinaus aber für alle Kollegen offen. Uns ist sehr daran gelegen, zum Austausch von Wissen zwischen allen Ärzten beizutragen und so die Behandlungsqualität für Patienten zu steigern. Bereits jetzt teilen wir Ergebnisse der Empfehlungen, die auf Anfragen eingegangen sind, mit allen Ärzten, die auf BetterDoc registriert sind. Wir werden in den nächsten Monaten weitere „Netzwerk-Features“ zur Verfügung stellen, sodass es für Ärzte einfacher wird, sich mit Kollegen in ganz Deutschland zu medizinischen Themen schnell, einfach und zielorientiert auszutauschen. DocCheck: "Mit Ihrer Idee haben Sie beim Entrepreneurship Summit den dritten Platz belegt..." Nils von Dellingshausen: Ein klares Zeichen für das Interesse an unserer Idee, mehr Transparenz für Patienten zu schaffen, wenn es darum geht, einen passenden Spezialisten zu finden. Zudem versuchen wir ein Problem zu lösen, das irgendwann so ziemlich jeden Menschen direkt oder indirekt betrifft. DocCheck: "Müssen Patienten bereits eine Erstdiagnose mitbringen?" Donata von Dellingshausen: Ja, das ist grundsätzlich notwendig. BetterDoc hilft ihnen dann, eine kompetente Zweitmeinung einzuholen oder einen idealen Behandler beziehungsweise Operateur zu finden. DocCheck: "Privat oder gesetzlich versichert – fragen Sie den Status ab?" Donata von Dellingshausen: Nein, weil das zu einer Fehlsteuerung der ausgesprochenen Empfehlungen führen würde. Außerdem ist nicht einzusehen, warum die Versicherungsart irgendeinen Einfluss darauf haben sollte, welcher Arzt für das beschriebene Gesundheitsproblem als der fachlich qualifizierteste empfohlen wird. Es geht uns ja darum, die fachlich optimale Lösung für den Patienten zu finden, nicht eine fachlich suboptimale, die aber dafür zu seiner Versicherung passt. Wir wollen uns qualitativ nicht nach unten anpassen. DocCheck: "Sind Patienten vom Mehrwert Ihrer Dienstleistungen überzeugt?" Nils von Dellingshausen: Patienten, die unseren Service genutzt haben, gaben uns als Feedback, dass wir ihnen wirklich weiterhelfen konnten. Für uns ist das entscheidend. Unabhängig davon sind wir mit der Schnelligkeit und Qualität der abgegebenen Empfehlungen durch die teilnehmenden Ärzte sehr zufrieden. Erfreulich und teilweise auch wirklich erstaunlich ist für uns, wie stark sich die Empfehlungen, die ja vollkommen unabhängig voneinander ausgesprochen werden, darin überlappen, welcher Kollege für die konkrete Patientensituation empfohlen wird. Das gibt dem Patienten natürlich eine sehr klare Richtschnur. Zusätzlich erklären die Ärzte dem Patienten in sachlicher Form, warum der von ihnen empfohlene Arzt zu dem vom Patienten geschilderten Gesundheitsproblem passt. Unsere bisherige Erfahrung zeigt, dass sich die Ärzte sehr viel Mühe dabei geben. Das zeigt den hohen ethischen Anspruch der teilnehmenden Ärzte. DocCheck: "Mit welchem Vergütungsmodell arbeiten Sie?" Nils von Dellingshausen: Patienten bezahlen nur für eine Leistung, die sie auch tatsächlich erhalten. Jeder Patient wird nach der initialen Online-Anfrage von einem unserer Ärzte aus dem medizinischen Team von BetterDoc angerufen. Dadurch wird ein Vertrauensverhältnis aufgebaut. Gleichzeitig fragen wir bei Bedarf weitere Informationen ab, bevor wir unser Spezialisten-Netzwerk kontaktieren. Patienten müssen zunächst nichts bezahlen, sondern können abwarten, wie viele Empfehlungen sie erhalten und wer die Empfehlungen ausgesprochen hat. Nach Abschluss der Anfrage können sie Informationen detailliert einsehen, indem diese „freischaltet“ werden. Hierfür fallen dann erstmalig Kosten an, nämlich 20 Euro pro Arzt-Antwort. Insgesamt liegen die Kosten bei maximal 199 Euro für bis zu 20 Antworten – wir haben den Maximal-Preis also nach oben begrenzt. Bisher haben alle Patienten, die eine Anfrage gestellt haben, die Informationen freigeschaltet – ein klares Zeichen dafür, dass die Information der Preis wert ist. DocCheck: "Könnte BetterDoc vielleicht schon bald eine GKV-Leistung werden?" Nils von Dellingshausen: In der Tat, am Ende des Tages sollte es sich um eine Leistung handeln, die Krankenkassen auch erstatten. Da sind wir in guten Gesprächen und werden in nächster Zeit den einen oder anderen Partner präsentieren. Patienten sollen die Leistung in Anspruch nehmen können, ohne dafür zu bezahlen. Wir wollen langfristig ein integraler Bestandteil des Gesundheitssystems werden – an den sich Patienten z.B. immer vor einer OP wenden. Ich erwarte, dass Leistungsträger hier viel Geld sparen können und gleichzeitig die Behandlungsqualität steigt. DocCheck: "Was haben Ärzte davon, in Kompetenzteams mitzuarbeiten?" Donata von Dellingshausen: 50 Prozent aller Einnahmen gehen an gemeinnützige Gesundheitsprojekte beziehungsweise in die ärztliche Fortbildung. Die allermeisten Ärzte stellen ihren Teil der Einnahmen als Spenden zur Verfügung, weil sie nichts an ihrer Empfehlungstätigkeit verdienen wollen. Bereits jetzt haben wir drei Spendenprojekte definiert. Eines davon ist die Deutsche CLEFT Kinderhilfe e.V., die sich weltweit für die umfassende Behandlung von Kindern mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalten einsetzt. Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen zahlen quasi mit jeder Empfehlung zehn Euro dafür ein. DocCheck: "Sehen Sie eine gewisse Konkurrenzsituation zu Bewertungsportalen im Web?" Nils von Dellingshausen: Nein. Bewertungsportale wie z.B. Jameda konzentrieren sich darauf, widerzuspiegeln, wie Patienten die Behandlung durch ihren Arzt wahrnehmen, vor allem im niedergelassenen Bereich. Wir sind kein Bewertungsportal, sondern darauf fokussiert, Menschen mit schwerwiegenden Diagnosen Zugang zu Ärzten zu geben, die für eine Zweitmeinung oder Behandlung der konkreten Erkrankung dieses Patienten besonders qualifiziert sind. Dafür nutzen wir das gesammelte Wissen aller bei BetterDoc engagierten Ärzte. Ein ganz wichtiger und entscheidender Unterschied ist, dass BetterDoc individuell auf jeden Patienten eingeht. Wir sind keine Datenbank und auch kein Portal, sondern eine Kommunikationsplattform zwischen Ärzten und Patienten und alleine dem Wohl des Patienten verpflichtet. DocCheck: "In welche Richtung könnte sich BetterDoc entwickeln?" Donata von Dellingshausen: Patienten sollten auch in Zukunft persönlich vor Ort durch einen Arzt beraten und behandelt werden, ganz klar. Es wird aber sicherlich immer mehr Möglichkeiten geben, die persönliche Betreuung durch Online-Medien zu unterstützen und zu erweitern. Wir sehen unsere Zukunft in der Vernetzung von Ärzten, um das vorhandene Wissen im Sinne einer immer weiter zu verbessernden Behandlungsqualität innerhalb der Ärzteschaft zu teilen. Stellen Sie sich einmal vor, es wäre möglich, innerhalb kurzer Zeit und interdisziplinär verschiedene Spezialisten aus ganz Deutschland zu einem „Board“ zusammenzurufen, um einen komplexen Patientenfall gemeinsam zu besprechen und so zu einer bestmöglichen Therapie zu gelangen. Was uns täglich motiviert, sind Patienten, denen wir in ihrer schwierigen gesundheitlichen Lage helfen konnten, den richtigen Spezialisten zu finden. Vielen Dank für das Gespräch!