Dienstleistungen wie BtM-Abgaben oder Rezepturen sind aus betriebswirtschaftlicher Sicht hoch defizitär. Auch das hoch gepriesene Medikationsmanagement rechnet sich unter diesem Blickwinkel nicht. Wer zusätzliche Dienstleistungen jenseits des Pflichtprogramms anbietet, hat am Ende des Tages ökonomische Vorteile.
Ein Blick zurück, durchaus im Zorn: Vor zehn Jahren erschütterte das GKV-Modernisierungsgesetz öffentliche Apotheken in ihren Grundfesten. Gesetzliche Krankenversicherungen erstatteten mit wenigen Ausnahmen keine OTCs mehr. Deren Verkaufspreis dürfen Inhaber seither frei kalkulieren. Auch das Mehrbesitzverbot fiel in Teilen, und Versandapotheken betraten die Bildfläche. Bei Rx-Präparaten wurden gestaffelte Aufschläge durch ein Kombimodell aus Fixum plus prozentualem Anteil minus Kassenrabatt ersetzt. Plötzlich fehlte die Möglichkeit, Gemeinwohlpflichten wie Nacht- und Notdienst, Rezeptur oder BtM-Dispensation indirekt zu finanzieren. Das rächt sich bis heute.
Wie die Apothekerkammer Nordrhein jetzt mit einer Studie herausfand, führt jegliche Dispensation von Betäubungsmitteln betriebswirtschaftlich zu roten Zahlen. Dazu ein paar Details: Im Kammerbezirk wurden 55 Inhaber befragt. Sie gaben im Schnitt 115 BtM pro Monat ab. Der Aufwand lag bei 8,8 Minuten pro Vorgang, wohlgemerkt ohne Beratung. Ein Teil dieser Zeit entfiel auf Apotheker (6,6 Minuten), der Rest auf PKA oder PTA. Unter Anwendung üblicher Tarifgehälter plus Lohnnebenkosten ergeben sich 4,19 Euro. Sogenannte Vorlaufkosten, etwa für Tresore oder für Software zur Dokumentation, summieren sich auf 1,33 Euro. Zusammen mit Gemeinkosten führt das zu 8,31 Euro pro BtM – momentan zahlen Leistungsträger gerade einmal 0,26 Euro. Fritz Becker, Präsident des Deutschen Apothekerverbands, hatte politisch zuletzt nur 2,50 Euro gefordert, was angesichts neuer Zahlen aus Nordrhein die Realität kaum abbildet.
Damit nicht genug: Für Inhaber sind Rezepturen ebenfalls ein dickes Verlustgeschäft, vor allem durch Arbeitskosten bei der Herstellung und der Dokumentation. Bereits 2004 haben Ökonomen ein Minus von 6.800 Euro pro Jahr und Apotheke ermittelt. Durch neue Forderungen der Apothekenbetriebsordnung und durch Erhöhungen bei Tarifgehältern hat sich dieser Wert verändert. Setzt man als durchschnittlich ermittelte Zeit 29,5 Minuten an und rechnet mit einem PTA-Tarifgehalt des dritten bis fünften Berufsjahrs, ergeben sich 8,93 Euro für die Arbeitszeit. Allerdings landen derzeit abhängig von der Rezeptur oft fünf Euro in der Kasse – ein hoch defizitäres Unterfangen. Neben Forderungen an die Politik, hier gegenzusteuern, bleibt Apothekenleitern derzeit noch eine Alternative: die Defektur. Bei Herstellungsprozessen mit geringem Risiko hält sich ihr Prüfaufwand in wirtschaftlich vertretbarem Rahmen. Je größer die Charge, desto wirtschaftlicher kann auch produziert werden.
Jenseits von Rezeptur oder BtM-Dispensation gibt es weitere Services mit ökonomisch fragwürdigem Resultat. Diskussionen zum Leitbild sind in vollem Gange, und das ABDA-KBV-Modell inklusive Medikationsmanagement wird zum integralen Bestandteil. Mittlerweile läuft unter dem Namen „Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen“ (ARMIN) ein Test. Multimorbide Patienten profitieren ohne Zweifel vom Konzept. Nur was bringen entsprechende Dienstleistungen dem Inhaber? Laut Zahlen von Dr. Reinhard Herzog, Tübingen, kommen pro Apotheke lediglich 500 Patienten pro Apotheke für ein Medikationsmanagement infrage. Mit einem Honorar zwischen 120 und 180 Euro landet man gerade einmal auf 60.000 bis 90.000 Euro. Bei ARMIN ist mit 157,50 Euro zu rechnen. Die Sache hat jedoch einen gewaltigen Haken. Herzog kalkuliert mit 20 Minuten pro Patient und Monat, das macht 2.000 Stunden im Jahr. Setzt er Personalkosten von durchschnittlich 45 Euro pro Stunde an, landet man bei 90.000 Euro – ein Nullsummenspiel. Mögliche Kosten durch Software und Weiterbildung kommen noch hinzu. Würden sich Apotheker nur auf 100 Patienten konzentrieren, die einen größtmöglichen Nutzen vom Medikationsmanagement haben, sieht die Rechnung betriebswirtschaftlich schon besser aus. Herzog geht in diesem Fall von 30 Minuten pro Kopf und Monat aus, das macht 600 Stunden im Jahr. Da GKVen bei dieser Zielgruppe deutlich mehr sparen, hält der Ökonom ein höheres Honorar von 600 Euro pro Kopf und Jahr für gerechtfertigt. Unter dem Strich stehen dann 27.000 Euro Kostenaufwand Einnahmen von 60.000 Euro gegenüber. Jenseits aller Zahlen bleiben noch Aspekte wie Zeit und Technik. „Leitbild 2030: Wir müssen aufpassen, nicht von der technischen Entwicklung überholt zu werden“, so Herzog weiter. „Was heute als Medikationsmanagement verkauft wird, hätte mit dem Aufkommen der Polymedikation vor 20 Jahren eingeführt werden müssen.“
Genug der Schwarzmalerei: Laut Professor Dr. Andreas Kaapke, Ludwigsburg, machen neue Services den entscheidenden Unterschied, um sich von Konkurrenten abzusetzen. Die Produkte selbst würden sich nicht ausreichend unterschieden. Der Ökonom warnt davor, alles per Gießkanne zu verteilen. „Basisleistungen sollten alle gleich sein, bei den Dienstleistungen müssen Unterschiede erkennbar werden.“ Kaapke weiter: „Beobachten Sie den Markt, beschränken Sie sich nicht auf Apotheken. Bessere Ideen sind oft außerhalb dieses Bereichs zu finden.“ Bleibt noch die Evaluation – sprich ein Nachweis, dass Dienstleistungen der Apotheke zumindest indirekt etwas bringen.