Leukozyten erfüllen spezielle Abwehraufgaben, insbesondere gegenüber Krankheitserregern. Beim Durchwandern der Blutgefäße dringen sie in die erkrankten Regionen. Welche Voraussetzungen dazu nötig sind, bestimmten Forscher nun quantitativ.
Etwa fünf Liter Blut fließen in unseren Adern. Der Lebenssaft transportiert verschiedenste Blutbestandteile, darunter die Leukozyten, in jeden Winkel unseres Körpers. Sie sind dafür zuständig, unerwünschte Stoffe unschädlich zu machen, zum Beispiel krankmachende Bakterien. Erkrankte Gewebe senden dazu einen Botenstoff an die Leukozyten, der die zunächst kugelrunden Zellen veranlasst, ihre Form zu ändern, um durch enge Öffnungen in den Blutgefäßen dorthin gelangen zu können, wo sie benötigt werden. Doch wie gelangen die Zellen, die mit einer Geschwindigkeit von mehreren Millimetern pro Sekunde durch die feinsten Verästelungen unserer Arterien und Venen strömen, überhaupt zu den Gefäßwänden, obwohl sie keinen aktiven Antrieb besitzen? Mit Hilfe aufwändiger Computersimulationen gelang es Jülicher Forschern, diese umstrittene Frage nun zu beantworten. Demnach werden die Leukozyten rein passiv an den Rand des Teilchenstroms in den Blutgefäßen befördert. Damit dies passiert, sind mehrere Faktoren wichtig: die Konzentration roter Blutzellen, die durch den Hämatokrit-Wert angegeben wird, die Form und Größe der Zellen, sowie die Fließgeschwindigkeit. Die weißen Blutzellen kommen vergleichsweise selten vor und sind rund und starr. Viel häufiger sind die roten Blutkörperchen. Sie sind etwas kleiner und diskusförmig. Diese Form führt dazu, dass bei bestimmten Hämatokrit-Werten und Fließgeschwindigkeiten, wie sie bei gesunden Menschen in den kleinen Verästelungen der Venen typisch sind, die roten Blutkörperchen überwiegend in der Mitte der Blutgefäße strömen und die weißen Blutzellen an den Rand drängen. So sind diese stets in Reichweite von Ankerproteinen in den Gefäßwänden, die bei Bedarf an die Leukozyten andocken und sie stoppen können. Den Jülicher Physikern gelang es durch dreidimensionale Computersimulationen erstmals, dieses Phänomen auch zu quantifizieren. So konnten sie berechnen, ab wann Probleme auftauchen können, etwa bei zu hohem oder zu niedrigem Hämatokrit-Wert oder bei falscher Fließgeschwindigkeit, wie sie etwa bei Kranken vorkommen kann. Ihre Ergebnisse stimmen dabei mit einer Reihe vorhandener experimenteller Beobachtungen überein. Die Methode ermöglicht auch Vorhersagen, wie leicht Zellen ähnlicher Größe, zum Beispiel Tumorzellen, bei verschiedenen Kapillardurchmessern, Viskositäten oder Fließgeschwindigkeiten an die Gefäßwände gelangen können. Ein mittlere Anzahl von roten Blutkörperchen und eine geringe Fließgeschwindigkeit (von links) drängen die weiße Blutzelle an den Rand der Kapillare. © Quelle: Forschungszentrum Jülich Ist die Zahl der roten Blutkörperchen zu niedrig und die Fließgeschwindigkeit zu hoch, schwimmt die weiße Blutzelle im Teilchenstrom mit und kann die Gefäßwand nicht erreichen. © Quelle: Forschungszentrum Jülich "Unsere Methode könnte auch für die Entwicklung neuer Technologien genutzt werden, etwa für die medizinische Diagnostik", freuen sich Dr. Dmitry A. Fedosov und Prof. Gerhard Gompper vom Jülicher Institutsbereich Theorie der Weichen Materie und Biophysik. Die Krankheit Malaria zum Beispiel ist oft schwer nachzuweisen, weil es Zeiten gibt, in denen nur wenige Malariaerreger im Blut der Erkrankten zu finden sind. Um sie zuverlässig erkennen zu können, wäre es wünschenswert, die von Parasiten befallenen roten Blutzellen von den anderen Blutbestandteilen abtrennen und konzentrieren zu können. "Weil Malaria-befallene rote Blutzellen andere Eigenschaften haben als gesunde, könnte dies durch geschickt aufgebaute Vorrichtungen aus Mikroröhrchen möglich sein, die die nahe der Gefäßwände fließenden Zellen abtrennen", erläutern die Physiker. Originalpublikation: White blood cell margination in microcirculation Dmitry A. Fedosov et al.; Soft Matter, DOI: 10.1039/C3SM52860; 2014