Bisher hält sich der Mythos hartnäckig, dass Klinikärzte ein höheres Risiko für einen Burnout haben als niedergelassene Ärzte. Daniel Roberts und Kollegen der Mayo Clinic zeigten nun, dass Klinik- und niedergelassene Ärzte gleich häufig betroffen sind.
Ein Burnout beeinflusst das gesamte Leben – nichts geht mehr. Der Psychoanalytiker Herbert Freudenberger (1927-1999) prägte den Begriff „Burnout-Syndrom“ erstmals 1974. Wer gerade ausbrennt, wird zynisch, isoliert sich und arbeitet nicht mehr effektiv. Das kann besonders für den Arztberuf schwerwiegende Folgen haben. Gerade Klinikärzte sind oft unvorhersehbaren Dienstzeiten ausgesetzt. Sie arbeiten mit schwer kranken Patienten und ihren besorgten Angehörigen. Ihr Privatleben wird teilweise erheblich beschnitten. Hohe Arbeitszeiten korrelieren mit der Rate der Burnouterkrankungen bei Internisten, Allgemeinärzten, Palliativmedizinern, jungen Assistenzärzten und Radiologen, wie eine Studie ergab. Außerdem sind Klinikärzte oft noch jung und unerfahren, was ihren Stress erhöht. Die starken Hierarchien im Krankenhaus und der Druck von oben kommen hinzu. Studien konnten zeigen, dass jüngere Ärzte aufgrund ihrer Unerfahrenheit tatsächlich häufiger von Burnout betroffen sind als ältere. Klinikärzte zeigten sich in Untersuchungen zudem besorgter als niedergelassene Ärzte, an einem Burnout zu erkranken. Andererseits bietet die Arbeit im Krankenhaus auch in vielerlei Hinsicht einen Schutz vor Burnout: Werden Dienstpläne gut organisiert und eingehalten, sind sie ein verlässlicher Rahmen. Die sozialen Beziehungen zu den Kollegen schützen vor Isolation. Auch die Möglichkeit zu forschen, zu lehren und sich weiterzubilden, reduziert die Burnout-Gefahr.
Daniel Roberts und Kollegen stellten aufgrund der bisherigen Erkenntnisse die Hypothese auf: Klinikärzte sind häufiger von Burnout betroffen als Niedergelassene. Sie sammelten Studien zum Burnout bei Ärzten aus aller Welt. Aus über 1800 Artikeln wählten sie 54 Studien aus, die geeignet waren, ihre Hypothese zu überprüfen. Dabei betonen sie, dass „Burnout“ und „Depression“ nicht gleichgesetzt werden dürfen: Während das Burnout meistens einen Bereich, z. B. die Arbeit, betrifft, umfasst die Depression alle Lebensaspekte. Auch „Unzufriedenheit im Job“ ist nicht gleich „Burnout“: Eine Untersuchung bei operativ tätigen HNO-Ärzten zeigte, dass 97 Prozent von ihnen zufrieden mit der Arbeit waren. Aus der gleichen Gruppe fühlten sich jedoch 34 Prozent ausgebrannt.
Um ein Burnout zu erfassen, stehen verschiedene Fragebögen zur Verfügung. Gängig ist das Maslach Burnout Inventory (MBI), bestehend aus 22 Items, das die drei Komponenten „emotionale Erschöpfung, Depersonalisation und persönliche Leistungsbereitschaft/Leistungsfähigkeit“ erfasst. Auch das Copenhagen Burnout Inventory wird häufig verwendet: Es besteht aus 19 Items und fragt nach den Komponenten „persönliches Burnout, arbeitsbezogenens Burnout und kundenbezogenes Burnout“. Das „Arbeitsbezogene Verhaltens- und Erlebensmuster“ ist ein 66 Items umfassendes Questionnaire, das nach professionellem Einsatz, Widerstand gegenüber Stress und emotionalem Wohlergehen fragt.
Die Autoren werteten schließlich 54 geeignete Studien aus. 15 dieser Studien verglichen Klinik- und ambulante Ärzte direkt. 22 Studien fokussierten sich auf die Niedergelassenen und 17 Studien auf die Klinikärzte. Die Autoren verglichen unter anderem 9 Studien direkt miteinander. Diese Studien umfassten 1390 niedergelassene und 899 Kinikärzte. Klinikärzte und Niedergelassene waren demnach etwa gleich häufig von emotionaler Erschöpfung betroffen: Auf einer 54-Punkt-Skala wichen die Werte nur um 0,11 Punkte im Durchschnitt ab. Auch litten die beiden Arztgruppen in etwa gleich häufig an „Depersonalisation“, also an dem Gefühl, nicht mehr sie selbst zu sein. Ebenso unterschieden sich die beiden Arztgruppen nicht in Bezug auf ihre persönliche Leistungsfähigkeit und Einsatzbereitschaft. Zwar zeigten einige Studien, dass die emotionale Belastung niedergelassener Ärzte höher war als diejenige von Klinikärzten, was besonders auf US-amerikanische Ärzte zutraf. Führten die Autoren die verschiedenen Studien jedoch statistisch zusammen, so zeigte sich kein Unterschied mehr. Daniel Roberts und Kollegen widerlegten also ihre eigene Hypothese. Sie konnten zeigen, dass Klinikärzte und niedergelassene Ärzte ein etwa gleich hohes Risiko aufweisen, an Burnout zu erkranken.