Viele Ophthalmologika geben zu große Tropfen ab. Zum einen wird ein Teil des Arzneistoffs verschwendet, zum anderen können zu große Mengen des Wirkstoffs zu Nebenwirkungen führen. Technisch wäre die Herstellung kleinerer Tropfer kein Problem, aber bei den Firmen fehlt der Wille.
Kleine Flasche, großer Ärger: Augentropfen laufen trotz der korrekten Anwendung wieder aus dem Auge heraus. Sie benetzen das Augenlid oder die Wange. Was Laien vielleicht für einen Anwendungsfehler halten, hat in vielen Fällen einen anderen Grund.
Professor Dr. Alan Lee Robin kennt das Problem aus seiner Praxis. Er ist Augenarzt aus Baltimore und lehrt an der medizinischen Fakultät der Universität von Michigan. Als Erklärung schreibt er, pharmazeutische Hersteller würden meist mit typischen Tropfengrößen arbeiten – egal, ob es sich um preisgünstige OTCs oder teure Glaukom-Medikamente handele. Robin forderte Konzerne dazu auf, bessere Tropfer herzustellen. Bislang ohne Erfolg. Beispielsweise stand Robin mit Alcon Laboratories (heute Novartis), einen weltweit tätigen Hersteller von Ophthalmologika, in Kontakt. Entwickler experimentierten am sogenannten Microdrop-System. Damit wäre es möglich geworden, kleinere Mengen akkurat zu dosieren. Doch statt eines Durchbruchs wurde die Innovation zur Fallstudie und verstaubte in der Schublade. Jerry Cagle, ehemaliger Leiter der Produktentwicklung bei Alcon, zog sich 2008 zurück. Es habe nur Diskussionen über Gewinne gegeben, so Cagle.
Cagles Kollege Dr. Bill York ist für den innovativen Tropfer verantwortlich. Ihm geht es weniger um die Verschwendung im ökonomischen Sinne, sondern um unerwünschte Effekte. Wirkstoffe aus Augentropfen können über die Binde- und Hornhaut sowie den Tränenapparat ins Blutsystem gelangen. Gerade die sich an den Tränenkanal anschließenden Schleimhäute von Nase und Mund sind gute Resorptionsorte. Es kann also zu Nebenwirkungen bis hin zu toxischen Effekten kommen. Deshalb stellte Yorks Team einen 16-Mikroliter-Tropfer her. Das entspricht einem Drittel bis der Hälfte gängiger Volumina. Basis waren marktübliche Standardflaschen mit einer Latex-Tropferspitze, die keine Verletzungen am Auge verursacht. Dann rekrutierte der Forscher 29 Patienten mit Glaukom. Sie erhielten das identische Medikament, aber in unterschiedlichen Tropfflaschen. Der Augeninnendruck verringerte sich in beiden Gruppen gleich. Unter den Mikrotropfen waren Nebenwirkungen wie Brennen, Stechen, Juckreiz und Trockenheit aber seltener. Wer jetzt an eine aktuelle Arbeit denkt, wird überrascht sein. Das Team veröffentlichte entsprechende Resultate bereits im Jahr 1992.
Seitdem sind weitere Arbeiten dazu erschienen. Eine Studie aus dem Jahr 2006 zeigte, dass 15-Mikroliter-Tropfen genauso wirksam sind wie große Mengen. „Kleinere Tropfen wären vorzuziehen, um die systemische Exposition zu minimieren", heißt es im Paper. Auch den zweiten Kritikpunkt von Robin, Yorks und Kollegen bestätigten unabhängige Forscher. In einer Arbeit untersuchten sie marktübliche Behältnisse von Augentropfen zur Glaukomtherapie. Die Tropfer gaben in fast allen Fällen zu große Mengen ab. Ein Großteil der teuren Lösung wurde einfach verschwendet.