Als Arzt in einer Klinik achtet man auf eine gute Handhygiene, um keine gefährlichen Krankenhauskeime zu übertragen. Das Stethoskop allerdings könnte eine gefährliche Keimschleuder sein, wie Genfer Ärzte nun zeigen konnten.
Krankenhauskeime wie der Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) sind weltweit gefürchtet und Grund für jährlich etwa 100.000 Infektionen in deutschen Krankenhäusern. Wenn der Keim bei geschwächten Patienten eine Blutvergiftung oder eine Lungenentzündung auslöst, enden viele der Infektionen tödlich. Bisher galten die Hände von Krankenhauspersonal als größte Übertragungsquelle dieser Bakterien. In manchen Häusern wird daher bereits darauf verzichtet, Patienten per Handschlag zu begrüßen und zu verabschieden. Doch nicht nur die Hände des Arztes kommen bei jeder Untersuchung mit dem Patienten in Kontakt, auch das Stethoskop ist nahezu allgegenwärtig. Genfer Ärzte kamen nun in einer Studie an 83 Patienten zu dem Schluss: „Das Stethoskop ist die verlängerte Hand des Arztes und sollte nach jedem Patientenkontakt desinfiziert werden.“
Unter Aufsicht ließen die Forscher 83 Patienten des Genfer Universitätsspitals mit sterilen Stethoskopen nach immer demselben Muster untersuchen. Zunächst mussten sich die teilnehmenden Ärzte die Hände gründlich desinfizieren und ihre Patienten mit Handschlag begrüßen. Dann tasteten sie die A. radialis sowie die zervikalen und supraklavikulären Lymphknoten ihres Patienten ab. Nach dem Abhören von Herz und Lunge untersuchten die Ärzte die Organe im Bauchraum durch Abklopfen und Abtasten der Körperoberfläche und die unteren Extremitäten des Patienten. Dann verabschiedeten sie ihren Patienten mit Handschlag.
Dieses Prozedere wurde von zwei unterschiedlichen Gruppen durchgeführt: Eine Gruppe Ärzte trug sterile Handschuhe, deren Abklatsch Auskunft über die Gesamtkeimzahl gab; die zweite Gruppe agierte mit desinfizierten, nackten Händen. Den Abklatsch davon untersuchten die Genfer Wissenschaftler auf eine MRSA-Kontamination, nachdem der Handabklatsch der Ärzte vor der Untersuchung als MRSA-Negativ-Kontrolle diente. Im Durchschnitt hatten sich die Patienten zehn Stunden vor der Untersuchung zum letzten Mal geduscht oder waren gewaschen worden. Nach jeder standardisierten Untersuchung eines Patienten nahmen die Studienärzte von jedem behandelnden Arzt sechs Abklatschproben: Von der Stethoskopmembran und dem Schlauch des Stethoskops, von den Fingerspitzen, dem Handrücken, dem Daumen- und dem Kleinfingerballen. Auf einem Standardnährmedium ließen die Wissenschaftler alle koloniebildenden Einheiten (KbE) der so gesammelten 489 Proben heranwachsen.
Das Ergebnis war kaum überraschend und ließ keine Fragen offen: Die zuvor sterilen Handschuhe waren nach nur einer Untersuchung regelrecht von Mikroorganismen übersät. Auf den Fingerspitzen konnten die Studienärzte im Schnitt 467 KbE nachweisen. Daumenballen und Kleinfingerballen waren mit 37 und 34 KbE deutlich weniger belastet, am geringsten mit acht KbE der Handrücken. In diesen Daten sehen die Wissenschaftler die Forderung nach strengen Hygienevorschriften, die eine regelmäßige Händedesinfektion fordern, bestätigt. Die Gesamt-Keimbelastung der Stethoskopmembran korrelierte mit der Kontamination der Fingerspitzen und war mit durchschnittlich 89 KbE sogar höher als die Keimbelastung der Resthand. Auch bei den Ärzten, die ihre Untersuchung mit nackten, aber desinfizierten Händen durchgeführt hatten, spiegelte sich dieses Ergebnis wieder. Bei dieser Gruppe züchteten die Studienärzte den Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus auf einem Selektivmedium an. Auch hier waren die Fingerspitzen der Ärzte mit durchschnittlich zwölf KbE am stärksten kontaminiert, die Membran des Stethoskops folgte mit sieben KbE an zweiter Stelle.
Die Ergebnisse dieser kleinen Studie scheinen eindeutig: Um eine Infektion mit MRSA zu vermeiden, reicht die Desinfektion der Hände offenbar nicht aus. Die Studienärzte fordern, das Stethoskop daher ebenso in die Desinfektionsroutine miteinzubeziehen wie die Hände. Doch ihre Studie hat auch einige Schwachstellen: Sie wurde nur in einem einzigen Krankenhaus mit relativ wenigen Ärzten und Patienten durchgeführt. Jeder zweite Patient trug offenbar den gefährlichen MRSA-Keim auf seiner Haut, wobei die Studienärzte der Quelle der Keimbelastung in der Studie keine Beachtung schenkten. Auch über die Belastung von Stethoskopen niedergelassener Ärzte lässt sich aufgrund dieser Studiendaten keine Aussage treffen. Auch wer nun willig ist, sein Stethoskop nach jeder Untersuchung zu desinfizieren, hat bisher keine verlässlichen Daten zur Hand. Wie dieses Prozedere sicher und effektiv vonstattengehen könnte, muss erst noch untersucht werden.