Deutschland hinkt bei Prävention und Gesundheitsförderung hinterher. Was andere Länder besser machen – und wo wir Chancen verpassen.
Wer glaubt, Deutschland tue genug für die Gesundheit seiner Bürger, wird jetzt eines Besseren belehrt. Der neue Public Health Index (PHI) – eine Gemeinschaftsarbeit von AOK-Bundesverband und Deutschem Krebsforschungszentrum – vergleicht erstmals umfassend den Stand der Präventionspolitik in 18 europäischen Ländern. Das Ergebnis: Deutschland landet auf Platz 17.
Nord- und Zentraleuropa geben offenbar den Ton an, wenn es um Tabak, Alkohol, Ernährung und Bewegung geht. Besonders ernüchternd: Der gesamte DACH-Raum, also Deutschland, Österreich und die Schweiz, bildet im Präventions-Ranking das Schlusslicht. Während Großbritannien, Finnland und Irland an der Spitze stehen, kommt Deutschland nach Auswertung der vier zentralen Handlungsfelder kaum aus dem Tabellenkeller heraus.
Was machen die Spitzenländer besser? Sie setzen wissenschaftlich empfohlene Maßnahmen konsequenter um. Dazu zählen etwa Mindeststandards für Schulessen, höhere Preise für Alkohol und Tabak, strikte Werbeverbote und ein strenger Kinderschutz. Die DACH-Länder dagegen zeigen wenig Ehrgeiz. Besonders beim Kampf gegen Tabak- und Alkoholkonsum sowie bei einer gesunden Ernährung werden viele Chancen vergeben. Lediglich bei der Bewegungsförderung reicht es in Deutschland für das untere Mittelfeld.
Laut den Autoren des PHI liegt das Problem nicht an fehlenden Konzepten, sondern am mangelnden politischen Willen. Obwohl es für viele Präventionsmaßnahmen breite gesellschaftliche Zustimmung gebe, werde in Deutschland wenig umgesetzt. Dr. Carola Reimann vom AOK-Bundesverband fordert: „Wir brauchen endlich eine gesundheitsförderliche Gesamtpolitik, die nicht innerhalb der Grenzen des Sozialgesetzbuchs V verharrt, sondern ressortübergreifend vorangetrieben wird.“ Die volkswirtschaftlichen Kosten sind enorm: Tabakkonsum belastet Deutschland laut PHI mit rund 97 Milliarden Euro, Adipositas und Alkoholkonsum mit weiteren 63 und 57 Milliarden Euro.
Einige Länder schneiden übrigens trotz niedriger Lebenserwartung erstaunlich gut ab. Der Grund: Die angespannte Krankheitslage hat dort bereits zu entschlosseneren Präventionsmaßnahmen geführt. Das betont auch das wissenschaftliche Team hinter dem Index, das Expertise aus verschiedenen Universitäten und Forschungszentren bündelt.
Mit dem neuen Public Health Index sollen Deutschlands Schwachstellen und Potenziale in Sachen Prävention künftig noch besser sichtbar werden. Die aktuelle Bewertung deckt die Handlungsfelder Tabak, Alkohol, Ernährung und Bewegung ab. Die Methodik: Je mehr wissenschaftlich empfohlene Maßnahmen umgesetzt werden, desto besser die Platzierung. Für Tabak und Alkohol kamen bereits bestehende Indizes zum Einsatz, für Ernährung und Bewegung wurden eigene Messinstrumente entwickelt.
Der nächste PHI soll 2027 erscheinen – dann vielleicht mit einer besseren Platzierung für Deutschland?
Prof. Michael Baumann vom DKFZ erinnert: „Allein 40 Prozent aller Krebserkrankungen gelten als Folge ungesunden Lebensstils.“ Maßnahmen gegen Tabak, Alkohol, schlechte Ernährung und Bewegungsmangel könnten viel menschliches Leid und hohe Kosten verhindern.
Dr. Klaus Reinhardt von der Bundesärztekammer fordert: „Die Steuern auf Nikotin, Alkohol und Zucker zu erhöhen, um Konsum zu reduzieren und Präventionsprogramme zu finanzieren.“ Für ihn ist klar: Ohne konsequente Prävention keine gesunde Zukunft.
Bildquelle: Getty Images, Unsplash