Blutspenden soll sich positiv auf zu hohen Blutdruck auswirken. Patienten mit mittelschwerer Hypertonie profitierten besonders. Empfänger müssen aber mit Risiken rechnen: Junge Männer haben ein erhöhtes Sterberisiko, wenn sie Blut von ehemals schwangeren Frauen erhalten.
Seit der Antike lassen Ärzte Patienten zur Ader, um zahlreiche Krankheiten zu heilen. Das Verfahren wird auch noch in der modernen Medizin angewendet. Bei einer Hämochromatose setzen Ärzte auf Blutentnahmen, um übermäßige Eisenablagerungen aus dem Körper zu entfernen. Erhöhte Mengen an Erythrozyten im Sinne einer Polyglobulie lassen sich auf diesem Wege ebenfalls positiv beeinflussen, da regelmäßig rote Blutkörperchen eliminiert werden. Mediziner fanden nun heraus, dass auch Blutspender mit Hypertonie profitieren.
Aderlass im Jahr 1340, Darstellung aus dem Luttrell-Psalter © Wikipedia, CC0 Professor Dr. Andreas Michalsen, Chefarzt der Abteilung für Naturheilkunde im Immanuel Krankenhaus Berlin, hat 292 Blutspender für eine Studie rekrutiert. Von ihnen hatten 146 einen Blutdruck über 140/90 mmHg. Weitere 146 Probanden mit normalen Werten dienten als Kontrolle. „Bei den hypertensiven Probanden konnte sowohl eine Minderung des systolischen als auch des diastolischen Blutdrucks direkt nach der Blutspende gemessen werden“, fasst Michalsen zusammen. Nach vier Spenden sanken die Werte systolisch von durchschnittlich 155,9 auf 143,7 mmHg. Diastolisch verringerte sich der Druck von durchschnittlich 91,4 auf 84,5 mmHg. Dabei zeigte sich ein klarer Zusammenhang zwischen der „Dosis“ und der Wirkung. Häufigere Blutspenden verbesserten das Ergebnis. Patienten mit mittelschwerer Hypertonie (Grad 2 laut European Society of Hypertension) profitierten besonders deutlich. Nach vier Spenden sanken ihre Werte um 17,1 mmHg systolisch und 11,7 mmHg diastolisch. Michalsen zufolge haben die Resultate durchaus klinische Relevanz: „Eine Senkung des Blutdrucks von 10 mmHg systolisch oder 5 mmHg diastolisch vermindert das Risiko eines Schlaganfalls und ischämischer Herzerkrankungen um bis zu 40 Prozent.“ Teilnehmer ohne Hypertonie bemerkten keine signifikanten Änderungen. „Ich sehe auf Basis der jetzigen Evidenz eine relative Empfehlung“, so die Einschätzung von Michalsen. „Das heißt, bei Patienten, die keine Kontraindikation wie Anämie oder Eisenmangel haben und idealerweise etwas erhöhten Hämatokrit- und/oder erhöhte Ferritin-Werte haben, würde ich einen Aderlass bzw. eine Blutspende empfehlen.“ Dies sei vor allem relevant, falls der individuelle Wunsch bestehe, Medikamente zu reduzieren. Der Experte ergänzt: „Weitere Studien sind allerdings notwendig und wünschenswert, um Fragen der besten Responder, der besten ‚Dosis‘ des Aderlasses und des genauen Wirkmechanismus zu klären.“
Patienten wollen angesichts der Vorteile wissen, wie oft sie Blut spenden sollten. In Deutschland liegt der Abstand bei acht Wochen. Großbritannien legt als Frist zwölf Wochen für Männer und 16 Wochen für Frauen fest. Wer hat Recht? Emanuele Di Angelantonio von NHS Blood and Transplant, einer Expertengruppe im britischen Gesundheitssystem (National Health Service), hinterfragte diese Unterschiede. Zusammen mit Kollegen hat sie Daten von mehr als 45.000 Spendern ausgewertet. Alle Teilnehmer wurden in drei Gruppen eingeteilt und erhielten unterschiedliche Empfehlungen:
Kürzere Abstände führten im Sinne der Vorgabe zu mehr Blutspenden, ohne das subjektive Wohlbefinden der Probanden zu beeinträchtigen. Noch ein Blick auf wichtige Laborparameter:
Di Angelantonio rät Ärzten deshalb, bei regelmäßigen Spendern gelegentlich den Ferritinwert zu bestimmen. Ansonsten sieht sie keine relevanten Unterschiede, sollten Bürger öfter zur Ader gelassen werden.
Während Spender auf der sicheren Seite sind, drohen Empfängern einige Gefahren. Das betrifft vor allem Männer unter 50 Jahren, die Spenden von ehemals schwangeren Frauen erhalten. Bei den Empfängern von Erythrozytenkonzentraten war das Gesamtsterberisiko mittelfristig höher, berichtet Camila Caram-Deelder. Sie forscht am Center for Clinical Transfusion Research, Sanquin Research, im niederländischen Leiden. Die Forscherin wertete Daten von 31.118 Patienten und 59,320 Erythrozyten-Transfusionen aus. 88 Prozent aller Spenden kamen von Männern, 6 Prozent von Frauen mit mindestens einer Schwangerschaft in der Vorgeschichte und weitere 6 Prozent von Frauen, die niemals schanger waren. Es gab statistisch betrachtet 101 Todesfälle auf 1.000 Personenjahre und unterschied sich beträchtlich. Caram-Deelder gibt für männliche Donoren 80 Todesfälle auf 1.000 Personenjahre an. Bei weiblichen Donoren mit mindestens einer Schwangerschaft waren es 101 auf 1.000 Personenjahre. „Frühere Schwangerschaften der Spenderin erhöhten also das Sterberisiko der männlichen Empfänger um 13 Prozent“, fasst Caram-Deelder zusammen."Das betrifft vor allem jüngere Männer unter 50." Wie es zu dem Risiko kommt, ist weitgehend unklar. In einem Editorial bringt Ritchard G. Cable vom American Red Cross Blood Services, Farmington, TRALI ins Gespräch. Die Abkürzung steht für transfusionsbedingte akute Lungenschädigungen aufgrund immunologischer Reaktionen. Antikörper des Spenders lösen eine Immunreaktion gegen Leukozyten des Empfängers aus. Während einer Schwangerschaft bildet das mütterliche Immunsystem Antikörper gegen den Fötus, da sein genetisches Material zur Hälfte vom Vater stammt, also körperfremd ist. Zur Abstoßung kommt es jedoch nicht, da die Immunreaktion der Frau auf die Antigene des Vaters über verschiedene Mechanismen unterdrückt wird. Aber auch nach der Geburt bleiben die Antikörper vorhanden. Cable schreibt, TRALI kämen als alleinige Erklärung aber nicht infrage. Hier handele es sich um eine Sofortreaktion, was klinischen Beobachtungen widerspreche. Der Editorialist gibt zu bedenken, dass Caram-Deelder letztlich keine Kausalität, sondern nur eine mögliche Assoziation nachweist. Weitere Studien seien erforderlich.