Wer unter der feuchten Form der altersbedingten Makuladegeneration leidet, muss schmerzhafte Injektionen ins Auge ertragen, um eine Erblindung abzuwenden. Ein erprobter Wirkstoff scheint auch subkutan verabreicht zu wirken. Die Nebenwirkungen sind jedoch nicht zweifelsfrei geklärt.
Die altersbedingte Makuladegeneration (AMD) ist für rund ein Drittel aller Neuerblindungen verantwortlich und damit die häufigste Erblindungsursache in den westlichen Industrienationen. Die Augenerkrankung führt zu einem Verlust der Sehkraft im Bereich des schärfsten Sehens, der Makula (auch „gelber Fleck“ genannt). Während das äußere Gesichtsfeld erhalten bleibt, fallen den Betroffenen Alltagsbeschäftigungen wie Lesen, Fernsehen, Autofahren oder das Erkennen von Gesichtern mit fortschreitender Erkrankung immer schwerer. Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko, an AMD zu erkranken.
Bei der AMD gibt es zwei Verlaufsformen: Die „trockene“ Verlaufsform kommt mit ca. 85 Prozent aller Fälle weitaus häufiger vor als die „feuchte“. Bei der trockenen AMD sterben mit der Zeit immer mehr lichtempfindliche Zellen der Netzhaut ab. Die Sehverschlechterung tritt langsam ein. Bei der selteneren feuchten Verlaufsform wachsen Blutgefäße in die Netzhaut ein. Sie verläuft wesentlich aggressiver. Nach kurzer Zeit werden die Gefäßwände undicht, die Vernarbung und Zerstörung der Nervenschicht der Netzhaut nimmt zu, was innerhalb kurzer Zeit zu einem massiven Sehverlust führen kann.
„Die altersbedingte Makuladegeneration ist komplex und ihre Pathogenese noch nicht gänzlich verstanden“, schreiben die Wissenschaftler des Trinity Colleges in Dublin. Chronisch oxidativer Stress und Entzündungsreaktionen scheinen dabei jedoch eine zentrale Rolle zu spielen. Entzündungsreaktionen werden eigentlich nur ausgelöst, wenn das Immunsystem Pathogene oder Toxine erkannt hat. Dann kommen auch Cytokine wie Interleukine ins Spiel, die helfen, die Eindringlinge abzuwehren. Sogenannte sterile Entzündungsreaktionen, also Entzündungsreaktionen ohne externe Auslöser, zählen zu den typischen Alterserscheinungen und können auftreten, wenn körpereigene Elemente modifiziert oder nicht mehr abgebaut werden.
Die einzige effektive Therapie der feuchten AMD besteht derzeit in der Injektion von monoklonalen Antikörpern, die direkt ins Auge des Patienten verabreicht werden. Die Antikörper hemmen den Wachstumsfaktor VEGF (Vascular Endothelial Growth Factor) und verhindern so das zerstörerische Aderwachstum. Ein wirksamer, aber für den Patienten äußerst unangenehmer Ansatz. Denn die Injektionen müssen regelmäßig wiederholt werden und bergen ein hohes Risiko für Infektionen, eine Netzhautablösung und Blutungen.
Frühere Studien hatten den Entzündungsbotenstoff Interleukin-18 (IL-18) bereits als möglichen Wachstumshemmer identifiziert, der das Fortschreiten der feuchten AMD möglicherweise stoppen könnte. Auch in der aktuellen Studie überzeugte der Botenstoff bei Versuchen an Zellkulturen und Mäusen mit einer AMD-ähnlichen Augenerkrankung. „Bereits niedrige Dosen von IL-18 konnten bei den erkrankten Mäusen das Einwachsen der Gefäße aufhalten, ohne aber die empfindliche Retina zu schädigen“, schreiben die Forscher. Der große Vorteil gegenüber der herkömmlichen Therapie: IL-18 bremste die AMD auch, wenn er den Mäusen subkutan verabreicht wurde. „Bereits bei einer Dosis von 1 mg IL-18 pro kg Körpergewicht hemmte der Botenstoff das Einwachsen von Blutgefäßen im Auge deutlich und ohne erkennbare Nebenwirkungen“, berichten die Wissenschaftler. Eine Kombination mit der herkömmlichen Antikörpertherapie konnte den Effekt sogar noch verbessern. https://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=QkjDkH5yDe4
Ein weiterer Vorteil für die Patienten: Eine Zulassung von IL-18 könnte relativ schnell erfolgen, denn der Botenstoff hat seine Verträglichkeit für den Menschen schon in mehreren klinischen Studien unter Beweis gestellt, in denen seine Wirksamkeit gegen den metastasierenden Hautkrebs, das Non-Hodgkin-Lymphom und weitere Krebsarten getestet wurde. Ein plausibler Grund, warum der IL-18 Hersteller GlaxoSmithKline die vorliegende Studie finanziell unterstützte. Die irischen Wissenschaftler sind überzeugt von IL-18s großem Potential im Kampf gegen die bisher unheilbare AMD. Ob der Wirkstoff allerdings tatsächlich keine Nebenwirkungen an der Retina hinterlässt, scheint jedoch laut einer Studie aus dem Jahr 2012 ohne industrielle Unterstützung noch nicht gänzlich geklärt zu sein. Dort hatte der direkte Kontakt von IL-18 zum Absterben von Retinazellen geführt.