Gängige Analgetika könnten im Darm die Entstehung multiresistenter Bakterien begünstigen. Wie der Selektionsdruck zustande kommt – und welche eurer Patienten besonders gefährdet sind.
Antibiotika-Resistenzen gehören zu den größten Gefahren für unsere Gesundheit. Sie sind für Millionen Todesfälle pro Jahr mitverantwortlich. Lange Zeit hatten Forscher den Grund vor allem in Antibiotika gesehen, sei es in der Humanmedizin oder in der Landwirtschaft. Doch neue Analysen zeigen, dass die Situation komplexer ist als gedacht. Auch manche nicht antimikrobiell wirksame Medikamente, etwa Ibuprofen oder Paracetamol, beeinflussen die Darmflora und lösen bakterielle Stressreaktionen aus. Das Risiko neuer Resistenzen steigt.
Besonders gefährdet sind Menschen mit Polypharmazie – ein relevantes Thema bei älteren, multimorbiden Menschen. In Deutschland erhalten etwa 43 % aller über 65-Jährigen fünf oder mehr rezeptpflichtige Arzneistoffe. OTCs kommen noch hinzu. Diese Menge an Arzneistoffen erhöht nicht nur das Risiko unerwünschter Effekte, sondern schafft potenziell einen zusätzlichen Selektionsdruck für resistente Erreger, wie Forscher zeigen konnten.
Im Zentrum der neuen Untersuchung standen einige weit verbreitete Arzneistoffe: Ibuprofen, Diclofenac, Paracetamol, Furosemid, Metformin, Atorvastatin, Temazepam, Tramadol und Pseudoephedrin. Um deren Einfluss auf die Entstehung von Ciprofloxacin-Resistenzen zu prüfen, arbeiteten die Forscher mit zwei E. coli-Stämmen: dem Laborstamm BW25113 und dem klinischen Stamm 6146, der aus der Stuhlprobe eines Bewohners einer Seniorenresidenz isoliert worden war. Im nächsten Schritt haben Wissenschaftler die Medikamente in Konzentrationen getestet, wie sie typischerweise nach einer Einzeldosis im menschlichen Darm auftreten. Parallel dazu setzten sie die Bakterien niedrigen Ciprofloxacin-Dosen aus, um das Wachstum nicht vollständig zu hemmen, aber dennoch einen Selektionsdruck zu erzeugen. Obwohl es sich um eine In-vitro-Studie handelt, wollte das Team möglichst realitätsnah untersuchen, inwieweit gängige nicht-antibiotische Medikamente antimikrobielle Resistenzen fördern.
Die Ergebnisse ihrer Studie fielen deutlich aus: Vor allem Ibuprofen und Paracetamol steigerten in beiden untersuchten E. coli-Stämmen die Mutationsfrequenz signifikant. Diese Arzneistoffe führten zu einer wesentlich höheren Zahl resistenter Bakterienkolonien als Ciprofloxacin allein. Dabei hatten die Pharmaka unter den experimentellen Bedingungen keine direkte antimikrobielle Wirkung. Die beobachteten Mutationen seien eher auf eine durch die Medikamente ausgelöste und verstärkte bakterielle Stressantwort, schreiben die Autoren.
Die detailliert untersuchten Mutanten zeigten um das 8- bis 32-Fache erhöhte minimale Hemmkonzentrationen (MHK). In einzelnen Fällen, etwa bei gleichzeitiger Exposition mit Ibuprofen und Diclofenac, waren MHK-Werte sogar um das 64-Fache erhöht. Offenbar erleichtert die Kombination verschiedener Stressoren die Anreicherung mehrerer Mutationen und beschleunigt damit die Resistenzentwicklung zusätzlich. Aus anfänglich sensitiven E. coli-Stämmen wurden Bakterien mit klar klinisch relevanten Resistenzniveaus.
Hinzu kam, dass viele Keime zusätzlich Kreuzresistenzen entwickelten, etwa gegenüber anderen Fluorchinolonen wie Levofloxacin oder – je nach Stamm – auch gegenüber Beta-Laktam-Antibiotika oder Minocyclin. Dies weist darauf hin, dass mehrere Resistenzmechanismen gleichzeitig aktiviert wurden. Diclofenac und Furosemid zeigten ebenfalls messbare, wenn auch schwächere Effekte, während Temazepam, Tramadol und Pseudoephedrin die Mutationsrate kaum beeinflusst haben.
Ein Blick auf Details: Die genomische Analyse resistenter E. coli-Mutanten zeigte ein deutliches Muster. Viele der Isolate trugen charakteristische Veränderungen im gyrA-Gen, einem der zentralen Angriffspunkte von Fluorchinolonen. Solche Mutationen gehören zu den bekanntesten Auslösern einer Fluorchinolon-Resistenz. Ergänzend fanden sich Veränderungen in wichtigen Regulatoren der AcrAB-TolC-Effluxpumpe. Effluxpumpen sind Transportproteine in der bakteriellen Zellmembran, die schädliche oder unerwünschte Substanzen aktiv aus der Zelle befördern und damit einen zentralen Mechanismus der Antibiotikaresistenz darstellen.
Das Zusammenspiel aus Mutationen im Zielprotein der Fluorchinolone und in der Regulation der Effluxsystemen erklärt, warum sich die Entwicklung von Resistenzen beschleunigt. Laut PCR-Analysen waren in den meisten Mutanten die AcrAB-TolC-Pumpe stark überexprimiert – teilweise mehr als zehnfach im Vergleich zum Wildtyp. Da dieses Effluxsystem zahlreiche Antibiotika aus der Zelle exportiert, trägt seine Überaktivität wesentlich zur Ausbildung breit gefächerter Resistenzprofile bei. In Kombination mit den gyrA-Mutationen entsteht so ein Resistenzmuster, das therapeutisch besonders schwer zu kontrollieren ist. Besonders aufschlussreich war der experimentelle Einsatz eines Effluxpumpen-Inhibitors: In vielen Fällen ließ sich die Ciprofloxacin-Resistenz dadurch stark verringern oder vollständig aufheben.
Die Ergebnisse der Studie sind besonders für die Versorgung älterer Menschen wichtig. In Pflegeeinrichtungen treffen Polypharmazie und häufige Antibiotika-Therapien – etwa bei Harnwegsinfekten – in besonderem Maße aufeinander. Genau in diesem Umfeld könnten die neu beschriebenen, durch nicht-Antibiotika ausgelösten Resistenzmechanismen eine wichtige Rolle spielen.
So zeigen die Daten, dass gängige Schmerzmittel wie Ibuprofen und Paracetamol im Darm die Resistenzentwicklung fördern können, obwohl sie selbst keine antimikrobielle Wirkung besitzen. Noch deutlicher wird der Effekt, wenn mehrere dieser Medikamente kombiniert werden – ein typisches Merkmal der Polypharmazie älterer Patienten. Unter solchen Bedingungen können die Resistenzniveaus weiter ansteigen. Für die klinische Praxis bedeutet das: Auch bei Nicht-Antibiotika sollten Ärzte vorsichtig sein. Speziell bei wiederkehrenden Harnwegsinfektionen in Pflegeeinrichtungen kann es sinnvoll sein, das Schmerzmanagement zu überdenken – vor allem, wenn Fluorchinolone eingesetzt werden.
Die Studie auf einen Blick
Quelle
Chen et al: The effect of commonly used non-antibiotic medications on antimicrobial resistance development in Escherichia coli. Nature Antimicorbials and Resistance, doi: 10.1038/s44259-025-00144-w
Bildquelle: Karolina Grabowska, Unsplash