Feinstaub setzt nicht nur der Lunge zu – wer dauerhaft Luftverschmutzung ausgesetzt ist, hat ein höheres Demenzrisiko. Doch es gibt auch gute Nachrichten.
Unsere Atemluft ist nicht immer so harmlos, wie sie scheint. Darin enthaltene, unsichtbare Schadstoffe gelangen über unsere Lunge in verschiedene Organe – und dabei offenbar auch ins Gehirn. Dort können sie Schaden anrichten: Wer dauerhaft Luftverschmutzung ausgesetzt ist, hat ein erhöhtes Demenzrisiko. Als besonders gefährlich gelten winzige Feinstaubpartikel, die nur bis zu 2,5 Mikrometer groß sind – rund 20-mal dünner als ein menschliches Haar. Diese sogenannten PM2,5-Partikel (PM steht für particulate matter) können tief in die Lunge eindringen und von dort in den Blutkreislauf übertreten. Obwohl die Blut-Hirn-Schranke normalerweise wie ein Schutzschild wirkt, sind die Partikel so klein, dass sie diese überwinden und in verschiedensten Organen Entzündungen und Zellschäden auslösen können.
Eine chronische Belastung mit PM2,5-Feinstaub erhöht das Risiko, an verschiedenen Formen von Demenz zu erkranken. Schon länger ist bekannt, dass Luftverschmutzung die Entstehung von Alzheimer begünstigen kann. Eine aktuelle Studie weist nun darauf hin, dass auch die Lewy-Körperchen-Demenz häufiger auftritt, wenn die Feinstaubbelastung hoch ist. Diese Demenzform ähnelt in ihrem Krankheitsmechanismus der Parkinson-Krankheit: In beiden Fällen verklumpen fehlgefaltete Eiweißmoleküle in den Nervenzellen – sogenannte α-Synuclein-Ablagerungen.
In ersten Experimenten untersuchten die amerikanischen Forscher den Effekt von PM2,5-Feinstaub an Mäusen. Die Belastung führte zur Bildung von fehlgefaltetem α-Synuclein in ihren Gehirnen. Auch das Verhalten der Tiere veränderte sich: Sie fanden sich in Labyrinthen schlechter zurecht und hatten Schwierigkeiten, neue Objekte zu erkennen. Zudem zeigte sich in den Gehirnen der Mäuse eine Schrumpfung des medialen Temporallappens, einer Hirnregion, die eine zentrale Rolle bei der Gedächtnisfunktion spielt. Dass sich die beobachteten Krankheitsmechanismen auch beim Menschen zeigen, legen weitere Ergebnisse der Studie nahe. Die Forscher werteten Krankenhausdaten von 56 Millionen US-Amerikanern aus – und fanden einen deutlichen Zusammenhang: In Regionen mit hoher PM2,5-Belastung mussten deutlich mehr Menschen wegen einer Lewy-Körperchen-Demenz ins Krankenhaus behandelt werden.
Wie können winzige Staubpartikel im Gehirn Prozesse auslösen, die schließlich zu einer Demenz führen? In den Mausexperimenten verursachte die Belastung mit PM2,5-Partikeln eine Fehlfaltung des Proteins α-Synuclein. Die Partikel gelangen entweder über die Lunge, den Blutkreislauf und durch die Blut-Hirn-Schranke oder über die Nase und den Riechnerv direkt ins Gehirn. Dort können sie Fehlfaltungen von Proteinen entweder unmittelbar anstoßen oder indirekt über Entzündungsreaktionen und oxidativen Stress auslösen. Auf diese Weise entstand in den Versuchen eine besonders schädliche Form des α-Synuclein, die sich im Gehirn weiter ausbreitete und typische Demenzsymptome hervorrief.
Nicht nur die Zahl der Lewy-Körperchen-Demenzen nimmt mit steigender Feinstaubbelastung zu. Auch andere Demenzformen wie Alzheimer treten häufiger auf, wenn die Konzentration von Feinstaubpartikeln in der Luft steigt. Eine aktuelle Metaanalyse zeigt: Pro 5 Mikrogramm PM2,5 pro Kubikmeter Luft erhöht sich das Demenzrisiko um rund 8 Prozent. Doch es gibt auch gute Nachrichten: Die Luft in Deutschland wird stetig sauberer. Laut Umweltbundesamt waren im Jahr 2010 nahezu alle Menschen in Deutschland einer PM2,5-Konzentration von über 10 Mikrogramm pro Kubikmeter ausgesetzt – im Jahr 2023 betraf das nur noch 0,1 Prozent der Bevölkerung.
PM2,5-Feinstaub entsteht vor allem in der Landwirtschaft, im Straßenverkehr und bei der Verbrennung von Holz oder Kohle zum Heizen. Auch industrielle Prozesse – etwa der Betrieb von Kraftwerken oder die Metallverarbeitung – tragen zur Partikelbelastung bei. Dank moderner Filtertechnologien und dem schrittweisen Ausstieg aus der Kohleverstromung hat sich die Feinstaubproduktion in den letzten Jahren jedoch deutlich verringert. Unsere Luft wird stetig sauberer – und das könnte nicht nur Herz und Lunge, sondern auch das Gehirn schützen.
Während die Luft in Deutschland immer sauberer wird, atmen viele Menschen weltweit weiterhin gefährlich verschmutzte Luft. Ein Großteil der Weltbevölkerung lebt in Regionen, in denen die PM2,5-Werte deutlich über den empfohlenen Grenzwerten liegen. Dadurch ist auch die Zahl der Demenzerkrankungen weltweit höher, als sie bei besserer Luftqualität sein müsste. Nicht alle Menschen reagieren gleich empfindlich auf Luftverschmutzung. Besonders gefährdet sind Personen, bei denen weitere Risikofaktoren hinzukommen: In einer aktuellen UK Biobank-Studie zeigte sich, dass die Kombination aus Feinstaubbelastung, Bewegungsmangel, Rauchen und Schlafstörungen das Demenzrisiko deutlich erhöht. Auch genetische Faktoren wie die ApoE4-Mutation können die Anfälligkeit gegenüber Luftschadstoffen verstärken. Menschen mit dieser genetischen Variante haben ohnehin ein höheres Alzheimer-Risiko – bei ihnen scheint Feinstaub das Fortschreiten der Erkrankung zusätzlich zu beschleunigen. Besonders für sie ist saubere Luft also nicht nur eine Frage der Lebensqualität, sondern auch der Demenzprävention.
Dass saubere Luft neben unserer Lunge auch das Gehirn schützt, wird immer klarer. Luftqualität ist damit nicht nur ein Thema der Klimapolitik – sie ist auch ein zentraler Faktor in der Prävention neurodegenerativer Erkrankungen. Die gute Nachricht: Die Maßnahmen zur Verringerung der Luftverschmutzung zeigen Wirkung. Langfristig könnten sie dazu beitragen, die Zahl der Demenzerkrankungen deutlich zu senken.
Zhang X et al.: Lewy body dementia promotion by air pollutants. Science, 2025. doi: 10.1126/science.adu4132 Best Rogowski CB et al.: Long-term air pollution exposure and incident dementia: a systematic review and meta-analysis. Lancet Planet Health, 2025. doi: 10.1016/S2542-5196(25)00118-4 Zhang Y et al.: Associations of ambient air pollution exposure and lifestyle factors with incident dementia in the elderly: A prospective study in the UK Biobank. Environ Int, 2024. doi: 10.1016/j.envint.2024.108870
Bildquelle: Daniel Mirlea, Unsplash