Immuncheckpoint-Inhibitoren sind die Stars der Krebstherapie – doch bei manchen schlagen sie nicht gut an. Nun treten alte Bekannte ins Rampenlicht: COVID-mRNA-Impfstoffe können die Ansprechrate verbessern.
Immuncheckpoint-Inhibitoren (ICIs) haben die onkologische Therapie in den vergangenen Jahren grundlegend verändert. Bei einem Teil der Patienten führen sie zu deutlich verlängertem Überleben, während andere von der Behandlung kaum profitieren. Als eine der Hauptursachen für ein mangelndes Ansprechen gilt ein immunsuppressives Tumormikromilieu. Bei bestimmten Tumorentitäten, etwa beim nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom oder Melanom, wird eine geringe PD-L1-Expression zu Therapiebeginn als Prädiktor für eine eingeschränkte Wirksamkeit angesehen.
Eine kürzlich in Nature publizierte Studie beschreibt nun einen bemerkenswerten immunologischen Nebeneffekt der COVID-19-mRNA-Impfstoffe: Sie scheinen Tumoren für eine Immuncheckpoint-Blockade zu sensibilisieren. Die Autoren untersuchten, wie SARS-CoV-2-mRNA-Impfstoffe das angeborene und adaptive Immunsystem so aktivieren, dass sich die Ansprechrate auf ICIs verbessert.
Die zugrundeliegende Hypothese: Die mRNA-Impfstoffe (BNT162b2, mRNA-1273) lösen über ihre Lipid-Nanopartikel eine ausgeprägte Typ-I-Interferon-Antwort aus. Diese aktiviert antigenpräsentierende Zellen (APCs) und steigert die Expression von Immuncheckpoint-Molekülen wie PD-L1. In Mausmodellen für Melanom und Lungenkarzinom führte die Kombination aus mRNA-Impfung und Checkpoint-Blockade (PD-1/PD-L1-Inhibition) zu einer deutlich besseren Tumorkontrolle als eine der beiden Monotherapien allein. Wurde der Interferon-Signalweg experimentell blockiert, verschwand dieser Effekt – ein Hinweis auf die zentrale Rolle der IFN-vermittelten Immunaktivierung. Die Impfung bewirkt demnach eine Art „Immunpriming“: Sie verwandelt „kalte“ Tumoren mit geringer Immunaktivität in „heiße“ Tumoren mit entzündlicher, immunologisch aktiver Mikroumgebung.
Retrospektive Analysen von mehr als 1.000 onkologischen Patienten bestätigten den präklinischen Befund. Personen, die innerhalb von 100 Tagen vor oder nach Beginn einer Immuncheckpoint-Therapie gegen SARS-CoV-2 geimpft worden waren, zeigten signifikant bessere Überlebensraten. Beim nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom lag das mediane Gesamtüberleben bei 37,3 Monaten gegenüber 20,6 Monaten in der ungeimpften Vergleichsgruppe. Beim Melanom zeigte sich eine Verbesserung von Gesamt- und progressionsfreiem Überleben um bis zu 60 Prozent. Bemerkenswert ist, dass diese Effekte spezifisch für mRNA-Impfstoffe waren – herkömmliche Impfungen, etwa gegen Influenza oder Pneumokokken, zeigten keine vergleichbare immunmodulatorische Wirkung.
Diese Beobachtungen eröffnen ein neues Verständnis der immunologischen Nebeneffekte von mRNA-Impfstoffen über die Infektionsprävention hinaus. Eine SARS-CoV-2-Impfung könnte – unbeabsichtigt, aber potenziell therapeutisch bedeutsam – das Ansprechen auf Immuncheckpoint-Blockaden verbessern und neue Perspektiven für die Kombination von Impf- und Immuntherapien in der Onkologie schaffen.
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