Wegen Kribbeln in den Beinen und Gelenkschmerzen liegt bereits eine Odyssee von Untersuchungen hinter mir. Ich habe keine Diagnose und immer noch Beschwerden. Am meisten stört mich allerdings die fehlende Aufklärung.
Es war irgendwann Mitte 2024: Nach einem Spaziergang mit einer Freundin sitze ich abends auf der Couch, meine Füße schlafen ein. Nicht ungewöhnlich für mich, normalerweise wachen sie bald wieder auf. Diesmal nicht. Das Kribbeln wird immer mehr, Gelenkschmerzen setzen ein. Ich rufe den ärztlichen Notdienst an – es ist Wochenende, nachts, ich weiß nicht, ob’s ernst ist. Die sagen mir, mit meiner Vorgeschichte (Herzprobleme in der Familie, Faktor-V-Leiden-Mutation) bitte gleich ab ins Krankenhaus.
Angekommen im Krankenhaus einer deutschen Großstadt. Erstversorgung klappt schnell. EKG, Blutdruck und alles, was dazugehört, sind normal. Dann stationäre Aufnahme. Blutwerte werden gecheckt, alles in Ordnung. Und dann beginnt das Warten: Stunden stationär, ohne dass was passiert (na, was das wohl kostet?).
Dann MRT, inklusive Kontrastmittel – laut Ärzten auch hier alles unauffällig. Was nicht unauffällig war: dass ich mittendrin ungefähr 20 Minuten in der Röhre lag, ohne dass es weiterging. Dann die Ansage: „Entschuldigung, es kam was dazwischen, jetzt geht’s weiter!“ Eine Info, bevor ich fast eine halbe Stunde herumliege und mich frage, was denn los ist und ob jetzt was ganz Schlimmes gefunden wurde, wäre nett gewesen. Aber, egal, es ist ein Krankenhaus, Notfälle passieren! Kein Drama.
Während ich auf die MRT-Ergebnisse warte: Lumbalpunktion. Auf gut Österreichisch gesagt: Bist du deppert, war das schmerzhaft – einmal reicht. Blöd nur, dass ein zweites Mal gestochen werden musste, beim ersten Mal hat’s wohl nicht geklappt. Also nochmal Augen zu und durch. Die Ärztin rödelt in meinem Rücken herum, sucht und sucht und nach schier endlos scheinenden Minuten endlich die Erleichterung: Es kommt was! Keine schöne Erfahrung.
Die Vorbereitung auf den Eingriff hätte besser sein können. Was mir gesagt wurde? „Das ist nicht viel schlimmer, als Blut abzunehmen, gar kein Grund zur Beunruhigung.“ Also, ich weiß ja nicht, wie Blut abnehmen sich bei euch anfühlt – aber wenn es SO ist, dann tut ihr mir echt leid.
Leitmotiv des ganzen Krankenhausaufenthalts: eindeutig fehlende Kommunikation. Wenn ich über all das richtig und ehrlich informiert geworden wäre, wenn mir beim MRT und bei der Lumbalpunktion gesagt worden wäre, was passiert und warum es Komplikationen gibt, wäre die Situation immer noch scheiße gewesen – aber ich hätte zumindest gewusst, warum. Bitte redet mit euren Patienten!
Ok, das war also überstanden. MRT und Ergebnisse der Lumbalpunktion: unauffällig. Elektromyographie (EMG): unauffällig. Blutwerte: ein paar Mängel, aber sonst ebenfalls unauffällig. Cool. Eigentlich sogar wirklich gut, aber ich habe immer noch kribbelnde Beine und keine Antwort, warum. Die Ärzte offenbar auch nicht, denn am nächsten Tag werde ich mit den Worten „Also, auf dem Papier sind Sie ein gesunder Mensch, Sie können nach Hause gehen“ entlassen.
Was ist aus dem Krankenhausbesuch resultiert? Immer noch kribbelnde Beine. Aber dafür würde ich jetzt auch – was ich zu dem Zeitpunkt noch nicht wusste – über mehrere Monate starke Schmerzen von der Lumbalpunktion haben. So stark, dass ich meinen Alltag für einige Wochen nicht bestreiten konnte (auf mehrfache Rückfrage, ob das normal sei, wurde mir versichert: alles in Ordnung!). Zusätzlich hatte ich Komplikationen am Arm vom Zugang, Blutgerinnsel.
Der Zugang wurde mir übrigens bei Ankunft gelegt. Er wurde während meines gesamten Aufenthalts nicht einmal gespült, zwei Tage nach Aufnahme fürs Kontrastmittel verwendet und wäre beim Entlassen an Tag vier nicht gezogen worden, wenn ich nicht darauf hingewiesen hätte – er wurde schlicht vergessen. Ob die Komplikationen dadurch kamen, weiß ich natürlich nicht.
Was folgt? Mehrere Monate Odyssee bei Ärzten. Neurologie, Orthopädie – anscheinend alles unauffällig. Irgendwann hab ich das getan, was beinahe alle Patienten in so einer Situation tun: aufgeben. Das Kribbeln ging, Rückenschmerzen blieben. Naja, normal im Bürojob, oder? Immer am PC, wer hat da keine Rückenschmerzen, dachte ich mir.
Fast forward: Ein Jahr später. Umgezogen, weg aus Deutschland, zurück in die österreichische Heimat. Da waren sie wieder, das Kribbeln und die Gelenkschmerzen. Ich habe sie lange ignoriert, keinen Bock auf das gleiche Spiel nochmal. Was ich dann aber nicht mehr wegignorieren konnte, waren die immer schlimmer werdenden Rückenschmerzen. Leidensdruck und so. Er war dann groß genug – also wieder los zum Arzt.
Super, komplett neue Ärzte suchen, das kann ja was werden. Ich habe mich auf eine monatelange Odyssee eingestellt – wie damals, als ich in einer deutschen Großstadt Ärzte gesucht hatte, die noch einen Termin für Neupatienten übrig hatten (witzig, ich weiß. Neupatienten, wer macht denn sowas?).
Doch in nur drei Tagen hatte ich einen Termin bei meiner neuen Hausärztin. Probleme erläutert, bisherigen Leidensweg auch. Überweisung zum Röntgen. Ich rufe dort an. Termin? Braucht man keinen, einfach vorbeikommen, bisschen Zeit mitbringen. In einer Stunde war ich fertig. Befunde gehen direkt zur Hausärztin, zwei Tage später der Anruf: „Wir brauchen bitte noch ein MRT zur Abklärung, Überweisung ist bereits fertig.“ Termin vereinbart, ca. eine Woche später. Undenkbar in Deutschland.
Natürlich, differenziert betrachtet: Ich bin hier auf dem Land, mitten in der Einöde, Wege sind weit. Dass das nicht mit einer deutschen Großstadt mit überlasteten Systemen zu vergleichen ist, ist mir absolut klar. Dass ich ein Auto brauche, um zu den Terminen zu kommen, davon brauchen wir nicht zu reden. Dass das österreichische Gesundheitssystem an anderen Stellen auch ganz schön kaputt ist, ist mir sowas von bewusst. Trotzdem möchte ich mir nicht ausmalen, wie lange das alles in Deutschland gedauert hätte, so als normaler Kassenpatient.
Jedenfalls warte ich, während ich diesen Text hier schreibe, auf den Termin bei meiner Hausärztin zur Befundbesprechung. Eine ganze Woche! Gut, die Woche ist die Praxis auch im Urlaub. Verdacht bis hierhin, sofern ich das als Laie von den Befunden korrekt interpretiere: Sakroiliitis, Psoriasisarthritis. Dass ich an Psoriasis leide, hatte ich immer und überall mehrfach angegeben. Was es nun schlussendlich wirklich ist, das werde ich hoffentlich nach dem Urlaub meiner Hausärztin erfahren.
Ich weiß, das deutsche Gesundheitssystem ist am Limit. Notaufnahmen sind überfüllt, Personal fehlt an allen Ecken und Enden, Dokumentationspflicht frisst Zeit, die eigentlich Patienten bräuchten – ich verstehe das. Wirklich.
Aber manchmal wäre schon viel gewonnen, wenn man kurz innehält und den Menschen sieht, nicht nur den Fall. Wenn man ehrlich sagt: „Wir wissen es gerade nicht, aber wir bleiben dran.“ Oder wenn man vor einer Lumbalpunktion erwähnt, dass es eben nicht einfach nur wie Blutabnehmen ist.
Ich bin kein schwieriger Patient. Ich will nur verstehen, was mit mir passiert. Und ernst genommen werden – auch wenn auf dem Papier alles „unauffällig“ ist. Denn am Ende sind es nicht immer die Laborwerte, die zählen. Sondern die, die dazwischen liegen: Menschlichkeit, Kommunikation und Verantwortung.
Bildquelle: Ante Hamersmit, Unsplash