Solange die Leber Defekte kompensieren kann, sind Hopfen und Malz noch nicht verloren. Welche Rolle die Pfortader dabei spielt – und unter welchen Umständen sich die Leber wieder berappeln kann.
„Die Leber wächst mit ihren Aufgaben“ – der Buchtitel eines bekannten Medizin‑Entertainers ist durchaus wörtlich gemeint. Spricht eine Person etwa dem Glase kräftig und ausdauernd zu, verfettet die Leber und wächst dabei. Der Mensch merkt davon nichts, und erst, wenn er immer weiter bechert, vernarben Teile des Gewebes und die Leber schrumpft wieder. Wie ein angeknockter Boxer, der sich noch tapfer auf den Beinen hält, aber den nächsten Pausengong herbeisehnt, kann auch die Leber ihren angeschlagenen Zustand erstaunlich lange kaschieren und ihren Aufgaben nachkommen.
Doch irgendwann ist auch die Leber erschöpft: Das Blut findet keine passierbaren Wege mehr durch das vernarbte Organ und umgeht es via Varizen in der Speiseröhre oder auch im Magen. Der Körper wird nicht mehr ausreichend entgiftet, Fett‑ und Zucker‑Stoffwechsel entgleisen und wichtige Proteine werden nicht mehr produziert. Wasser strömt aus den Gefäßen in Bauchraum und Beine, die Krampfadern bluten, und das Gehirn erliegt schließlich den Giften. Der Mensch fällt ins Koma und stirbt.
Doch so weit muss es nicht kommen. Vor dem terminalen Absturz hält die Leber der schlechten Behandlung nicht nur lange stand, sie regeneriert sich unter Umständen auch wieder, wenn die Ursache ihrer Schädigung beseitigt wird. Das gilt sogar für die Leberzirrhose – sofern die Leber noch in der Phase ist, in der sie die Defekte kompensieren kann: Wenn also ein Mensch selbst nach langem Alkoholkonsum auf Bier und Schnaps weitgehend verzichtet, kann sich die Leber wieder berappeln.
Ein Beitrag in Nature Reviews Gastroenterology & Hepatology vom April dieses Jahres betont dabei die Bedeutung des Blutdrucks in der Pfortader, einem Hauptakteur beim Übergang vom kompensierten Zustand mit sehr guter Prognose zum dekompensierten Zustand mit sehr schlechter Prognose. Nicht‑invasive Tests könnten gefährdete Patienten identifizieren und Therapien – vor allem mit Betablockern wie Carvedilol – das Kippen in den fatalen Verfall verhindern.
Nun geht eine österreichische Gruppe um Benedikt Silvester Hofer von der Medizinische Universität Wien noch einen Schritt weiter. Sie betonen in einer Publikation in Clinical Gastroenterology and Hepatology, dass 20 Prozent bereits dekompensierter, alkoholbedingter Lebererkrankungen wieder das kompensierte Stadium zurückerlangen können. Allerdings sei diese Beobachtung bislang nicht durch Messungen der klinisch signifikanten portalen Hypertension untermauert worden. Genau das holten sie jetzt nach.
Sie untersuchten 29 Patienten, die mindestens drei Monate lang abstinent waren und deren Leberzirrhosen sich im Schnitt vier Monate zuvor rekompensiert, also vom dekompensierten in den kompensierten Zustand zurückentwickelt hatten. Die Rekompensierung zeigte sich dadurch, dass sich Aszites auflösten und hepatische Enzephalopathien zurückbildeten, dass ein Jahr lang keine Varizenblutungen auftraten und die Leber wieder funktionierte. Wichtig war den Autoren auch, die Tauglichkeit nicht‑invasiver Tests zu überprüfen, da die direkte Messung des portalen Drucks nur invasiv über eine Sonde möglich ist. Sie maßen deshalb mithilfe der Elastographie die Steifigkeit von Leber und Milz, mit Ultraschall den Milzdurchmesser, und sie bestimmten Blut‑Biomarker wie den von‑Willebrand‑Faktor sowie die Thrombozytenzahl.
Die Autoren konnten zeigen, dass der portale Druck während der Rekompensierung durchschnittlich von 19 auf 9 mmHg sank – also unter die kritische Grenze von 10 mmHg, ab der ein klinisch signifikanter portaler Überdruck in die Dekompensierung kippen kann. Sie folgern daraus, dass bei Patienten mit entsprechender Alkohol‑ und Lebergeschichte die Behandlung des portalen Überdrucks angepasst werden kann.
Auch bei den nicht‑invasiven Tests konnten sie die tauglichen von den ungeeigneten unterscheiden: Gut geeignet, um eine erfolgreiche Rekompensierung anzuzeigen, sind demnach die Messung der Milz‑ und Lebersteifigkeit sowie die Bestimmung des von‑Willebrand‑Faktors. Nicht korrelierend mit dem Stadium der Leberzirrhose waren dagegen die Größe der Milz sowie die Thrombozytenzahl. Letzteres passt gut zu einem kürzlich vorgestellten, neuen Score zur Bewertung des Leberzustands, dem Cirrhosis Outcome Risk Estimator (CORE). Er schließt die Parameter Alter und Geschlecht, zwei Leberenzyme sowie die Gamma‑Glutamyl‑Transferase (GGT) ein. Im Gegensatz zum derzeit gängigen FIB‑4‑Score verzichtet auch er auf die Thrombozytenzahl als Parameter.
Hofer et al.: Course of Portal Hypertension and Applicability of Noninvasive Tests in Recompensated Alcohol‑Related Cirrhosis. Clinical Gastroenterology and Hepatology, 2025. doi: 10.1016/j.cgh.2025.07.021
Costa et al.: Interaction of inflammation and portal hypertension in cirrhosis progression. Nature Reviews Gastroenterology & Hepatology, 2025. doi: 10.1038/s41575-025-01107-2
Villanueva et al.: Preventing the progression of cirrhosis to decompensation and death. Nat Rev Gastroenterol Hepatol, 2025). doi: 10.1038/s41575-024-01031-x
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