Menstruationsstörungen bei Post-COVID-Syndrom sind keine Seltenheit. Jetzt gerät ein möglicher Übeltäter ins Visier: Testosteron.
Frauen erkranken häufiger am Post-COVID-Syndrom als Männer. Auffällig ist, dass dabei auch vermehrt Menstruationsstörungen auftreten – die wiederum die übrige Symptomatik verstärken können. Eine britische Studie hat nun eine Umfrage zu Menstruationsstörungen nach einer COVID-19-Infektion ausgewertet und kommt zu dem Ergebnis, dass erhöhte Testosteronwerte und Veränderungen am Endometrium mögliche Ursachen sind. Die Ovarien zeigen hingegen keine Funktionsstörungen.
Eine 34-jährige Patientin berichtet ihrer Gynäkologin von seit acht Monaten bestehenden Zyklusstörungen. Davor habe sie immer einen normalen Menstruationszyklus (Eumenorrhö) gehabt (Länge 28,3 ± 5,4 Tage; Blutungsdauer maximal 5–7 Tage; normaler Blutverlust). Nun kämen die Periodenblutungen gehäuft unregelmäßig, mal nach fünf, dann wieder nach sieben Wochen und würden oftmals mehr als acht Tage andauern. Auch die Blutungsstärke habe zugenommen, hin und wieder käme es zu Zwischenblutungen (Spotting).
Im Grunde könne sie sich auf nichts mehr verlassen und müsse immer mit unregelmäßigen Blutungen rechnen, was den Alltag verkompliziere. Weder habe sich das persönliche Stressniveau noch sportliche Aktivitäten oder die Ernährungssituation geändert. Sie nehme keine Medikamente ein, der Hausarzt habe die Schilddrüsenfunktion bereits als normal befundet.
Da sie aber seit über einem halben Jahr sehr schnell müde werde und an Schlaf- und Konzentrationsstörungen leide, habe sie ihren Hausarzt erneut aufgesucht. Die Ursache für neu aufgetretene Bauch- und Gelenkschmerzen, Schwäche in den Beinen und gelegentliche Palpitationen sei bislang nicht gefunden worden. Da sie vor neun Monaten zum zweiten Mal an Corona erkrankt war, vermutet der Hausarzt ein Post-COVID-Syndrom und stellt eine Überweisung für eine Spezialambulanz aus.
Die gynäkologische Untersuchung gestaltet sich komplett unauffällig, lediglich im Hormonlabor fallen leicht erhöhte Androgenwerte auf. Da die Patientin neben der Therapie der Zyklusstörungen auch eine sichere Verhütung wünscht, wird ihr ein kombinierter Ovulationshemmer mit einem bioidentischen Östrogen (Estradiolvalerat) und einem Gestagen mit antiandrogener Partialwirkung (Dienogest) empfohlen, wogegen keine Kontraindikationen bestehen.
In der genannten Studie wurden im Jahr 2021 von März bis Juni 12.187 Frauen zu aktuellen Menstruationsbeschwerden befragt. Das mediane Alter betrug 36 Jahre. Die Probandinnen wurden in drei Gruppen eingeteilt:
Im Vergleich zu den noch nie infizierten Frauen berichteten Patientinnen mit einem Post-COVID-Syndrom häufiger von einer Hypermenorrhö, einer längeren Menstruationsdauer und Zwischenblutungen, zusammengefasst als abnorme uterine Blutungen (AUB) bezeichnet. Diejenigen, die sich von einer akuten COVID-19-Erkrankung erholt hatten, gaben dagegen nur minimale Menstruationsstörungen an.
Bei der Analyse wurden mögliche Störfaktoren wie bereits bestehende Menstruationsabweichungen, Hormoneinnahmen oder gynäkologische Erkrankungen sorgfältig berücksichtigt und angepasst. In allen drei Gruppen hatte ein vergleichbarer Anteil der Teilnehmerinnen im Vorfeld eine Impfung erhalten. Eine vorausgegangene Analyse der geimpften Personen ergab, dass bei fast 20 Prozent nach der Impfung vorübergehende Menstruationsstörungen auftraten, das Risiko für die Entwicklung einer AUB sich aber nicht signifikant von dem der nicht geimpften Personen unterschied.
54 der Frauen mit Post-COVID-Syndrom wurden weitergehend untersucht und gaben an, dass die Beschwerden in der zweiten Zyklusphase am größten seien. Daraufhin wurden Hormonanalysen und Endometriumbiopsien durchgeführt. Bei Patientinnen mit Post-COVID waren im Vergleich zu gesunden Frauen das 5α-Dihydrotestosteron im Serum und die Zytokinproduktion erhöht. Im Endometrium fand man verminderte Androgenrezeptoren und vermehrte Immunzellaggregate. Die Serumkonzentrationen der ovariellen Hormonproduktion von Östradiol und Progesteron waren unauffällig. Die vermehrte Produktion von Testosteron wäre eine mögliche Erklärung für die Zyklusstörungen – ähnliches wurde nach einer Injektion von 5α-Dihydrotestosteron bei Mäusen beobachtet.
Bei Patienten, die 12 Wochen nach einer COVID-19-Infektion über bestehende oder neu aufgetretene Symptome klagen, die keiner anderen Ursache zuzuschreiben sind, wird von einem Post-Covid-Syndrom (PCS) ausgegangen. Die Symptome, die mindestens zwei Monate andauern, können persistierend, fluktuierend oder rezidivierend auftreten. Ätiologisch ist für das PCS noch vieles ungeklärt.
Da die Symptome oft diffus sind und mehrere Organsysteme betroffen sein können, ist eine Abgrenzung zu anderen Erkrankungen schwierig und erfordert ein interdisziplinäres Vorgehen. „Das komplexe Krankheitsbild PCS sollte bei Bedarf Zugriff auf eine sektorenübergreifende, interdisziplinäre sowie kontinuierliche Versorgung erhalten“, lautet eine Kernaussage der S1-Leitlinie Long/Post-Covid. Bei Patientinnen, die über länger anhaltende Zyklusstörungen unklarer Ursache berichten, sollte daher auf weitere Symptome und eine anamnestische COVID-19-Infektion geachtet werden.
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