KOMMENTAR | Die EU will Ethanol künftig als Risikoprodukt einstufen. Wer jetzt denkt, dass damit Spirituosen gemeint sind, irrt. Gefährlich ist nur die äußere Anwendung als Desinfektionsmittel.
Als Unternehmer und damit De-facto-Untertan der EU-Bürokratie ist man Bevormundung durch die diversen Kommissionen und Unterkommissionen des Brüsseler Leviathans gewohnt. Der gelernte Reflex ist die Installation neuer Softwarekanonen, um den unersättlichen Dokumentationshunger der Eurokraten zu stillen. Doch nicht jeder Bullshit lässt sich wegducken. Mit der Einstufung von Ethanol als „gesundheitsschädlich“ bzw. „reproduktionstoxisch“ bastelt die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) gerade an einem pikanten regulatorischen Bömbchen. Was zunächst harmlos und nachvollziehbar klingt, könnte demnächst einige Probleme im Gesundheitswesen auslösen.
Warum? Blenden wir zunächst einmal die üblichen Kollateralschäden der Neueinstufung aus. Denn dass alle Hersteller und Händler von Ethanolprodukten ihren üppigen Papierbestand durch neue Sicherheitsdatenblätter aufforsten dürfen, ist für die besorgten Autoren von EU-Verordnungen kein Hindernisgrund. Wir alle wissen, dass „Bürokratieabbau“ eine ewige Chimäre ist, die alle vier Jahre wiederbelebt wird, um politischen Eifer zu beweisen.
Die Neueinstufung des viel benutzten Kohlenwasserstoffs würde zu einem europaweiten Verbot von Ethanol in Biozidprodukten, vulgo Desinfektionsmitteln, führen. Bislang wird Alkohol nur als „leicht entzündliche Flüssigkeit“ eingeordnet. Kürt die ECHA das gute, alte C2H5OH zum CMR-Stoff, muss es durch andere Verbindungen ersetzt werden – es greift die sogenannte Substitutionspflicht.
Kann man Ethanol in Desinfektionsmitteln substituieren? Man kann. Als Alternative kommt Isopropanol in Betracht, das allerdings eine schwächere Wirkung gegen unbehüllte Viren (z. B. HPV) hat. Quartäre Ammoniumverbindungen („Quats“) und Chlorverbindungen haben ihr eigenes Problemportfolio und scheiden als eigenständige Alternativen aus. Wer auch immer die Nachfolge antritt: Der vollständige Verzicht auf Ethanol dürfte Desinfektionsmittel erstmal deutlich teurer machen. Denn da gibt es diese unangenehmen Faktoren, die sich Realwirtschaft und Produktionskapazität nennen. Dass im Gesundheitswesen überall finanzielle Ebbe herrscht, scheint die Agentur nicht zu stören. Wichtiger ist es, jede noch so kleine Risikolücke zu schließen, um uns alle in ein perfekt reguliertes Paradies zu führen.
Aufmerksame Weintrinker stellen sich jetzt besorgt die Frage, ob demnächst vielleicht auch auf ihrem hübschen Beaujolais-Etikett ein protziger Gefahrenhinweis prangt. Kommen Spirituosenlieferungen ab 2027 vielleicht sogar als Gefahrguttransport? Zukünftige Auszeichnung von Weinetiketten?
Ruhig Blut. Lebensmittel sind von der ECHA-Einstufung paradoxerweise nicht betroffen. Mit anderen Worten: Man darf abends unbesorgt 40-prozentigen Wodka verklappen, aber sich auf keinen Fall am nächsten Morgen damit die Hände einreiben – denn das könnte ja Krebs auslösen.
Ein bemerkenswerter Fall eines schizophrenen Denkmusters, welches das DSM-5-Portfolio der EU – bislang eher geprägt von Zwangsstörungen, wie dem Wegklicken von Cookie-Hinweisen – nahtlos erweitert. Vielleicht täusche ich mich aber auch, und diese Maßnahme dient lediglich der Vorbereitung einer umfangreicheren europaweiten Ethanol-Prohibition. Dann wäre allen Opfern des EU-Irrsinns sogar der letzte Fluchtweg abgeschnitten – der Rausch.
Bildquelle: ChatGPT