Bei Knochengesundheit denken die meisten an Orthopäden oder Allgemeinmediziner – doch häufig ist die Frauenarztpraxis die erste Anlaufstelle. Zwei Fälle verdeutlichen, wie wichtig ein wachsamer Blick ist.
Osteoporose ist besonders bei Frauen eine häufige Erkrankung jenseits des 50. Lebensjahres. Die Prävalenz steigt mit dem Alter stark an und beträgt bei über 50-jährigen Frauen ca. 23 %, bei Männern 7 %. Bei über 70-jährigen Patientinnen steigt die Prävalenz auf 45 %. Es finden sich in der Literatur Angaben, dass das Risiko einer osteoporosebedingten Fraktur bei postmenopausalen Frauen höher liegt als die Risiken für Myokardinfarkt, Schlaganfall und Mammakarzinom zusammengenommen. Grund hierfür ist das physiologische Absinken des Östrogenspiegels in der Perimenopause.
Durchschnittlich erleben Frauen ihre letzte Regelblutung (Menopause) zwischen dem 51. und 52. Lebensjahr. Davor wird der Zyklus meist unregelmäßig und es kommt zu den typischen klimakterischen, insbesondere vasomotorischen Beschwerden wie Hitzewallungen, Schweißausbrüchen und Herzrasen. Während etwa ein Drittel unter sehr starken Beschwerden leidet, hat ein weiteres Drittel kaum Symptome. Ein weiteres Drittel liegt beschwerdemäßig etwa in der Mitte. Laborchemisch ist der Anstieg des follikelstimulierenden Hormons (FSH) und der konsekutive Abfall von Estradiol zu verzeichnen. Die modulierende Funktion des Östrogens, welche den Knochenaufbau und -abbau reguliert, nimmt in der Menopause folglich stark ab, wodurch es neben den typischen Wechseljahresbeschwerden auch zu Veränderungen der Knochengesundheit kommen kann. Die Knochendichte sinkt u. a. an der Lendenwirbelsäule, wobei die kortikale Dicke abnimmt, die Porosität hingegen ansteigt.
Wenn zusätzlich familiäre oder lebensstilbedingte Risikofaktoren hinzukommen, drohen Fragilitätsfrakturen. Um dem entgegenzuwirken, ist eine rechtzeitige Therapie obligat. Das Ausmaß der Wechseljahresbeschwerden ist ein Indikator für den perimenopausalen Östrogenabfall, die Osteodensitometrie spiegelt die Wirkung am Skelettsystem und eine eventuelle Hormonbestimmung bestätigt das Ergebnis. Eine Hormonersatztherapie (HRT) mit Östrogenen, die bei nicht hysterektomierten Frauen immer mit einem Gestagen zu kombinieren ist, zählt nach der Leitlinie des Dachverbands deutschsprachiger Osteologen (DVO) zu den spezifischen Osteoporosetherapien. Sie gehört zu den am besten belegten Therapieformen zur Behandlung der postmenopausalen Osteoporose mit Evidenzgrad A bezüglich der Risikoreduzierung für vertebrale Frakturen und Femurläsionen.
Eine 51-jährige Patientin stellt sich wegen sekundärer Amenorrhoe und starken vasomotorischen Beschwerden bei ihrer Gynäkologin vor. Vor 3,5 Jahren wurde der Zyklus zunehmend unregelmäßig und vor etwa 10 Monaten trat letztmalig eine Periodenblutung auf. Bisher wollte die Patientin keine hormonelle Therapie durchführen. Nun seien die Beschwerden stärker geworden, insbesondere die Hitzewallungen und Stimmungsschwankungen gestalten die Alltagsbewältigung immer mühsamer. Aufgrund der zunehmenden Schlafstörungen habe auch die berufliche Leistungsfähigkeit abgenommen. Gelenkbeschwerden, Gewichtszunahme und wachsende Unlust auf sportliche und soziale Aktivitäten schränken den Bewegungsradius immer mehr ein.
Die Patientin ist beunruhigt, weil bei ihrer Mutter ähnliche Symptome vorlagen und diese nun an einer ausgeprägten Osteoporose und einem Kolonkarzinom leiden würde. Im gynäkologischen Ultraschall stellen sich ein flaches Endometrium und beidseitige Ovarien in Funktionsruhe dar. Der Patientin wird aufgrund der ausgeprägten Beschwerdesymptomatik und der positiven Familienanamnese eine Hormonersatztherapie (HRT) empfohlen. Es werden die positiven Effekte einer HRT auf die Knochengesundheit, die meist rasche Besserung vasomotorischer Beschwerden und die bekannte Risikoreduktion eines Kolonkarzinoms erläutert. Statistisch ist eine geringe Erhöhung des Mammakarzinomrisikos und eine Zunahme thromboembolischer Ereignisse unter Hormontherapie zu verzeichnen, was ebenfalls besprochen wird. Außer einem leicht erhöhten BMI bestehen keine Kontraindikationen. Die Mammographie- und Koloskopiebefunde sind unauffällig.
Die Patientin entscheidet sich für eine transdermale bioidentische Therapie mit einem Estradiol Gel und einem ergänzenden oralen Progesteron. Eine vom Orthopäden durchgeführte Osteodensitometrie ergibt eine leichte Verminderung der Knochendichte. Der Patientin werden als Basistherapie eine Vitamin-D- und Calcium-Supplementierung, eine Ernährungsberatung und regelmäßiger Sport empfohlen. Eine Kontrolluntersuchung zur Knochendichtemessung wird vereinbart, um bei Bedarf eine weitere spezifische Oesteoporosetherapie einzuleiten.
Bei einer Krebserkrankung beeinflussen sowohl Therapiemaßnahmen als auch die therapeutisch bedingte Vorverlegung der Menopause den Knochenstoffwechsel negativ. Wird eine prämenopausale Patientin beispielsweise wegen eines Mammakarzinoms therapiert, steigt ihr Osteoporoserisiko zum einen durch die medikamentöse Therapie (Chemotherapie, antihormonelle Therapie), zum anderen durch das Östrogendefizit einer artifiziellen Menopause.
Eine 38-jährige Patientin sucht ihren Gynäkologen auf, da sie seit einer Woche in der rechten Brust etwas tasten kann. Der Tastbefund lässt sich im oberen äußeren Quadranten als schwer verschiebliche, etwa walnussgroße Resistenz wahrnehmen, die in der Mammasonographie als ein unregelmäßig begrenzter, echoarmer Tumor von 2 x 2,5 cm dargestellt wird. Die durchgeführte Mammographie erhärtet den Karzinomverdacht, eine Stanzbiopsie bestätigt ein invasives Karzinom. Die Patientin wird brusterhaltend operiert, es finden sich keine Metastasen.
Neben Bestrahlung und Chemotherapie erhält die Patientin im Anschluss alle vier Wochen ein GnRH-Analogon und täglich eine orale Antihormontherapie. Bei der Knochendichtemessung zeigt sich ein leicht verminderter Wert, so dass zunächst eine Calcium- und Vitamin-D-Supplementierung, Ernährungsberatung und Rehasport als Basistherapie empfohlen werden. Sollte sich bei der Kontrolluntersuchung ein Anstieg des Frakturrisikos ergeben, wäre eine spezifische Osteoporosetherapie mit beispielsweise einem Bisphosphonat zu diskutieren. Eine hormonelle Therapie ist aufgrund des Mammakarzinoms kontraindiziert.
Beim Thema Osteoporose sind nicht nur Orthopäden, Internisten oder Allgemeinmediziner therapeutisch involviert. Gerade in den Wechseljahren suchen Patientinnen aufgrund von vasomotorischen Beschwerden primär ihre gynäkologische Praxis auf. Eine individuell abgestimmte Hormontherapie bei mittleren bis starken vasomotorischen Beschwerden bzw. bei pathologischem Verlust der Knochenmasse, trägt nicht nur zu einer raschen Beschwerdereduktion bei, sondern stellt auch eine spezifische Osteoporosetherapie dar. Bei einer gynäkologischen Tumorerkrankung wie dem Mammakarzinom sind Gynäkologen meist die ersten Ansprechpartner und sollten ein mögliches Osteoporoserisiko nicht vernachlässigen.
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