LESERBRIEF | Bei Gesundheitsreformen ist und bleibt das Mittel der Wahl die Androhung von Strafen. Das sorgt für Frust – und langfristig zu einer schlechteren Patientenversorgung. Meine Forderungen als Hausarzt.
Seit Jahrzehnten erleben wir Ärztinnen und Ärzte, dass Reformen imGesundheitswesen fast ausschließlich über Malus-Systeme, Kürzungen undRegresse umgesetzt werden – Mechanismen, die als Übergangslösungenbegannen und längst abgeschafft sein müssten. Statt Förderung und partnerschaftlicher Entwicklung erleben wir ein Klima permanenter Drohung: Wer nicht mitzieht, wird bestraft; wer sich engagiert, trägt die Mehrlast stillschweigend mit. Die jüngste Einführung eines eHFB-Malus in Berlin steht exemplarisch für eine bundesweite Fehlkultur: Digitalisierung und Strukturreformen werden mit Sanktionen erzwungen, statt durch Anreize unterstützt.
Im Kern erleben wir eine gefährliche Verschiebung: Das ökonomische Risiko der Versorgung wird zunehmend auf die Praxen abgewälzt – ohne Risikozuschlag, ohne Beteiligung an Prämien, ohne strukturelle Gegenleistung.Gleichzeitig werden medizinische Aufgaben an andere Berufsgruppenausgelagert, wo sie besser vergütet werden, etwa Inhalationsschulungenin Apotheken. In ärztlichen Praxen werden diese nicht einmal gesondert vergütet.
Parallel dazu schreitet die Kommerzialisierung der Medizin voran.Große MVZ-Strukturen treiben eine Entwicklung, die die ärztliche Unabhängigkeit – auch wirtschaftlich – massiv gefährdet. Medizinische Entscheidungen werden zunehmend betriebswirtschaftlich erzwungen; Versorgung droht zur Massenware vom Fließband zu werden – mit Billiglohn und Qualitätsverlust als absehbarer Folgen. Das ist kein Fortschritt, sondern der schleichende Ausverkauf eines freiberuflichen Berufsstandes.
Mit kollegialen GrüßenMartin Bauer
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