Bei einer 32-jährigen Schwangeren ist die Pränataldiagnostik auffällig – kurz darauf steht die Diagnose Edwards-Syndrom. Welche Optionen Eltern in einem solchen Fall haben.
Was die Pränataldiagnostik anbelangt, hat sich die Medizin sehr weit fortentwickelt, zu verdanken ist das immer präziserer Ultraschalltechnologie, gezielter Gendiagnostik und wachsender fachlicher Expertise. Doch bessere Diagnostik bringt auch mehr Komplikationen mit sich: So manch unerwarteter Befund stellt Eltern und das betreuende Ärzteteam vor schwierige Entscheidungen – und ethische Herausforderungen.
Eine 32-jährige Schwangere hat bereits zwei gesunde Kinder spontan zur Welt gebracht hat. Sie stellte sich nun erstmals in einer gynäkologischen Praxis mit 20+2 Schwangerschaftswochen (SSW) vor, da sie aufgrund eines Umzugs erst kürzlich eine neue Frauenärztin gefunden hatte. Anamnestisch bestand ein familiärer Diabetes mellitus, die Patientin hat einen aktuellen BMI von 34. Die vorausgegangenen Schwangerschaftsverläufe waren unauffällig. In der Ultraschalluntersuchung wurden mehrere Auffälligkeiten gesehen und die Patientin erhielt einen zeitnahen Termin in der Pränataldiagnostik einer Universitätsfrauenklinik.
Hier zeigte sich folgender Sonographiebefund: Es bestand eine Mikrozephalie mit auffälliger Kopfform im Sinne eines Lemmon-Sign. Es lag eine Trigonozephalie vor, weiterhin fielen eine Holoprosenzephalie und eine Deformation des Kleinhirns (Banana-Sign) auf. Im Lumbalbereich wurde eine Spina bifida aperta diagnostiziert. In der Herzdiagnostik wurde die Diagnose einer Fallot-Tetralogie erhoben. Biometrisch befand sich das Kind an der 20. Perzentile, das Fruchtwasser war pathologisch vermehrt und die fetalen Bewegungen waren reduziert. Daraufhin wurde eine Amniozentese durchgeführt und ein Edwards-Syndrom (Trisomie 18) diagnostiziert.
Es handelt sich um ein komplexes, in der Ausprägung variables Fehlbildungssyndrom mit einer Inzidenz von 1:5.000 lebend geborenen Kindern. Typischerweise liegen vor:
Die Prognose ist ungünstig. Etwa 90 Prozent der Kinder versterben intrauterin und die durchschnittliche postpartale Überlebenszeit beträgt wenige Tage, selten wenige Jahre.
Mit den Eltern wurde die Situation unter Einbeziehung einer psychosozialen Beratung besprochen. Dabei wurden die verschiedenen Handlungsmöglichalternativen beschrieben:
Die Eltern entschieden sich für ein abwartendes Verhalten und planten mit dem Palliativteam eine palliative Geburt. Im Verlauf der Schwangerschaft entwickelte die Patientin einen insulinpflichtigen Gestationsdiabetes. Aufgrund einer beginnenden Präeklampsie mit Proteinurie und mehrmaligen Blutdruckwerten von 150/100 wurde die Geburt mit 37+2 SSW eingeleitet. Auf eine CTG-Überwachung wurde verzichtet und eine sekundäre Sectio hätte nur aus mütterlicher Indikation erfolgen sollen.
Nach unkomplizierter Spontangeburt unter PDA kam ein leicht deprimiertes, leise wimmerndes Mädchen zur Welt. Da keine Anzeichen von Dyspnoe oder Schmerzen vorlagen, wurde das Kind seinen Eltern in die Arme gelegt. Nach etwa 30 Minuten schlief das Kind ruhig ein und verstarb. Alle Beteiligten sorgten für eine empathische, dem Anlass entsprechende Atmosphäre und ermöglichten den Eltern eine Zeit des Abschiednehmens, was diese als sehr wertvoll empfanden.
In Deutschland ist ein Abbruch in jedem Stadium der Schwangerschaft möglich, wenn die körperliche oder seelische Gesundheit der Mutter gefährdet ist und diese Gefahr auf keine andere für sie zumutbare Weise abgewendet werden kann. Besteht bereits Lebensfähigkeit des Kindes, hat sich die Durchführung des Fetozids etabliert. Hierbei wird dem Ungeborenen durch eine ultraschallgesteuerte intrakardiale Punktion Kaliumchlorid, Digoxin oder Xylocain® verabreicht. Dadurch wird sichergestellt, dass nach der fetalen Herzasystolie ein totes Kind geboren wird. Diese Methode wird auch bei einer Mehrlingsschwangerschaft angewandt, wenn durch einen selektiven Fetozid nur die gesunden Kinder weiterleben sollen.
Für manche Elternpaare, die sich weder einen Schwangerschaftsabbruch noch einen Fetozid vorstellen können, stellt die palliative Geburt eine individuelle Alternative dar. Verschiedene Geburtskliniken verfahren nach einem ähnlichen Konzept:
Die palliative Geburt stellt eine Alternative zum Schwangerschaftsabbruch dar. Manche Frauen, bei denen eine kindliche Erkrankung mit stark lebensverkürzender Prognose diagnostiziert wird, wie etwa eine Trisomie 18, möchten keinen Schwangerschaftsabbruch. Gut vorbereitet kann für diese Familien das Konzept der palliativen Geburt den individuell richtigen Weg darstellen, um sich von ihrem Kind zu verabschieden.
Die Gynäkologie: Palliativmedizin in der Gynäkologie. Springer Medizin, 2022. online
Bildquelle: Marcel Ardivan, Unsplash