Von wegen verstaubt: Während moderne Antidepressiva scheitern, erleben MAO-Hemmer eine Renaissance. Oft sind sie besser verträglich, vielseitig einsetzbar und vielleicht sogar neuroprotektiv. Warum sich eine Rückbesinnung lohnt.
Willkommen zur Revanche der Underdogs! Monoaminooxidase-Hemmer (MAO-Hemmer) zählen zu den älteren Psychopharmaka und spielen im modernen Klinikalltag mittlerweile eher eine Nebenrolle. Trotz ihres vermeintlichen Nischendaseins erleben MAO-Hemmer jetzt aber nicht nur zur Behandlung bei therapieresistenten Depressionen ein bemerkenswertes Comeback: Denn ihre Wirksamkeit überzeugt genau dort, wo andere Medikamente an ihre Grenzen stoßen.
Ihre größte Bedeutung entfalten MAO-Hemmer bei therapieresistenten Depressionen. Eine Metaanalyse von 83 randomisierten Studien belegt die hohe Effektivität, gute Verträglichkeit und Akzeptanz von den in Deutschland zugelassenen Substanzen Tranylcypromin und Moclobemid.
Der klinische Einsatz von MAO-Hemmern erfordert Sorgfalt durch:
• Diätinteraktionen: Tyraminreiche Lebensmittel (gereifter Käse, Rotwein, Bier und Salami) können in Kombination mit irreversiblen MAO-Hemmern zu lebensbedrohlichen hypertensiven Krisen führen („Cheese-Effekt“).• Arzneimittelinteraktionen: Kombinationen mit serotonergen Substanzen (SSRIs, SNRIs, Triptane) bergen das Risiko eines Serotonin-Syndroms.• Eigenständige Nebenwirkungen: Schlafstörungen, Blutdruckschwankungen, Gewichtszunahme oder sexuelle Funktionsstörungen.
In den letzten Jahren sind mehrere reversible und selektive MAO-Hemmer entwickelt worden, die das Risiko gefährlicher Interaktionen verringern und so eine deutlich flexiblere Ernährung bei günstigerem Nebenwirkungsprofil ermöglichen. Eine aktuelle Studie identifiziert beispielsweise neue Substanzen wie Brexpiprazol oder Trifluperidol als potenziell hochaffine MAO-B-Inhibitoren mit antidepressiver und sogar antipsychotischer Wirkung. Diese innovativen MAO-B-Inhibitoren werden nicht nur für Parkinson, sondern auch bei neurodegenerativen Erkrankungen getestet (hier und hier). Neue Forschungsarbeiten zeigen außerdem, dass MAO-B-Inhibitoren wie Rasagilin und Selegilin nicht nur die Parkinson-Symptomatik verbessern, sondern auch neuroprotektive Effekte bei Alzheimer entfalten können. Auch zur Hemmung des Tumorwachstums könnten MAO-B-Inhibitoren eingesetzt werden: Neuere Studien identifizieren MAO-B-Inhibitoren, insbesondere durch Modulation von oxidativen Prozessen in Krebszellen, als potenziell wirksame Medikamente.
Wer ganz tief in die Daten schaut (hier und hier), findet heraus: MAO-Hemmer sind bei harten, therapieresistenten Depressionen alles andere als verstaubt. Die jüngsten Metaanalysen und Praxisberichte betonen, dass MAO-Hemmer, vor allem bei schweren und therapieresistenten Verläufen, weiterhin eine herausragende Wirksamkeit besitzen und international wieder stärker empfohlen werden.
Für die Praxis gilt: Wer ihre Stärken kennt und die Risiken im Blick behält, hat einen Schatz an Therapieerfahrung zur Hand, der nicht in Vergessenheit geraten sollte. Bei sorgfältiger Indikationsstellung und enger klinischer Begleitung bieten MAO-Hemmer eine wirksame Option für Patienten, die auf Standardtherapien nicht ansprechen. Der aktuelle Forschungsstand belegt ihre Wirksamkeit, bringt aber auch neue therapeutische Perspektiven hervor.
Mit einem frischen Blick auf aktuelle Studien, bewusster (Lebensmittel-)Wahl und ärztlichem Vorwissen können sie das Leben zurückbringen, das zuletzt auf der Strecke blieb. MAO-Hemmer sind wie das Retro-Rennrad: nicht für jeden, nicht zu jedem Wetter – aber für manche eine echte Befreiung.
Bildquelle: Nick Karvounis, Unsplash