Kinderärzte spüren die Entlastung bereits, aber auch Hausärzte könnten von der RSV-Impfung profitieren – wenn sich nur genug Menschen impfen lassen würden. Apotheken können Steine aus dem Weg räumen. Warum lasst ihr uns nicht?
Eine RSV-Infektion wird bei Erwachsenen häufig unterschätzt – dabei besitzt sie eine durchaus relevante Hospitalisations- und Sterblichkeitslast. Was empfiehlt die STIKO konkret, wie sieht das Impfschema aus und warum hakt es bei der Durchimpfung? Hier kommt eine Zusammenfassung zum Thema, inklusive der Frage, welche Rolle Apotheken künftig beim Impfen spielen.
Das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) ist ein behülltes, einzelsträngiges RNA-Virus aus der Familie der Pneumoviridae. Zentral für die Pathogenese ist das Fusionsprotein (F-Protein), das die Membranfusion und die Bildung von Synzytien vermittelt. Klinisch verursacht RSV akute Infektionen der oberen und unteren Atemwege – von erkältungsähnlichen Symptomen bis zu Bronchiolitis und Pneumonie. Reinfektionen sind lebenslang möglich, schwere Verläufe betreffen v. a. Säuglinge/Kleinkinder sowie ältere Erwachsene und Personen mit chronischen Grunderkrankungen.
Die Krankheitslast bei ≥ 60-Jährigen wurde lange unterschätzt. Systematische Reviews und Modellschätzungen aus OECD-Staaten machen deutlich (hier, hier und hier), dass RSV-bedingte akute respiratorische Infektionen, Klinikeinweisungen und In-Hospital-Letalität deutlich höher ausfallen als bislang angenommen – mit einer spürbaren kardiopulmonalen Komplikationslast. Für Deutschland weisen aktuelle Arbeiten auf erhebliche Belastung und Untererfassung hin. Hinzu kommt: Bei älteren Erwachsenen und multimorbiden Patienten treten Exazerbationen bestehender Erkrankungen (z. B. COPD, Herzinsuffizienz) häufiger auf. Zudem überlappt die klinische Symptomatik mit Influenza und COVID-19, weshalb inzwischen eine PCR-basierte Diagnostik zur Differenzierung empfohlen ist.
Die STIKO empfiehlt seit August 2024 eine einmalige RSV-Impfung für alle Personen ≥ 75 Jahre (Standardimpfung) sowie für 60–74-Jährige mit schweren Grunderkrankungen oder Bewohnern von Pflegeeinrichtungen (Indikationsimpfung). Als optimaler Zeitpunkt gilt Spätsommer/früher Herbst (September/Anfang Oktober) vor Beginn der RSV-Saison. Zur Verfügung stehen drei in der EU zugelassene Impfstoffe für ältere Erwachsene: die proteinbasierten Vakzinen Arexvy® (GSK) und Abrysvo® (Pfizer) sowie der mRNA-Impfstoff mRESVIA® (Moderna). Für mRESVIA erweiterte die EMA die Indikation zusätzlich auf 18–59-Jährige mit erhöhtem Risiko. RKI-FAQ und BMG-Infoseiten bieten hier einen Überblick über Zielgruppen und Vorgehen, einschließlich der Option, proteinbasierte RSV-Impfstoffe zusammen mit der Influenza-Impfung zu verabreichen. Für den mRNA-Impfstoff liegen zur gleichzeitigen Gabe mit Influenza noch begrenzte Daten vor.
Belastbare bundesweite Impfquoten für die neue Erwachsenen-RSV-Impfung liegen bislang nicht öffentlich konsolidiert vor. Ein Grund ist die erst seit Frühjahr 2025 flächendeckend etablierte GKV-Erstattung und Abrechnung – die Aufnahme in die Schutzimpfungs-Richtlinie war erst Ende September 2024. Regionale Vereinbarungen und die GOP-Ziffern 89137/89138 gibt es also seit Ende 2024/Anfang 2025.
Dass die Impfquote bislang hinter den Erwartungen zurückbleibt, hat vor allem organisatorische Gründe: Die bundesweite KV-Umsetzung der RSV-Erwachsenenimpfung war erst zum 1. Juli 2025 vollständig. Viele Praxen konnten also erst zur Saisonvorbereitung überhaupt regelhaft verordnen und abrechnen (alle 17 KVen sogar erst seit 1. Juli 2025). Zudem wurden Vergütungs- und Abrechnungsfragen regional spät geklärt (z. B. KVBW erst am 17. Februar 2025, KVSH mit neuer Impfvereinbarung ab 1. Juli 2025) und teilweise noch nachjustiert (KV Nordrhein korrigierte Anfang September 2025 die Ziffern 89137/89138). All das verzögert natürlich die Durchimpfung.
In Deutschland dürfen Apotheken inzwischen Influenza- und COVID-19-Impfungen regelhaft durchführen (vertragliche Grundlage § 132e SGB V), was die Impfquote durch niedrigschwellige Erreichbarkeit erwiesenermaßen verbessert. Denn Impfangebote in Apotheken verbessern die Zugänglichkeit zu Impfungen: Kurze Wege, flexible Zeiten (auch abends) und Impfungen ohne Termin senken praktische Hürden. Das entlastet Ärzte und erreicht Menschen, die impfbereit, aber schlecht angebunden sind. Für die RSV-Impfung bedeutet das vor allem einen Zugewinn bei Älteren, pflegenden Angehörigen und multimorbiden Patienten, also vulnerablen Gruppen. Es gibt bereits Pilotprojekte: So starteten IhreApotheken.de und Moderna zur Saison 2025/26 eine Kooperation. Es gibt RSV-Impfaktionen in ausgewählten Apotheken – in Zusammenarbeit mit Ärzten und flankiert von Aufklärung, Apothekensuche und Online-Terminbuchung.
Das Projekt birgt aber auch Zündstoff, was das Apotheken-Ärzte-Verhältnis betrifft. So sinnvoll und praktisch die Impfungen in der Apotheke erscheinen mögen, die Bundesärztekammer hat in der Vergangenheit in Stellungnahmen zu Apothekenleistungen – einschließlich Impfungen und Tests – wiederholt auf Zuständigkeits-, Qualitäts- und Patientensicherheitsaspekte hingewiesen und eine Fokussierung auf ärztliche Versorgung gefordert. In der Versorgungspraxis werden trotzdem abgestimmte Modelle entwickelt, die Kooperation statt Konkurrenz betonen.
Aus Public-Health-Sicht spricht viel dafür, komplementäre Impfkanäle zu nutzen: Sie heben Barrieren auf, erreichen neue Zielgruppen und können dadurch die gesamtgesellschaftliche Impfquote erhöhen – bei klaren Qualitätsstandards, Dokumentations- und Notfallmanagementvorgaben.
Praktische Punkte für die Beratung sind unter anderem:
Die praktische Umsetzung der STIKO-Empfehlung steht noch am Anfang – organisatorische Hürden und späte Abrechnungsregelungen bremsen die Impfquote. Wenn Apotheken hier mit anpacken, verbessert das die Versorgung spürbar. Für Ärzte bedeutet das nicht Konkurrenz, sondern Entlastung – und für Patienten mehr Flexibilität und weniger Barrieren. Genau das könnte am Ende den Unterschied machen und vielen Menschen eine schwere RSV-Erkrankung ersparen.
Bildquelle: Midjourney