Mit Antioxidantien zur Befruchtung: Für schlappe 70 Euro im Monat soll Impryl die Spermienqualität und damit die Chance auf eine Vaterschaft verbessern. Was ist dran am teuren Spaß?
Rund 15 Prozent aller Paare in Deutschland sind kinderlos, obwohl sie sich Nachwuchs wünschen. In jedem zweiten Fall liegt es am Mann. Der Wunsch, selbst etwas zu tun, ist groß. Wer selbst recherchiert, stößt schnell auf Antioxidantien als Möglichkeit gegen Infertilität. Online-Apotheken bieten beispielsweise Impryl an. Es enthält eine Mischung aus Vitaminen, Zink, L-Cystin und weiteren Mikronährstoffen. Doch eine groß angelegte, unabhängige klinische Studie zeigt: Der erhoffte Effekt bleibt aus.
Und nicht nur das: Vielmehr zeugten Männer, die Impryl eingenommen hatten, seltener ein Kind als Geschlechtsgenossen im Placebo-Arm der Studie. Auch andere Nahrungsergänzungsmittel, die gegen männliche Unfruchtbarkeit getestet worden sind, zeigen keinen Nutzen.
Zu den Details: Ein niederländisches Forscherteam um Wiep R. de Ligny hat die SUMMER-Studie (Supplementation in Male Mediated Reproduction) an 21 Kliniken durchgeführt. 1.171 Männer zwischen 18 und 50 Jahren, die mit ihren Partnerinnen wegen unerfüllten Kinderwunsches in Behandlung waren, nahmen daran teil. Die Hälfte erhielt über sechs Monate täglich eine Tablette Impryl, die andere Hälfte ein identisch aussehendes Placebo. Ziel der Forscher war, herauszufinden, ob das Nahrungsergänzung die Spermienqualität oder die Schwangerschaftsrate der Partnerinnen verbessert.
Schaubild:JAMA Network Open
Nach sechs Monaten war die Rate an fortbestehenden Schwangerschaften in der Impryl-Gruppe niedriger als in der Placebo-Gruppe (33,8 % versus 37,5 %). Und innerhalb des biologisch relevanten Zeitfensters von vier bis sechs Monaten – also einer vollständigen Spermatogenese – war sie signifikant niedriger (15,5 % versus 21,5 %). Auch die Samenqualität, die DNA-Integrität der Spermien und Laborparameter zeigten keine Unterschiede. „Die Behandlung mit Antioxidantien verbessert weder die Spermienqualität noch die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft und wird nicht empfohlen“, so das Fazit der Autoren.
Die Idee hinter Antioxidantien als Fruchtbarkeitshelfer klingt zunächst plausibel. Oxidativer Stress, also ein Überschuss an reaktiven Sauerstoffspezies (ROS), kann DNA der Spermien schädigen und ihre Beweglichkeit einschränken. Antioxidantien fangen diese Moleküle ab und schützen Spermien. Soweit die Idee. Doch im menschlichen Körper ist das Gleichgewicht zwischen oxidativen und reduktiven Prozessen komplex: Zu viele Antioxidantien können ebenfalls schädlich wirken, indem sie die physiologisch notwendige Redoxbalance stören. Ein Phänomen, das Forscher als reduktiven Stress kennen.
Tatsächlich haben Ärzte auch in anderem Kontext, etwa bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Krebserkrankungen, ungünstige Effekte durch Antioxidantien beschrieben. Die SUMMER-Studie liefert ein weiteres Beispiel, dass sich aus biologischer Logik nicht automatisch eine klinische Wirksamkeit ableiten lässt.
Die Studie bestätigt das bisherige Gesamtbild der Forschung: Nahrungsergänzungsmittel scheinen die männliche Fruchtbarkeit kaum zu fördern. Für eine Metaanalyse hatte ein Team der Aalborg University 50 randomisierte Studien mit insgesamt mehr als 4.800 Männern ausgewertet. Die Teilnehmer hatten verschiedenste Präparate eingenommen – von Zink und Folsäure über Carnitin und Coenzym Q10 bis hin zu Omega-3-Fettsäuren und Vitamin E. Auch hier fiel das Ergebnis enttäuschend aus. Weder die Schwangerschaftsrate noch die Geburtenrate ließen sich durch Supplemente verbessern. Zwar zeigten manche Untersuchungen minimale Veränderungen einzelner Spermien-Parameter. Doch diese Effekte waren inkonsistent und klinisch kaum relevant. Alles in allem sei die Evidenz für eine Wirksamkeit der getesteten Nahrungsergänzungsmittel niedrig bis sehr niedrig, schreiben die Autoren als Resümee.
Trotz schwacher Datenlage boomt der Markt: In Europa geben Männer mit Kinderwunsch jährlich mehrere hundert Millionen Euro für vermeintlich fruchtbarkeitssteigernde Präparate aus. Impryl wird beispielsweise für rund 70 Euro pro Monat angeboten. Fachgesellschaften wie die European Association of Urology (EAU) empfehlen Supplemente derzeit nicht zur Behandlung männlicher Infertilität. Stattdessen setzen sie auf modifizierbare Lebensstil-Interventionen wie Rauchverzicht, Abnehmen bei Übergewicht und Bewegung. „Unsere Daten zeigen, dass Männer mit Kinderwunsch ihre Ressourcen besser in evidenzbasierte Behandlungen investieren sollten, anstatt auf Nahrungsergänzung zu setzen“, schreiben auch Ligny und Kollegen in ihrer Veröffentlichung.
Damit sind Antioxidantien wie Impryl oder ähnliche Kombinationspräparate keine Lösung für männliche Infertilität. Weder verbessern sie die Samenqualität, noch steigt die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft. Was bleibt, ist eine teure Illusion – und die Erkenntnis, dass der Weg zu verlässlichen Therapien über evidenzbasierte Studien und nicht über vollmundiges Marketing führt.
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