Sie gelten als Meilenstein der Onkologie: CAR-T-Zell-Therapien. Gentechnisch veränderte Immunzellen spüren Krebszellen auf und vernichten sie. Kommt nach Erfolgen bei Leukämien jetzt der Durchbruch bei Autoimmunerkrankungen und soliden Tumoren?
Sie gehören zu den größten medizinischen Innovationen der letzten Jahre: Mit CAR-T-Zell-Therapien („Chimeric Antigen Receptor“-T-Zell-Therapien) gelingt es, körpereigene Immunzellen gentechnisch so zu verändern, dass sie Krebszellen gezielt erkennen und zerstören. Seit ihrer ersten Zulassung im Jahr 2017 haben Ärzte mit dieser neuen Strategie vor allem bei bestimmten Leukämien und Lymphomen spektakuläre Behandlungserfolge erzielt. In einem Übersichtsartikel in JAMA fassen Onkologen den Stand der Forschung zusammen und wagen einen Ausblick auf künftige Entwicklungen.
Mittlerweile sind sechs CAR-T-Zell-Therapien verfügbar: Abecma®, Breyanzi®, Carvykti®, Kymriah®, Tecartus® und Yescarta®. Sie kommen bei verschiedenen Formen von Leukämien zum Einsatz, darunter B-Zell-Lymphome, follikuläre Lymphome, Multiple Myelome und Mantelzelllymphome. CAR-T-Zell-Therapien werden vor allem bei rezidivierenden oder refraktären Krankheitsverläufen eingesetzt, wenn Erstlinientherapien versagt haben. Typische Zielstrukturen sind CD19, ein Oberflächenantigen, das von B-Lymphozyten exprimiert wird, oder das Plasmazellprotein BCMA.
Zwei Beispiele aus der Literatur: CAR-T-Zell-Therapien erzielten beim diffus großzelligen B-Zell-Lymphom (DLBCL) signifikant höhere Überlebensraten als herkömmliche Behandlungsstrategien: In einer randomisierten Studie lag die Vier-Jahres-Gesamtüberlebensrate bei 54,6 Prozent, während sie unter Standardtherapie nur 46 Prozent betrug. Auch bei der B-Zell akuten lymphatischen Leukämie zeigen sich deutliche Fortschritte. In einer Studie betrug die Gesamtremissionsrate 82 % und die 3-Jahres-Überlebensrate (overall survival) lag bei etwa 63 % – ein zuvor nie erreichter Erfolg.
Trotz ihrer beeindruckenden Wirksamkeit gelten Kosten von bis zu 350.000 Euro pro Patient und die Nebenwirkungen als größte Hürden der CAR-T-Zelltherapie. Daher dürfen sie laut Zulassungen erst eingesetzt werden, wenn mindestens zwei andere Behandlungsformen – etwa Chemo- oder Strahlentherapien – keinen Erfolg gezeigt haben. Hinzu kommt: Viele CAR-T-Therapien wurden auf Basis einarmiger Studien ohne direkte Vergleichsarme zugelassen, was die Einschätzung ihres echten Zusatznutzens erschwert. Langzeitdaten zur Wirksamkeit, zum Überleben und zur Nachhaltigkeit des Ansprechens fehlen häufig oder sind noch wenig robust. Und in Wirtschaftlichkeitsanalysen (Cost-Effectiveness Studies) schneiden CAR-T-Therapien bei derzeitigen Preisen oft nicht gut ab.
Die teils spektakulären Heilerfolge dürfen auch nicht über bestehende Herausforderungen hinwegtäuschen. Häufig kommt es bei der Therapie zum Zytokin-Freisetzungssyndrom (CRS), einer massiven Entzündungsreaktion mit Fieber, Hypotonie und Koagulopathien. Und 15–65 % aller Patienten entwickeln neurologische Komplikationen, bekannt als Immuneffektorzell-assoziiertes Neurotoxizitätssyndrom. Dank verbesserter Behandlungsprotokolle ist die Rate schwerer CRS-Verläufe auf etwa 4 % gesunken. Ein zentrales Problem ist die sogenannte Antigen-Flucht: Unter Selektionsdruck der Therapie kann es bei Tumorzellen zu Mutationen, Antigenverlust oder veränderte Expression dieses Zielmoleküls kommen. Doch Forscher entwickeln CAR-T-Zell-Therapien weiter.
CAR-T-Zellen der ersten Generation bestehen aus einer äußeren Erkennungsdomäne, die ein spezifisches Tumorantigen erkennt, und einer einzigen inneren Signaldomäne, die die T-Zelle aktiviert, sobald sie eine Krebszelle bindet. Diese erste Generation war ein technologischer Durchbruch, zeigte aber nur eine begrenzte Aktivität und Lebensdauer im Körper. Um die Wirkung zu verstärken, wurden bei der zweiten Generation kostimulatorische Signaldomänen eingebaut, meist CD28, CD137 oder OX40. Dies führt zu einem längeren Überleben der CAR-T-Zellen, einer besseren Vermehrung im Körper und einer stärkeren Wirkung gegen Krebszellen. Alle bislang zugelassenen CAR-T-Zell-Therapien gehören zu dieser Generation.
Forscher kombinieren bei der dritten Generation zwei kostimulatorische Domänen (z. B. CD28 und 4-1BB) in einer Zelle. Ziel ist eine noch effektivere und länger anhaltende Immunantwort. In präklinischen und frühen klinischen Studien zeigen diese Zellen eine größere Spezifität und eine längere Aktivität. Die vierte Generation verfügt über zusätzliche Funktionen. Solche Zellen können bei der Antigen-Erkennung Zytokine wie Interleukin-12 ausschütten, um die lokale Immunantwort zu verstärken und das Tumormilieu zu verändern. CAR-T-Zellen der fünften Generation sind so konstruiert, dass sie bei Tumorkontakt nicht nur aktiviert werden, sondern gleichzeitig durch einen eingebauten Zytokinrezeptor-Signalweg ihre eigene Wachstums- und Überlebensantwort anstoßen – ein entscheidender Schritt hin zu langlebigeren, wirksameren und sichereren Zelltherapien.
Forschern geht es aber nicht nur darum, CAR-T-Zell-Therapien bei hämatologischen Erkrankungen weiterzuentwickeln. Sie hoffen, das Prinzip auf solide Tumoren zu übertragen. Mehrere experimentelle Ansätze gelten als vielversprechend.
CAR-T-Zellen, die gegen das Oberflächenantigen GD2 gerichtet sind, erzielten bei pädiatrischem Neuroblastom Ansprechraten von rund 63 % im Sinne einer Tumorverkleinerung. Und gegen Claudin 18.2 gerichtete CAR-T-Zellen führten bei gastrointestinalen Tumoren fast zur Verdopplung des progressionsfreien Überlebens von 1,77 Monaten auf 3,25 Monate. Parallel testen Forscher bei soliden Tumoren andere zelluläre Ansätze. Die TIL-Therapie (Tumor-infiltrierende Lymphozyten) ist eine Form der personalisierten zellulären Immuntherapie zur Behandlung solider Krebserkrankungen, insbesondere von Melanomen. Dabei werden körpereigene Immunzellen – sogenannte tumorinfiltrierende Lymphozyten (TILs) – aus dem Tumorgewebe des Patienten isoliert, im Labor vermehrt und anschließend wieder infundiert.
Auch hier sind noch Fragen zur Wirksamkeit offen. Deshalb hatte der Hersteller von lifileucel, einer TIL-Therapie bei metastasierten Melanomen, seinen EMA-Zulassungsantrag Mitte 2025 widerrufen. In den USA ist lifileucel (Amtagvi®) nach wie vor zugelassen.
Doch CAR-T-Zell-Therapien können womöglich noch mehr. Seit 2021 testen Forscher die Methode bei schweren Autoimmunerkrankungen, zunächst im Rahmen individueller Heilversuche. Behandelt wurden unter anderem Patienten mit systemischem Lupus erythematodes, Myasthenia gravis, Myositis und Sklerodermie. Im Juni 2025 gelang erstmals die erfolgreiche Behandlung zweier Patienten mit Autoimmunneuropathien – mit bemerkenswertem Erfolg: Nach der CAR-T-Zell-Behandlung war keine weitere Immuntherapie mehr erforderlich.
Wie bei bestimmten Blutkrebsarten beruhen auch viele Autoimmunerkrankungen auf fehlgeleiteten B-Zellen, die fälschlicherweise körpereigene Strukturen angreifen. Die CAR-T-Zelltherapie setzt genau hier an. Speziell modifizierte T-Zellen erkennen und zerstören diese krankheitsverursachenden B-Zellen – ein völlig neuer therapeutischer Ansatz.
Quelle:
Brudno et al.: CAR T Cells and T-Cell Therapies for Cancer. A Translational Science Review. JAMA, 2024; doi:10.1001/jama.2024.19462
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