KOMMENTAR | Mit dem Oktober kam die Entbudgetierung für hausärztliche Leistungen. Ich habe das zum Anlass genommen, mir das Budget mal anzusehen – und bin entsetzt. Fachärzte, wehrt euch!
Hand aufs Herz: Wer von uns kann sein Honorar wirklich nachvollziehen? Zum Anlass der Entbudgetierung der Hausärzte habe ich mir den Versuch erlaubt, noch einmal zu rekonstruieren, wie die Budgetierung eigentlich funktioniert. Ergebnis: ein kafkaeskes Bürokratiemonster, ein Lehrstück deutscher Verwaltungsabsurdität.
Für 2026 steigt der Orientierungswert auf 12,7404 Cent – ein Plus von rund 2,8 Prozent. Klingt nach Wertschätzung, nach mehr Honorar. Aber ganz ehrlich: Schon diese Steigerung reicht hinten und vorne nicht, wenn man Inflation und Kostenexplosion gegenrechnet.
Und schlimmer: Dieses Plus kommt gar nicht bei uns an. Denn der Punktwert ist nur der Preis pro Punkt, er ist fix. Entscheidend ist die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung (MGV) – der gedeckelte Kuchen. Und es deutet manches darauf hin, dass sich dieser zumindest regional schon verkleinert. Ob bundesweit? Schwer zu sagen. Denn dieses System bleibt für uns undurchdringlich.
Aus der MGV werden erst mal Labor, Notdienst und Co bezahlt. Der Rest wird anschließend aufgeteilt in einen Hausarzttopf und einen Facharzttopf. Mit diesem Geld werden dann die individuellen Regelleistungsvolumina (RLV) gebildet. Und nur innerhalb dieser RLV gibt es Punkte zum vollen Orientierungswert (2026: 12,7404 Cent). Sobald das individuelle RLV erschöpft ist, greift die Abstaffelung: Punkte gibt’s nur noch zum Discountpreis – im Extremfall 1 Cent. Wie groß das RLV ist, hängt von der Gesamtleistung der Kollegen in der Fachgruppe ab. Die anderen sollten also möglichst wenig arbeiten – und ich möglichst viel.
So entsteht der Unterschied zwischen kalkulatorischem Fallwert (theoretisch 50 Euro pro Patient) und tatsächlichem Fallwert (leider doch nur 48 Euro). Bei 1.000 Patienten fehlen so mal eben 2.000 Euro. Einfach weg. Wenn der MGV-Kuchen also kleiner wird – und wenn dann auch noch alle mehr arbeiten – wird der kleinere Kuchen sogar noch dünner geschnitten. Zwar mehr Cent pro Punkt, aber weniger vom Kuchen. Unterm Strich: weniger Geld. Willkommen im Hamsterrad.
Die Logik ist pervers: Wir laufen schneller, weil das Geld nicht reicht. Je schneller wir laufen, desto weniger ist die einzelne Leistung wert – also laufen wir noch schneller. So entsteht der Eindruck, der Punktwert würde „floaten“. Aber nein – der bleibt fix. Es ist das gedeckelte RLV, der Kuchen, der den Wert unserer Arbeit kleinrechnet. Natürlich gibt es noch extrabudgetäre Leistungen wie Vorsorge, Impfungen oder Mutterschaft. Die werden immerhin voll bezahlt. Aber der Löwenanteil unseres Einkommens hängt am RLV – und dort herrscht Hamsterrad-Logik.
Während für die Hausärzte die Budgetierung endlich fällt, stecken die Fachärzte weiter fest im Hamsterrad. Sie haben nach wie vor ihre individuellen Regelleistungsvolumina (RLV), die sich an den Patientenzahlen des Vorjahres orientieren. Heißt: mehr Patienten, mehr Arbeit – aber kein zusätzliches Honorar. Nach dem RLV gibt’s nur noch den Restpunktwert.
Die Konsequenz kennt jeder: geschlossene Praxistüren am Quartalsende. Nicht, weil Ärzte nicht arbeiten wollen, sondern weil jede zusätzliche Leistung nur noch zum Schleuderpreis vergütet wird. Wer denkt sich so etwas eigentlich aus?
Dass wir so ein System jahrelang akzeptiert haben, ist ein schlechter Witz. Mehr Arbeit, weniger Honorar – das ist kein System, das ist ein Schildbürgerstreich. Für die Hausärzte ist dieses Kapitel zum Glück beendet. Für die Fachärzte dreht sich das Hamsterrad aber unaufhaltsam weiter – mit eingebautem Selbstzerstörungsmodus. Es darf nicht sein, dass ärztliche Leistung gedeckelt wird. Punkt.
Ob ich das alles bis ins Letzte verstanden habe? Vermutlich nicht. Aber das ist ja das eigentliche Problem: Verstehen kann man diesen Irrsinn sowieso nicht.
Bildquelle: Midjourney