Paracetamol während der Schwangerschaft verursacht Autismus – zumindest laut US-Präsident Donald Trump. Seine These: Auf Kuba, wo der Wirkstoff selten verfügbar ist, sei Autismus viel seltener. Ist da was dran?
Wenn Donald Trump spricht, hört die Welt hin und wird oft eher verunsichert als aufgeklärt zurückgelassen. So geschehen auch kürzlich mit einer Äußerung, die ein Medikament ins Rampenlicht rückte, das bislang eher unaufgeregt im Medizinschrank stand: Paracetamol. Millionenfach verordnet gegen Fieber und Schmerzen, gilt es seit Jahrzehnten als eines der wenigen Mittel, das Schwangere relativ bedenkenlos einnehmen können – bis jetzt.
Das deutsche Pharmakovigilanzzentrum Embryonaltoxikologie an der Charité (Embryotox) sieht in dem Schmerzmittel neben Ibuprofen den Wirkstoff der Wahl in der Schwangerschaft: „Bei medikamentös behandlungspflichtigen Schmerzen gehört Paracetamol in jeder Phase der Schwangerschaft zu den Analgetika der Wahl. Ebenso gehört es bei hohem Fieber zu den Antipyretika der Wahl. Es kann innerhalb des indizierten Dosisbereichs für die notwendige Behandlungsdauer eingesetzt werden.“
Nun aber erklärte Trump öffentlich, Paracetamol könne Autismus bei Kindern auslösen. Besonders zugespitzt wurde seine These durch einen bizarr anmutenden Vergleich: In Kuba, so Trump, sei Autismus selten, was er auf den dortigen Mangel an Tylenol® – der US-Markenname von Paracetamol, in den USA auch als Acetaminophen bekannt, – zurückführte. Doch geht die Gleichung wirklich so leicht auf?
Tatsächlich gibt es Studien, die einen Zusammenhang zwischen Paracetamol-Gebrauch in der Schwangerschaft und neuroentwicklungsbezogenen Störungen wie der Autismus-Spektrum-Störung (ASD) beschreiben. Doch dabei handelt es sich um Assoziationen und nicht um eine bewiesene Kausalität. Das ist ein Unterschied, der entscheidend ist. Nochmal zur Erinnerung: Sind zwei Dinge assoziiert, bedeutet das nur, dass sie häufig gemeinsam auftreten – nicht, dass das eine das andere verursacht. Kausalität dagegen bedeutet: Das eine bewirkt tatsächlich das andere.
Zu dem Schluss, dass es sich nur um Assoziationen und nicht um Kausalitäten handelt, kommen auch die Autoren einer aktuellen systematischen Übersichtsarbeit. Die Analyse von 46 Studien mit Daten von mehr als 100.000 Teilnehmern aus mehreren Ländern zeigte, dass in 27 der eingeschlossenen Studien ein Zusammenhang zwischen pränataler Paracetamol-Exposition und Entwicklungsstörungen wie ADHS oder Autismus festgestellt werden konnte.
Neun Studien zeigten jedoch keinen Zusammenhang und vier sogar eine schützende Wirkung. In sechs der untersuchten Studien ging es konkret um ASD und es wurde übereinstimmend von einem positiven Zusammenhang zwischen der pränatalen Paracetamol-Einnahme und ASD berichtet. Teilweise konnte sogar ein Dosis-Wirkungs-Zusammenhang gezeigt werden: Je länger oder höher die Einnahme, desto größer das Risiko. Die Zusammenhänge blieben auch bestehen, wenn Störfaktoren herausgerechnet wurden und Studien von höherer Qualität zeigten eher positive Zusammenhänge. Auch eine mögliche Erklärung zum Wirkmechanismus lieferten die Autoren: Paracetamol könnte über oxidativen Stress, hormonelle Veränderungen oder epigenetische Effekte die Entwicklung des fetalen Gehirns beeinflussen.
Die Diskussion um Paracetamol und vorgeburtliche Entwicklungsstörungen ist nicht neu und es gibt auch immer wieder Studien, die den Wirkstoff vom Verdacht freisprechen. So hatte erst 2024 eine Kohortenstudie aus Schweden Entwarnung gegeben. Das Forschungsteam analysierte Daten von 2,48 Millionen Kindern, die zwischen 1995 und 2019 in Schweden geboren wurden. Etwa 7,5 % der Mütter hatten während der Schwangerschaft Paracetamol eingenommen. Zunächst zeigte sich in klassischen statistischen Modellen ein leicht erhöhtes Risiko für Autismus, ADHS und geistige Behinderung bei den Kindern, deren Mütter Paracetamol verwendet hatten. Diese Risikosteigerung war jedoch gering. Aufschlussreich war der „Sibling-Control-Ansatz“: Die Forscher verglichen Geschwisterpaare, bei denen die Mutter in einer Schwangerschaft Paracetamol genommen hatte und in der anderen nicht. Das Ergebnis: Kein erhöhtes Risiko für Autismus (HR = 0,98), ADHS (HR = 0,98) oder geistige Behinderung (HR = 1,01).
Das spricht stark dafür, dass frühere Hinweise auf einen Zusammenhang nicht durch das Medikament selbst, sondern durch Confounder erklärt werden können – etwa genetische Veranlagungen, mütterliche Erkrankungen, Schmerzursachen oder soziale Unterschiede. So ist bekannt, dass Menschen mit einer genetischen Veranlagung zu ADHS häufiger zu Schmerzen, Migräne oder Schlafproblemen neigen und daher öfter Paracetamol einnehmen könnten. Das könnte erklären, warum Kinder dieser Eltern auch ohne Medikamenteneinfluss häufiger neuroentwicklungsbezogene Auffälligkeiten zeigen.
Es kann nur noch einmal wiederholt werden: Bislang liegen nur Assoziationen und keine Kausalitäten vor. Das sieht auch Embryotox so und betont, dass Assoziationen kritisch zu sehen sind. Die Entwicklungsauffälligkeiten, die bei den Kindern beobachtet wurden, können viele Ursachen haben, die in den Studien nur teilweise erfasst wurden. Weiterhin ist in einigen Studien die statistische Signifikanz grenzwertig und es unterscheiden sich wichtige Faktoren wie die diagnostischen Kriterien für die beobachteten Auffälligkeiten, Dosis, Dauer und Trimenon der Einnahme. Letzten Endes ist laut Embryotox auch kein schlüssiger Mechanismus bekannt, der erklärt, wie Paracetamol neurologische Entwicklungsstörungen verursachen könnte. Einige Studien weisen darauf hin, dass das Risiko von Verhaltensauffälligkeiten beim Kind ähnlich erhöht ist, wenn der Vater Paracetamol einnimmt (vor oder nach der Schwangerschaft), wie wenn die Mutter das Arzneimittel anwendet. Das deute auf einen Einfluss familiärer Faktoren hin.
Auch die WHO stellte nach Trumps Auftritt klar, dass es derzeit keine belastbaren wissenschaftlichen Beweise für einen kausalen Zusammenhang zwischen Autismus und der Einnahme von Paracetamol während der Schwangerschaft gibt. Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) bekräftigte ihre Linie. „Paracetamol bleibt eine wichtige Option zur Behandlung von Schmerzen oder Fieber bei Schwangeren. Wir haben keine Hinweise darauf gefunden, dass die Einnahme von Paracetamol während der Schwangerschaft Autismus bei Kindern verursacht“, sagt Steffen Thirstrup, Chief Medical Officer der EMA.
Der Berufsverband der deutschen Frauenärzte schließt sich in einer Pressemitteilung der Bewertung von Embryotox an und betont, dass die Rücksprache mit einem Gynäkologen für Schwangere unerlässlich ist: „Vermeintlich sichere, freiverkäufliche Medikamente der Hausapotheke wie Schmerzmittel können in der Schwangerschaft nicht wie bisher gewohnt dosiert und eingenommen werden. Bei der Wahl des Schmerzmittels spielt beispielsweise der Fortschritt der Schwangerschaft eine entscheidende Rolle. Frauenärztinnen und Frauenärzte haben die Gesundheit von Mutter und Kind im Blick.“ Dr. Petra Brandt, Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe, sieht auf Anfrage ebenfalls derzeit keinen Grund, von Paracetamol abzuraten, da es sich um „ein gut dokumentiertes, sicheres Analgetikum während der Schwangerschaft“ handelt. Sie fasst zusammen: „Für mich als Gynäkologin gilt: So wenig wie möglich und so viel wie nötig an Medikamenten in der Schwangerschaft. Beim Erstgespräch in der Frühschwangerschaft wird die Schwangere immer auf wichtige Verhaltensregeln hingewiesen, wobei auch explizit erwähnt wird, dass Medikamente nur nach Rücksprache eingenommen werden sollten.“
Die Folgen von Trumps Verunglimpfung reichen jedoch weiter, als dass nur der Ruf von Paracetamol als sicheres Medikament angeknackst ist. Es kann auch verunsicherte Schwangere und ihre ungeborenen Kinder gefährden, wenn sie aus Angst auf eine Behandlung verzichten, obwohl diese wichtig wäre. Unbehandeltes Fieber kann nämlich ebenso wie unbehandelte Schmerzen in der Schwangerschaft für Mutter und Kind gefährlich sein. Es gibt Hinweise, dass hohes Fieber im ersten Schwangerschaftsdrittel das Risiko für Fehlbildungen steigert. Später in der Schwangerschaft erhöht es das Risiko für vorzeitige Wehen und Frühgeburten.
Vielleicht kann verunsicherte Frauen noch beruhigen, dass selbst die Autoren der aktuellen Studie aus 2025 so etwas wie Entwarnung geben: Paracetamol bleibt auch ihrer Einschätzung nach das bevorzugte Mittel gegen Schmerzen und Fieber in der Schwangerschaft. Aus der Gruppe der nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAID) ist Ibuprofen das Mittel der ersten Wahl, darf aber nur im 1. und 2. Trimenon angewendet werden. NSAIDs können zum vorzeitigen Verschluss des Ductus arteriosus Botalli beim Fetus und zu einer Schädigung der fetalen und neonatalen Nierenfunktion führen. Die Empfindlichkeit des Fetus steigt mit zunehmendem Gestationsalter.
Selbst die US-amerikanische Zulassungsbehörde FDA betrachtet in ihrem Statement die Aufregung um Paracetamol differenzierter. Zwar sollen die Sicherheitshinweise überarbeitet werden, allerdings sieht die Behörde das mutmaßliche Schädigungspotential des Schmerzmittels längst nicht als bewiesen an: „Es ist wichtig, zu beachten, dass zwar in vielen Studien ein Zusammenhang zwischen Paracetamol und neurologischen Erkrankungen beschrieben wurde, ein kausaler Zusammenhang jedoch nicht nachgewiesen werden konnte und in der wissenschaftlichen Literatur gegenteilige Studien zu finden sind. Paracetamol ist außerdem das einzige rezeptfreie Medikament zur Behandlung von Fieber während der Schwangerschaft und hohes Fieber bei Schwangeren kann ein Risiko für die Kinder darstellen. Darüber hinaus haben Aspirin® und Ibuprofen gut dokumentierte negative Auswirkungen auf den Fötus.“
Für Schwangere gilt also: Paracetamol nicht vorsorglich meiden, aber achtsam und gezielt einsetzen, immer in Absprache mit dem Arzt. Wie bei allen Arzneimitteln in dieser Phase wird die niedrigste wirksame Dosis nur so lange wie nötig angewendet. Nicht-medikamentöse Maßnahmen, wie körperliche Kühlung etwa durch Wadenwickel bei Fieber, können unterstützend genutzt werden. Von Seiten der Wissenschaft sind weitere Studien nötig, um ein mögliches Risiko für das ungeborene Kind durch Paracetamol bewerten und einordnen zu können.
Bildquelle: Midjourney