Der Hype um E-Zigaretten reißt nicht ab. Doch ist Vaping harmloser als Rauchen – und kann es wirklich bei der Entwöhnung helfen? Spoiler: So einfach ist es nicht.
Sie werden häufig als die gesündere Alternative zu herkömmlichen Zigaretten angepriesen: Bei E-Zigaretten wird statt Tabak eine Flüssigkeit erhitzt und als Aerosol eingeatmet. Diese Liquids beinhalten unter anderem Glycerin, Propylenglykol, Aromastoffe und zumeist Nikotin. Seinen vergleichsweise guten Ruf bekommt das Vaping von E-Zigaretten, weil weniger krebserregende Stoffe enthalten sind als in Tabakzigaretten – und das vermutlich auch in geringeren Konzentrationen.
In den letzten Jahren werden E-Zigaretten zunehmend als mögliches Tool zur Rauchentwöhnung untersucht. Auf den ersten Blick sieht das oft vielversprechend aus: So kam etwa ein Cochrane-Review aus 2025 zu dem Ergebnis, dass Menschen eher von den Tabakzigaretten lassen können, wenn sie zur Entwöhnung nikotinhaltige E-Zigaretten bekommen – verglichen mit Verhaltensunterstützung oder ohne jede Intervention. Und eine aktuelle Originalstudie mit über 800 Teilnehmern kam ebenfalls 2025 zu dem Schluss, dass Vaping besser als Nikotinersatztherapien beim Rauchstopp unterstützen.
„Tatsächlich gibt es mittlerweile eine Vielzahl von Studien, die E-Zigaretten zur Rauchentwöhnung nahelegen“, sagt Prof. Sabina Ulbricht, Vorstandsvorsitzende des Aktionsbündnis Nichtrauchen. Sie fügt allerdings sofort einen der großen Kritikpunkte hinzu: „Viele davon sind aber nicht frei von Interessenskonflikten.“ Häufig werden die Untersuchungen von der Tabakindustrie mindestens mitfinanziert oder einige der Autoren stehen mit ihr in Zusammenhang – so auch bei der erwähnten Originalstudie.
Das ist nur eins von vielen Problemen des Narrativs, das Dampfen von E-Zigaretten könnte Rauchern beim Aufhören helfen. Da sind zunächst vergleichsweise kleine Mängel wie eine kurze Nachbeobachtungszeit, Schwierigkeiten mit der Vergleichbarkeit und häufig das Fehlen von sinnvollen Kontrollgruppen; solche Einwände finden sich auch in anderen Interventionsstudien oft.
Bei den E-Zigaretten stellen sich jedoch noch viel grundlegendere Fragen. Zunächst einmal: Was bedeutet „rauchfrei“? In den Studien ist das in der Regel gegeben, wenn die Testpersonen keine Tabakzigaretten mehr rauchen. Nur: Häufig bleiben sie stattdessen bei der elektrischen Variante hängen. Sie konsumieren somit weiterhin Nikotin. Je nach Art der E-Zigarette und dem Liquid kann es sogar sein, dass beim Vapen mehr Nikotin ins Blut gelangt. Zudem ähneln sich die Produkte im Hinblick auf das Suchtverhalten: Die Betroffenen haben weiterhin die Raucherpausen, das genüssliche Ziehen an etwas – die Erfahrung ist letztendlich fast identisch zur konventionellen Zigarette. „Die Gewohnheit des Rauchens und der Suchtstoff bleiben bestehen“, so Ulbricht. „Da ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass man nach einer solchen ‚Entwöhnung‘ mit E-Zigaretten irgendwann einen Rückfall hat.“
Das zeigt sich unter anderem in der Tatsache, dass viele Menschen zum „Dual Use“ übergehen, also sowohl elektrische als auch Tabakzigaretten rauchen. Wie oft das genau vorkommt, ist allerdings schwer zu sagen. Je nach Art der Befragung oder Studiendesign kommen dabei sehr unterschiedliche Zahlen heraus.
Noch problematischer ist, dass E-Zigaretten vielen Menschen erst den Weg zum Rauchen eröffnen, betont Ulbricht: „Häufig beginnen sie mit E-Zigaretten, steigen dann auf andere Zigaretten um, betreiben Dual Use oder nutzen sogar mehr Produkte gleichzeitig.“ Die Zahlen geben ihr Recht: Bei Kindern und Jugendlichen geht der Konsum von Tabakzigaretten zurück, während Vaping immer populärer wird. Bei einer Befragung von über 90.000 jungen Menschen mit einem Durchschnittsalter von 13 Jahren hatten rund 19 Prozent schon einmal eine herkömmliche Zigarette geraucht, etwa 24 Prozent hingegen eine E-Zigarette.
Zudem fand ein 2025 veröffentlichtes systematisches Umbrella Review von 56 einzelnen Reviews, dass Kinder und Jugendliche deutlich häufiger Tabak oder Marihuana rauchen und Alkohol trinken, wenn sie zuvor mit dem Vaping angefangen hatten. Zusätzlich fanden die Autoren einen Zusammenhang zwischen E-Zigaretten und Asthma, Husten, Verletzungen und psychischen Problemen.
„Die E-Zigaretten sind so gestaltet, dass sie vor allem Kinder ansprechen“, so Ulbricht. „Sie sehen stylisch aus, fast wie Spielzeuge.“ Dazu kommen die verschiedenen Aromen, von Tabak über Menthol bis Mango – so dass möglichst jeder etwas für sich findet. Damit bildeten die Geräte einen Einstieg für Menschen, die nie auf die Idee kämen, sich eine herkömmliche Zigarette zu kaufen. Aus diesem Blickwinkel stellt sich Ulbricht die gesellschaftlich relevante Frage: „Wie soll ein Produkt, mit dem viele Menschen erst anfangen zu rauchen, bei der Entwöhnung helfen?“
Noch dazu, wo die Einflüsse der Aroma- und anderen Inhaltsstoffe bisher gar nicht klar sind. Etwa, ob sie möglicherweise ebenfalls krebserregend sind – das zu untersuchen, wird länger dauern, zumal sich viele Krebsarten erst langsam bilden. Genau auf die E-Zigaretten zurückführen lässt sich das dann auch nicht leicht, so Ulbricht: „Wenn die Leute mal Zigaretten rauchen, mal Shisha oder E-Zigarette, wie soll man eindeutig sagen, was davon den Krebs verursacht hat?“ Ganz zu schweigen von der schieren Menge an unterschiedlichen Stoffen und Aromen, die untersucht werden müssten und die nicht immer offengelegt werden.
Alle Einwände mitgedacht, scheint Vaping zur Rauchentwöhnung keine gute Idee. Möglicherweise ginge es besser, wenn die E-Zigaretten wie in Australien nur in der Apotheke, in neutralen Verpackungen, ohne Aromastoffe und als Teil überwachter Interventionen angeboten werden dürften, so Ulbricht. Dann werde man mit der Entwöhnung nicht alleingelassen.
Einen großen Schritt sieht sie darin, die Einweg-E-Zigaretten zu verbieten. Als erstes Land in der Europäischen Union hat Belgien ein solches Verbot ab dem 1. Januar 2025 erlassen, Frankreich folgte wenig später. In Deutschland hat der Bundesrat bereits im März 2023 eine Aufforderung an die Bundesregierung beschlossen, sich national und EU-weit für ein Verbot von Einweg-E-Zigaretten einzusetzen. Als Reaktion auf diese Gesetze fordert etwa auch die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin, Deutschland müsse nun schnell nachziehen. Das Vaping an sich würde damit zwar nicht unterbunden – zumal es nur die Wegwerfprodukte betrifft. Dennoch könnte ein solches Gesetz Ulbricht zufolge vor allem die jungen Menschen schützen: „Das würde zumindest die Hürde für den Einstieg erhöhen.“
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