Die Skepsis gegenüber Impfungen wächst weltweit – gleichzeitig sind immer mehr Falschinformationen im Umlauf. Kurz gesagt: Der Aufklärungsbedarf ist hoch. Wie ihr im Gespräch mit Impfskeptikern die Nerven behaltet.
Immer mehr Menschen verlieren ihr Vertrauen in die Sicherheit von Impfungen. In Deutschland stieg der Anteil der Impfskeptiker von 2019 bis 2025 von 19 auf 25 Prozent, jeder Vierte steht also mittlerweile Impfungen skeptisch gegenüber. Vermeidbare Infektionskrankheiten wie die Masern gewinnen dadurch wieder an Bedeutung, Ausbrüche häufen sich. Die aktuelle Marschrichtung des Gesundheitsministers in den USA sowie die Verbreitung von Falschinformationen über die Medien wirken als Brandbeschleuniger. Das Resultat auf Seiten der Impfbefürworter: Frust, Wut, Verbitterung und teils Resignation.
Die Zunahme an Impfskeptikern bedeutet gleichzeitig, dass Ärzte immer häufiger schwierige und möglicherweise konfliktreiche Gespräche über Impfungen führen müssen – in der eigenen Praxis, auf der Grillparty mit Nachbarn oder unterm Weihnachtsbaum. Bei der Flut an schlechten Nachrichten zum Thema Impfung besteht die Gefahr, das Gefühl zu entwickeln, als einzelne Person keinen Einfluss zu haben. Und natürlich stimmt das einerseits; um an einem weltweiten Problem zu arbeiten, braucht es politische Maßnahmen. Solange diese aber auf sich warten lassen, ist es wichtig, richtig und gut, sich auf die Möglichkeiten zu konzentrieren, die einem im direkten Umfeld bleiben: die Aufklärung in der eigenen Praxis, im Freundeskreis und in der Familie.
Aber wie geht man vor im Gespräch mit Impfskeptikern? Die Fronten sind oft so verhärtet, dass das Vorhaben schnell sinnlos erscheint. Die Diskussionen sind langwierig, rauben Energie und enden nicht selten mit Vorwürfen oder Anschuldigungen. Wie also kann man so ein Gespräch gestalten – und sich dabei selbst schützen? Leider gibt es kein Geheimrezept, keine Wunder-Argumentation, die jeden Skeptiker erreicht. Aber es ist möglich, sich einen Werkzeugkasten zu bestücken, mit dem die Quote der erfolgreichen Beratungen steigt – und somit auch das Gefühl, etwas bewirken zu können im Kampf gegen Impfmüdigkeit und Falschinformation.
Die Gründe, die zu einer Skepsis gegenüber Impfungen führen, lassen sich mit dem 5C-Modell zusammenfassen:
Ist bei einem Patienten eine Impfung fällig, ist es vermutlich am besten, dies sehr direkt anzusprechen und das Gespräch nicht mit einer Frage zu eröffnen. Also: „Ich sehe, dass heute Ihre Impfung ansteht.“ – Nicht: „Möchten Sie sich impfen lassen?“ Hat ein Patient Bedenken oder ist kategorisch gegen eine Impfung, ist es wichtig – wenn auch teils nervenaufreibend – sich die Gründe in Ruhe anzuhören, möglichst ohne dabei zu unterbrechen. Wie in anderen Arzt-Patienten-Gesprächen auch ist es wichtig, Raum für Zweifel und Fragen zuzulassen. Ohne eine vertrauensvolle Arzt-Patienten-Beziehung kommt man einfach selten weit.
Verschiedene rhetorische Techniken führen dazu, dass z. B. Postings in den sozialen Medien auf den ersten Blick plausibel wirken. Prof. Cornelia Betsch hat fünf Techniken beschrieben, auf die Impfgegner bei der Verbreitung von Falschinformationen zurückgreifen:
Eine große Herausforderung im Umgang mit Impfskeptikern ist, dass die vorgebrachten Argumente sich für den aufklärenden Arzt wie ein Angriff anfühlen können – etwa wenn ihm unterstellt wird, blind den Interessen der Pharmaindustrie zu folgen oder seine Kompetenz angezweifelt wird. So sehr es auch in den Fingern juckt, ist ein Gegenangriff keine gute Idee. Stattdessen gilt: einmal durchatmen, keinen Streit beginnen. Dabei hilft es, zu versuchen, Verständnis für das Gegenüber aufzubringen: Medizinisch ausgebildeten Personen fällt es i. d. R. verhältnismäßig leicht, kursierende Informationen zu Impfungen in „plausibel“, „möglich“, „eher Quatsch“ und „völliger Quatsch“ einzuordnen. Das geht medizinischen Laien ganz anders.
Stellen wir uns einmal eine vergleichbare Situation aus einem anderen Kontext vor, um zu verstehen, welche Unsicherheiten auf Seiten von Impfskeptikern entstehen können. Man wähle dafür aus den folgenden Situationen diejenige aus, in der man sich inhaltlich nicht zu Hause fühlt:
Und jetzt mal Hand aufs Herz: Führen solche Situationen bei euch nicht auch häufig zu Skepsis? Viele dürften Gedanken wie „Vielleicht hat sie ja ein eigenes Interesse daran, dass ich dort investiere“, „Wenn ich Heizungen verkaufen würde, dann würde ich auch dringend eine neue empfehlen“ oder „Der bekommt bestimmt Provision“ kennen, gerne auch gelabelt als „gesunde“ Skepsis. Ganz ähnlich fühlen sich Impfskeptiker. Ihnen fehlt das nötige Hintergrundwissen, um einzuschätzen, ob die Impfung wirklich rein wissenschaftlich bzw. medizinisch Sinn ergibt, oder ob nicht doch primär ein Interesse der Pharmaindustrie dahintersteckt. Befeuert wird diese Skepsis durch Social-Media-Postings und die Geschichte vom Sohn der Schwester eines ehemaligen Freundes, der nach einer Impfung einen Fieberkrampf erlitten hat und jetzt bestimmt eine Epilepsie bekommt.
Was im Gespräch also hilft, ist das Äußern von Verständnis bezüglich der Bedenken einer unsicheren Person. Ein Satz wie „Ich kann verstehen, dass Sie verunsichert sind, da viele verschiedene Informationen kursieren. Ich kenne dieses Gefühl, z. B. aus der Situation XY“ kann Wunder wirken. In der Folge kann man z. B. gezielt fragen, welche Informationen eine Person gelesen, gesehen oder gehört hat und warum diese zu Verunsicherung führen. Gleichzeitig sollte man auch auf Punkte hinweisen, über die Konsens besteht – „Ich höre heraus, dass es Ihnen wichtig ist, keine Grippe zu bekommen“. Je nach Situation könnte man den Grund noch ergänzen, z. B. „... weil Sie fit bleiben möchten, um Ihren Vater weiterhin pflegen zu können“.
Viele Impfskeptiker berufen sich auf Berichte von schweren Impfnebenwirkungen – teilweise über fünf Ecken weitererzählt. Diese haben oft eine beträchtliche Auswirkung auf die Risikowahrnehmung von Impfungen. Das menschliche Gehirn kann nämlich mit Geschichten bzw. Narrationen deutlich mehr anfangen, als mit abstrakten, logischen Informationen. Diese Tatsache wird von Impfgegnern genutzt, um gezielt Ängste anzusprechen. Einzelne Schicksale werden dafür hervorgehoben und aufgebauscht – die vielen positiven Fälle fallen unter den Tisch. Solche Geschichten treffen auf fruchtbaren Boden, denn wer möchte nicht seinen Kindern schwerwiegende Komplikationen ersparen?
Problematisch ist, dass durch das erfolgreiche Zurückdrängen von Infektionserkrankungen durch Impfungen die Gegenbeispiele rar sind, sprich Berichte vom Kind der Nachbarn, das mit 15 Jahren an den Folgen einer Masern-Infektion gestorben ist. Dass diese Gegenbeispiele sich bei weiterhin steigender Impfskepsis in Zukunft wieder mehren werden, ist wiederum deutlich schwieriger zu vermitteln. Dennoch kann die Empfänglichkeit des menschlichen Gehirns für Geschichten auch für die Aufklärung über den Nutzen von Impfungen helfen: Man kann zum Beispiel von Fällen erzählen, in denen eine Behinderung oder sogar ein Todesfall durch eine Impfung hätte verhindert werden können.
Besonders schwierig ist das Sprechen über inhaltliche Fehler von Impfmythen. Ein reines Korrigieren der Information reicht in der Regel nicht und kann sogar kontraproduktiv sein. Ein mögliches Vorgehen ist es, um Erlaubnis zu bitten, über einen bestimmten Punkt aufzuklären oder die eigenen Erfahrungen mit einer Erkrankung zu teilen. Wichtig ist dabei: Keine weiteren typischen Argumente anzusprechen und dadurch weitere Zweifel zu sähen – besser ist es, sich auf die vom Patienten genannten Punkte zu fokussieren.
Wenn es um die inhaltliche Aufklärung über Nutzen und Risiken von Impfungen geht, geht es auch gleichzeitig um abstrakte Begriffe, wie z. B. Herdenimmunität, die nicht einfach zu vermitteln sind. Hier ist es nützlich, eine anschauliche Erklärung zur Hand zu haben, möglichst mit Illustrationen oder Beispielen. Zum Thema Herdenimmunität gibt es beispielsweise ein sehr anschauliches Video von Dr. Eckart von Hirschhausen (hier).
Um noch einmal auf die emotionale Komponente von Informationen bzw. Erzählungen zurückzukommen: Viele Menschen haben Vertrauen in ihre Ärzte – auch wenn sie Impfungen gegenüber skeptisch sind. Wenn sie von einem Arzt eine klare persönlich formulierte Empfehlung hören, kann dies einen großen Effekt haben. Sprecht also über die eigene Impfung und erzählt von euren persönlichen Beweggründen. Auch in vielen anderen Situationen verlassen sich Patienten schließlich auf die Antwort auf die Frage „Was würden Sie machen, wenn Sie in meiner Situation wären?“
Um Frust auf beiden Seiten und ein Abblocken des Patienten zu vermeiden, sollte man in ein komplexes Aufklärungsgespräch nicht mit dem Ziel gehen, dass der Patient sich noch am selben Tag impfen lässt. Viel realistischer ist es, gegen Ende des Gesprächs klarzumachen, dass man keinen Druck aufbauen will und z. B. einen weiteren Gesprächstermin anzubieten. So können sich die Patienten in Ruhe mit dem Thema auseinandersetzen und eine Nacht drüber schlafen – ähnlich wie man selbst es vielleicht mit den oben genannten Situationen bei der Finanzberatung oder in der Autowerkstatt machen würde.
In der eigenen Arztpraxis kann man über das direkte Gespräch hinaus zudem dazu beitragen, Hürden bezüglich der Impfung abzubauen. Im Wartezimmer oder Sprechzimmer können Sticker oder Poster mit Aufschriften wie „Ich bin geimpft. Und Sie? Lassen Sie uns reden!“ auf die Gesprächsbereitschaft aufmerksam machen. Zudem ist es ratsam, Patienten über Erinnerungssysteme an Impfungen zu erinnern (spart auch Zeit!) und niederschwellig Impfsprechstunden anzubieten, auch zu späten Terminen für Erwerbstätige und ohne vorherige Terminvergabe. Auch wenn es sich manchmal nicht so anfühlt: Wenn viele Ärzte an einem Strang ziehen, können sie durchaus etwas bewegen, wenn zu Beginn auch nur im Kleinen.
Statista – Infografik: Wie verbreitet ist Impfskepsis in Deutschland? Abgerufen am 25.09.2025. online
Professionelle Gesprächsführung – wenn Reden Gold wert ist, Detusches Ärzteblatt, 2019. online
Brewer et al.: Announcements versus conversations to improve HPV vaccination coverage: A randomized trial. Pediatrics, 2017. doi: 10.1542/peds.2016-1764
Meißner: Tipps für den Umgang mit Impfgegnern. Springer Online, 2019. doi: 10.1007/s11298-019-7342-0
Nyhan et al.: Effective messages in vaccine promotion: a randomized trial. Pediatrics, 2014. doi: 10.1542/peds.2013-2365
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