Endlich ist die Woche geschafft! Erst geht es mit Freunden in die Kneipe und morgen kann der Wecker ausbleiben. Doch dieser Spaß kann sich im Schlaf in Form einer „sozialen Apnoe“ rächen. Warum auch ihr sie kennen solltet.
Die Symptome einer Schlafapnoe sind am Wochenende, also in den Nächten von Freitag und Samstag, stärker ausgeprägt als während der Woche – zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die die Daten eines Schlafmessgeräts von über 70.000 Probanden aus aller Welt ausgewertet haben. Die Wissenschaftler nennen das Phänomen „soziale Apnoe“. Die Ergebnisse könnten für die Diagnose und Behandlung der Schlafapnoe von Bedeutung sein.
Bei einem obstruktive Schlafapnoe-Syndrom (OSAS) kommt es durch eine Verengung der Atemwege zu Atmungsstörungen im Schlaf mit wiederholten Hypopnoen und Apnoen. Bei einer Hypopnoe ist die Atmung vorübergehend verringert, bei einer Apnoe setzt sie kurzzeitig ganz aus. Dadurch ist die Sauerstoffkonzentration im Blut verringert und die Organe werden weniger mit Sauerstoff versorgt. Zudem führen die Atemaussetzer zu häufigen, kurzen Aufwachreaktionen, so genannten Arousals. Dadurch ist der Schlaf weniger erholsam und die Betroffenen sind tagsüber häufig müde oder schlafen ungewollt ein. Darüber hinaus ist eine obstruktive Schlafapnoe ein Risikofaktor für weitere Erkrankungen, insbesondere Herz-Kreislauferkrankungen wie Bluthochdruck, Herzinfarkte oder Schlaganfälle.
Die Atemaussetzer können von Mensch zu Mensch, aber auch in verschiedenen Nächten, unterschiedlich häufig sein und unterschiedlich lange dauern. Die variierende Ausprägung pro Nacht kann zu Fehldiagnosen führen – das ist laut Studien bei etwa 20 Prozent der Patienten der Fall. Dass Schlafmuster sich im Lauf der Woche verändern, ist seit langem bekannt: So gehen viele Menschen am Wochenende später ins Bett und schlafen länger, um kürzere Schlafenszeiten an Wochentagen auszugleichen. Bisher hat jedoch keine Studie untersucht, ob und wie sich die Ausprägung der obstruktiven Schlafapnoe im Verlauf der Woche verändert.
Mit dieser Frage hat sich jetzt erstmals ein Forscherteam aus Australien und Frankreich beschäftigt. Die Wissenschaftler um die Erstautoren Lucía Pinilla von der Flinders University in Adelaide (Australien) untersuchten, wie sich die OSAS-Schwere im Wochenverlauf verändert. Dazu verwendeten sie die Daten eines Schlafmessgeräts von über 70.000 Personen mit obstruktiver Schlafapnoe aus zahlreichen Ländern der Welt. Die Ergebnisse sind jetzt in der Fachzeitschrift American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine erschienen.
Das Team verwendete einen Datensatz mit weltweiten, über viele Nächte durchgeführten Messungen aus dem Zeitraum Januar 2020 bis September 2023. Die Daten stammten von einem Messgerät in Form einer Matte, die unter die Matratze gelegt wird: dem so genannten Withings Sleep Analyzer/Sleep Rx. Er bestimmt mithilfe von Ballistographie – der Erfassung von Bewegungen – und Algorithmen des Maschinenlernens die Schlafdauer, die Schlafzeitpunkte und den Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI). Dieser setzt sich aus der Zahl der Hypopnoen und Apnoen pro Stunde Schlaf zusammen. Das Messgerät ist von der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) zugelassen und die Messwerte korrelieren laut einer Studie gut mit den Ergebnissen einer Polysomnographie – einer Schlaflabormessung, die als Goldstandard für die Erfassung von Schlafparametern und die Diagnose von Schlafstörungen gilt.
Zu Beginn der Messungen hatten die Teilnehmer ihr Alter und Geschlecht, ihr Gewicht und ihre Größe angegeben. Die Daten einer Person wurden in die Auswertung einbezogen, wenn vier oder mehr Schlafaufzeichnungen pro Woche und 28 oder mehr AHI-Messungen pro Jahr vorhanden waren. Weiterhin mussten der oder die Betroffene, bezogen auf ein Jahr, durchschnittlich fünf oder mehr AHI-Ereignisse pro Stunde haben. Die Nächte von Freitag und Samstag definierten die Forscher als Wochenende, die Nächte von Sonntag bis Donnerstag als Wochentage. Bei ihrer statistischen Analyse werteten sie den Zusammenhang zwischen OSA-Schwere und dem jeweiligen Wochentag aus. Da eine obstruktive Schlafapnoe zu verschiedenen Jahreszeiten unterschiedlich stark ausgeprägt sein kann, wurden Veränderungen der OSA-Schwere im Jahresverlauf statistisch kontrolliert.
Insgesamt konnten 70.052 Teilnehmer in die Studie einbezogen werden. Ihr Durchschnittsalter lag bei 53 Jahren, 81 Prozent waren männlich und der durchschnittliche Body Mass Index (BMI) lag bei 28,8. Die Teilnehmer waren also überwiegend männlich und übergewichtig. 57 Prozent hatten ein mildes OSAS mit einem AHI von 5 bis 15 pro Stunde, 28 Prozent ein mittelschweres OSAS mit einem AHI von 15 bis 30 und 15 Prozent ein schweres OSAS mit einem AHI über 30. Die Analyse nach Regionen zeigte, dass die meisten Daten von Probanden aus den USA, Frankreich und Deutschland stammten, gefolgt von Australien, Kanada, weiteren westeuropäischen Ländern und Japan. Dagegen stammten verhältnismäßig wenige Daten aus osteuropäischen Ländern, Südamerika, Afrika, Asien und Russland.
Die Auswertung über die Wochentage ergab, dass die OSA-Schwere im Verlauf der Woche deutlich variierte. So war die Wahrscheinlichkeit einer obstruktiven Schlafapnoe mit 15 oder mehr AHI-Ereignissen pro Stunde an Samstagen um 18 Prozent höher als an Mittwochen. Die Forscher bezeichneten dieses Phänomen als „soziale Apnoe“. Der Effekt war bei Männern stärker als bei Frauen und bei Probanden unter 60 Jahren ausgeprägter als bei Probanden ab 60 Jahren. Weiterhin war der AHI-Index an Wochenenden durchschnittlich sechs Prozent höher als an Wochentagen. Das entspricht – bezogen auf die gesamte Gruppe – einem durchschnittlichen Anstieg von 0,76 AHI-Ereignissen pro Stunde.
Weiterhin bestand ein Zusammenhang zwischen der Ausprägung der OSA und einem späteren Zubettgehen sowie einer längeren Schlafdauer am Wochenende: Schliefen die Probanden am Wochenende 45 oder mehr Minuten länger als während der Woche, war dies mit einer Zunahme der OSA-Ausprägung um 47 Prozent assoziiert. Gingen sie am Wochenende 60 oder mehr Minuten später ins Bett, betrug die OSA-Zunahme 38 Prozent. Dagegen war bei Probanden, die im Lauf der Woche ein regelmäßiges Schlafmuster beibehielten, keine Zunahme der OSA-Schwere am Wochenende zu beobachten. „Das stimmt mit Ergebnissen überein, dass ein unregelmäßiger Schlafrhythmus mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für eine obstruktive Schlafapnoe verbunden ist“, schreiben die Wissenschaftler. Bei einem schweren OSAS mit 30 oder mehr AHI-Ereignissen pro Stunde zeigten sich ähnliche Zusammenhänge.
Die Ergebnisse blieben auch konsistent, wenn nur Daten aus der Zeit nach September 2022 ausgewertet wurden, wo Störeffekte durch die Covid-19-Pandemie weniger wahrscheinlich sind. Das legt nahe, dass die Ergebnisse nicht durch die Corona-Pandemie verzerrt sind. „Die Ausprägung einer obstruktiven Schlafapnoe wird durch eine Reihe von Faktoren beeinflusst, und viele davon hängen stark mit dem Zeitpunkt der Woche zusammen“, schreiben Lucía Pinilla und ihr Team. So wird am Wochenende häufig mehr Alkohol getrunken und mehr geraucht, was Atemstörungen im Schlaf verstärken kann. „Das stimmt mit unserem Ergebnis überein, dass der Effekt der ‚sozialen Apnoe‘ besonders deutlich bei Männern und jüngeren Probanden zu beobachten war – also Gruppen, die im Durchschnitt mehr Alkohol trinken und mehr rauchen“, betonen die Forscher.
Die Effekte könnten zum Teil auch dadurch zu erklären sein, dass die Teilnehmer in den Nächten am Wochenende ihre CPAP-Geräte nicht oder weniger stark nutzten.
„Zusammengefasst zeigen unsere Ergebnisse, dass die Schwere einer obstruktiven Schlafapnoe im Verlauf der Woche variiert, was bei Probanden aus ganz unterschiedlichen Ländern der Welt zu beobachten war“, schreiben Pinilla und ihr Team. „Dieser Zusammenhang wurde in polysomnographischen Schlafmessungen, die meist nur in einer oder wenigen Nächten durchgeführt werden, bisher nicht erfasst.“ Das könne Fehldiagnosen begünstigen, weil meist Messungen an Wochentagen zur Diagnose eines OSAS verwendet werden.
Allerdings hat die Studie mehrere Schwächen. So lagen zu einer Reihe von Faktoren, die die Ergebnisse beeinflusst haben könnten, keine Informationen vor. Dazu gehörten die ethnische Zugehörigkeit der Probanden, ihre Ernährung, körperliche Bewegung, Alkoholkonsum, Rauchen und Koffeinkonsum. Zudem war nichts über komorbide Erkrankungen sowie über Behandlungen der obstruktiven Schlafapnoe, einschließlich einer CPAP-Therapie bekannt. Die Stichprobe ist nicht repräsentativ, weil Menschen, die sich Schlafmessgeräte kaufen, vermutlich stärker auf ihre Gesundheit achten und ein anderes Schlafverhalten haben als die Bevölkerung insgesamt. Männer waren außerdem deutlich überreprästentiert. Schließlich wurden Unterschiede zwischen Nächten während der Woche und am Wochenende analysiert, nicht jedoch zwischen Arbeitstagen und arbeitsfreien Tagen. Das könnte bei Teilnehmern, die am Wochenende oder in Schicht arbeiten, zu falschen Ergebnissen geführt haben.
Insgesamt sei weitere Forschung notwendig, betonen die Wissenschaftler – zum einen, um die Ergebnisse zu überprüfen, zum anderen, um die Ursachen und Mechanismen der „sozialen Apnoe“ genauer zu verstehen. „Unabhängig von den Ursachen ist es jedoch wichtig, diesen Effekt im Blick zu haben, weil er negative Auswirkungen für die Patienten und die Gesellschaft haben könnte“, so die Autoren. So könnten die Ergebnisse auch für Behandlungsansätze der obstruktiven Schlafapnoe von Bedeutung sein. „Maßnahmen und Programme, die auf eine gute Compliance bei der Nutzung von CPAP-Geräten abzielen, sollten Variationen der OSA-Schwere im Wochenverlauf einbeziehen“, betonen sie. Es sei wichtig, die Betroffenen auf solche Effekte hinzuweisen und sie zu motivieren, das Gerät auch am Wochenende konsequent zu verwenden.
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