HzV statt Reform-Käse: Die Hausärzte wollen Struktur statt Stückwerk. Doch aus Berlin kommt mal wieder nur heiße Luft – und ein Bürokratiemonster namens Vorhaltepauschale.
Beim Hausärztetag in Berlin haben die Delegierten das Thema Primärarztsystem wieder prominent auf die Tagesordnung gesetzt – ein Konzept, das über den Sommer fast in Vergessenheit geraten war. Die Forderung: Die im Koalitionsvertrag vereinbarte Strukturreform soll endlich umgesetzt werden, und zwar eng orientiert an der seit Jahren etablierten hausarztzentrierten Versorgung (HzV).
Die Botschaft des Verbands war deutlich: Das Primärarztsystem darf nicht zu einem „Schweizer Käse“ aus verwässerten Modellen werden. Stattdessen soll die HzV als Blaupause dienen. Sie sei erprobt, evaluiert und bei über zehn Millionen Patienten längst Realität – mit klaren Vorteilen für Chroniker, Impfquoten und Krankenhausvermeidung. Dass das Thema in der Politik zuletzt kaum noch eine Rolle spielte, werteten die Hausärzte als Risiko: „Die Menschen merken längst, dass es so nicht weitergeht.“
Gesundheitsstaatssekretär Tino Sorge (CDU) betonte beim Abendempfang, man wolle das Primärarztsystem „im Dialog mit den Akteuren entwickeln“ – ein starres Modell sei nicht geplant. Gemeint war damit auch, dass neben der HzV-Variante des Hausärzteverbands weitere Ansätze wie ein KV-Modell im Raum stehen. Eine klare Zusage für die HzV blieb damit mal wieder aus – ebenso ein Zeitplan. Damit ist ungewiss, ob die Reform überhaupt noch in dieser Legislatur umgesetzt wird. Bemerkenswert: Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) blieb dem Empfang fern – anders als ihr Vorgänger Lauterbach, der regelmäßig bei den Berliner Delegiertenversammlungen präsent war. Möglicherweise wollte sie sich der laufenden Kritik an der Apothekenreform nicht direkt stellen.
Interessant waren die Diskussionen um das Teampraxismodell HÄPPI (Hausärztliches Primärversorgungszentrum – Patientenversorgung interprofessionell). Während die Verbandsführung das Konzept als zukunftsweisend präsentierte – mit Primary Care Managern und stärkerer Delegation an akademisierte Fachkräfte – gab es aus Hessen deutliche Einwände. Einzelpraxen könnten das Modell kaum umsetzen. Am Ende setzte sich eine pragmatische Linie durch: HÄPPI ist kein Dogma, sondern ein Baukasten, aus dem auch kleinere Praxen profitieren können.
Heftig diskutiert wurde die neue Vorhaltepauschale. Verbandschef Markus Beier sprach von einem „Bürokratiemonster“ und „Controlling-Wahnsinn“. Brisant: Die Pauschale war ursprünglich vom Hausärzteverband selbst angeschoben worden – durchgesetzt wurde sie in der Politik jedoch so, dass sie den eigenen Zielen nicht gerecht wird. Jetzt ist aus dem einstigen Hoffnungsträger ein Ärgernis geworden.
Auch die altbekannten Themen durften nicht fehlen: Die Delegierten forderten erneut eine schnelle Umsetzung der neuen GOÄ und die Abschaffung der Wirtschaftlichkeitsprüfungen. Beim Thema Regresse sprachen sie sich zudem für Softwarelösungen aus, die Ärzte automatisch vor Fallen warnen sollen.
In den letzten Tagen schlug zudem das Thema Apothekenreform hohe Wellen. In einem gemeinsamen offenen Brief fordern Hausärzte, Fachärzte, KBV und Bundesärztekammer die Bundesregierung auf, die Reform in der geplanten Form zu stoppen. Dass sich hier eine seltene Allianz über ärztliche Fraktionen hinweg gebildet hat, war zwar beim Hausärztetag eher ein Nebengeräusch – könnte aber in unruhigen Zeiten der Beginn eines stärkeren gemeinsamen Auftretens sein.
Das Primärarztsystem ist zumindest vorerst zurück auf der Agenda – seine Umsetzung bleibt jedoch ungewiss. Während der Hausärzteverband klare Linien vorgibt und auf die bewährte HzV pocht, setzt die Politik auf Dialog und hält sich mit Zusagen zurück. Die Hausärzte selbst haben mit HÄPPI, Teampraxen und Selektivverträgen konkrete Ideen in der Schublade, doch ohne politischen Willen droht jede Reform wieder im Tagesgeschäft zu versanden. Gleichzeitig hat der Streit um die Apothekenreform gezeigt, dass Haus- und Fachärzte in wichtigen Fragen durchaus zusammenrücken können. Ob aus dieser neuen Geschlossenheit mehr wird als ein Nebeneffekt – und ob die Politik den Mut fasst, das Primärarztsystem endlich auf den Weg zu bringen – wird sich zeigen.
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