Auf dem Deutschen Apotherkertag verteilt Ministerin Warken Hoffnungsschimmer und Stolperfallen. Kommt jetzt endlich die Apotheken-Reform?
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) hat auf dem Deutschen Apothekertag in Düsseldorf ihre Eckpunkte für die geplante Apothekenreform vorgestellt – und dabei angekündigt, dass das Reformgesetz „zu den ersten“ Projekten ihres Hauses gehören soll. Ihr Auftritt machte deutlich: Die Ministerin setzt auf Bürokratieabbau, neue Kompetenzen für Vor-Ort-Apotheken und eine eng befristete Leitungsvertretung durch weitergebildete PTA. Die von der Apothekerschaft seit Langem geforderte sofortige Erhöhung des Fixums bleibt allerdings aus.
Warken brachte ein umfangreiches Maßnahmenpaket mit, das die Arbeit in den Offizinen spürbar erleichtern und die heilberufliche Rolle der Apotheke stärken soll. Besonders hervorgehoben wurde die geplante Wiedereinführung handelsüblicher Skonti, die nach dem BGH-Urteil von 2024 praktisch abgeschafft wurden. Außerdem sind gesetzliche Leitplanken für eine neue Verhandlungslösung beim Honorar geplant: Künftig sollen GKV-Spitzenverband und Deutscher Apothekerverband (DAV) unter festgelegten Rahmenbedingungen direkt über Anpassungen verhandeln können.
Auch die Notdienste stehen auf Warkens Liste. Sie versprach eine deutliche Aufstockung der Vergütung, die künftig auch Teilnotdienste einbezieht. Finanziert werden soll dies allerdings nicht durch neue Mittel, sondern durch eine Umwidmung des bisherigen pDL-Zuschlags. Jene 20 Cent pro abgegebener Rx-Packung, die eigentlich für den Ausbau pharmazeutischer Dienstleistungen vorgesehen waren, sollen – vermutlich mangels Nutzung – damit in den Nacht- und Notdienstfonds fließen. Hier wurden seitens der Apothekerschaft in der Vergangenheit Möglichkeiten verspielt.
Gleichzeitig stellte Warken klar, dass Null-Retaxationen bei rein formalen Fehlern der Vergangenheit angehören sollen, solange die Patientensicherheit gewährleistet ist. Auch beim Boni- und Rabattverbot will die Ministerin nachschärfen, wo es nötig ist.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf dem Bürokratieabbau. Apotheken sollen künftig mehr Austauschmöglichkeiten bei Lieferengpässen erhalten, ihre Öffnungszeiten flexibel gestalten und innerhalb eines Filialverbunds Laborarbeiten zentral an einem Standort bündeln dürfen. Hinzu kommen Anreize für Zweigapotheken in strukturschwachen Regionen sowie klare Vorgaben für den Versand von kühlpflichtigen Arzneimitteln.
Warken will den Apothekerberuf außerdem stärker als Heilberuf positionieren. Geplant sind Impfungen mit allen Totimpfstoffen; nicht mehr nur gegen Grippe oder COVID. Auch einfache Screenings, etwa zur Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, sollen in den Offizinen etabliert werden. Pharmazeutische Dienstleistungen möchte das Ministerium nicht nur ausweiten – sie sollen künftig auch direkt mit den Krankenkassen abgerechnet werden können.
Besonders hervorzuheben ist der Vorschlag, Apotheken die Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel ohne ärztliche Verordnung zu erlauben. Dies soll in klar definierten Ausnahmefällen gelten: etwa bei chronisch kranken Patienten mit bekannter Langzeitmedikation oder bei unkomplizierten Erkrankungen wie einer Zystitis. Dokumentiert werden soll dies über die elektronische Patientenakte. Warken betonte zugleich die Notwendigkeit einer engeren Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Apotheken – Vorbilder seien Projekte wie ARMIN, bei denen Ärzte künftig auch pharmazeutische Dienstleistungen verordnen könnten.
Für die größte Diskussion sorgte die geplante Aufwertung der PTA. Nach einer zweijährigen, berufsbegleitenden Weiterbildung sollen sie künftig – zumindest zeitlich begrenzt – die Apothekenleitung vertreten dürfen. Warken machte deutlich, dass es keine „Apotheke light“ nach dem Vorbild von Karl Lauterbach geben werde: Eine Apotheke ohne Apotheker sei nicht vorgesehen. Vielmehr gehe es um eng befristete, klar regulierte Vertretungen, die insbesondere in kleinen Betrieben mit nur einer approbierten Leitung helfen sollen, Personalengpässe während Urlaubs- oder Krankheitszeiten zu überbrücken.
Auf den dringendsten Wunsch der Apothekerschaft ging die Ministerin nicht ein. Eine kurzfristige Erhöhung des Fixums, das seit 2013 bei 8,35 Euro liegt, wird es nicht geben. Der Koalitionsvertrag sehe eine Anhebung auf 9,50 Euro, in strukturschwachen Regionen sogar auf 11 Euro vor – doch die angespannte Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung lasse dies im Jahr 2025 nicht zu. Stattdessen verwies Warken auf eine „Wiedervorlage“ im Jahr 2026, sobald die Kassenlage es zulasse – ein Versprechen ohne klaren Zeitplan, das eher hohl anmutet.
Die Reaktionen waren dementsprechend gemischt. Positiv registriert wurden die angekündigte Rückkehr der Skonti, die geplante Begrenzung von Null-Retaxationen, die Entlastungen im Alltag und die Stärkung der Notdienste. Kritik entzündete sich jedoch an der Nullrunde beim Fixum, der geplanten Umwidmung des pDL-Topfs und an der Möglichkeit, Rezepturen im Filialverbund zu zentralisieren. Besonders heftig widersprach ABDA-Präsident Thomas Preis der vorgesehenen Leitungsvertretung durch PTA. Er betonte, PTA seien zwar unerlässlich für den Apothekenbetrieb, die Leitung aber sei Aufgabe von Approbierten und nicht delegierbar. Die Sicherheit der Patienten dürfe nicht durch ein solches Modell gefährdet werden.
Deutlich ablehnend äußerte sich auch die ärztliche Seite. Für Dr. Sybille Steiner von der KBV war Warkens Auftritt ein „schwarzer Tag“. Sie kritisierte vor allem die geplante Abgabe verschreibungspflichtiger Medikamente ohne Rezept. Statt Entlastung entstünden Doppelstrukturen; die klare Trennung zwischen Verordnung und Abgabe werde verwischt und es bestehe das Risiko ökonomisch motivierter Abgaben teurer Präparate.
Gleichzeitig zeigte Steiner auf, wo eine Zusammenarbeit sinnvoll wäre: bei der Schulung von Inhalativa, bei Medikationsanalysen oder der Ergänzung von OTC-Arzneien in Medikationsplänen. Impfungen, Diagnostik und Verschreibungspflicht hingegen blieben originär ärztliche Aufgaben. Auch Kassenvertreter wie Dirk Ruiss (vdek) warnten vor Doppelstrukturen und forderten eine klare Abgrenzung der Verantwortlichkeiten.
Ganz anders bewertete die Vorsitzende des Bundesverbandes der PTA (BVpta), Anja Zierath, die Pläne: Sie sprach von einem „wichtigen Schritt zur Aufwertung des Berufsstands“ und begrüßte, dass Warken den PTA mehr Wertschätzung entgegenbringe als ihr Vorgänger Karl Lauterbach. Die zweijährigen Weiterqualifizierungen seien ein Instrument, um die Attraktivität des Berufs zu erhöhen und langfristig Nachwuchs zu sichern. Zierath machte deutlich, dass die Vertretungsbefugnis nur in engen Grenzen gelten solle und keinesfalls eine Apotheke light bedeute. „Begrenzt vertreten ist nicht gleich gefährlich, und es ist vor allem nicht das Gleiche wie leiten“, stellte sie klar. PTA seien keine „billigen Ersatzkräfte“, sondern eine wichtige Berufsgruppe, deren Kompetenzen bislang unterschätzt würden. „Wenn man eine Veränderung wirklich möchte, muss der Wille eines Tages größer sein als die Angst. Und wir haben keine Angst“, so Zierath.
Insgesamt zeichnet sich eine Reform ab, die strukturelle Weichen stellen will, Apotheken kurzfristig jedoch kaum wirtschaftlich entlasten wird. Profitieren dürften die Betriebe vor allem von der Rückkehr der Skonti, der Begrenzung von Retaxationen, neuen Austauschmöglichkeiten und einer höheren Notdienstvergütung. Strategisch setzt die Ministerin auf eine heilberufliche Aufwertung der Apotheken, mit mehr Verantwortung in Prävention, Diagnostik und Arzneimittelversorgung. Die geplante PTA-Vertretung bleibt dabei der wohl größte Konfliktpunkt zwischen Politik und Standesvertretung – und dürfte die Diskussion noch lange prägen.
Die Aussagen von Thomas Preis zu PTA sind symptomatisch für ein Denken, das im Jahr 2025 fehl am Platz ist. Wer ernsthaft behauptet, PTA seien nicht mehr als Zuarbeiter, ignoriert die Realität in den Offizinen. Sie tragen Verantwortung – jeden Tag und in jeder Beratung und haben sich zum großen Teil durch Weiterbildung und Praxis längst entsprechende Kompetenzen erarbeitet.
Während Thomas Preis behauptet, PTA wollten gar keine Leitungsverantwortung übernehmen, zeigt eine aktuelle BVpta-Umfrage das Gegenteil: Eine deutliche Mehrheit befürwortet mehr Kompetenzen – und ist sogar bereit, persönlich in eine entsprechende Weiterbildung zu investieren. Statt diese Realität anzuerkennen und zu nutzen, hält die Standesvertretung an einem antiquierten Bild fest. So verspielt man Vertrauen und Potenzial. Wenn die Politik den PTA mehr Verantwortung übertragen will, dann ist das keine Bedrohung für die Apotheke, sondern eine Chance für die Versorgung. Und genau das sollte die ABDA eigentlich begreifen – und vorantreiben.
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