Bei der Analyse von Gewebeproben von Tumorpatienten konnten Forscher nun einen Genotyp identifizieren, bei dem die Zeit bis zum Wiederauftreten der Erkrankung verkürzt ist und der offensichtlich nicht von der Chemotherapie profitiert.
Patienten mit einem Kolonkarzinom haben heute eine gute Chance, durch eine Operation geheilt zu werden. Um die Überlebenschance weiter zu erhöhen, wird in vielen Fällen zusätzlich noch eine vorbeugende Chemotherapie verabreicht. Trotz aller Fortschritte in der Behandlung kommt es jedoch bei rund einem Drittel der Patienten nach wie vor zum Auftreten eines Tumorrezidivs. Bei der Analyse von Gewebeproben von Tumorpatienten konnten Grazer Wissenschaftler nun einen Genotyp identifizieren, bei dem die Zeit bis zum Wiederauftreten der Erkrankung verkürzt ist und der offensichtlich nicht von der Chemotherapie profitiert. Diese Entdeckung ermöglicht neue Einblicke in das Tumorwachstum und die Resistenzmechanismen von Chemotherapien.
Kolonkarzinome sind die zweithäufigste krebsbedingte Todesursache in Europa. Bei frühzeitiger Entdeckung und Therapie sind die Chancen für eine Heilung gut: So können bei einem günstigen Tumorstadium über 80 % der Patienten geheilt werden. Bei Patienten mit einem zwar lokal begrenzten aber dennoch weiter fortgeschrittenen Tumorstadium zum Zeitpunkt der Erstdiagnose ist die Heilungschance durch alleinige Operation deutlich geringer. Durch Zugabe einer, an die Operation anschließende, Chemotherapie können zusätzlich 15 % der Betroffenen geheilt werden. Leider ist diese zusätzliche Chemotherapie nur bei einem Teil der Patienten tatsächlich erfolgreich. Andererseits kennen wir bis heute auch nicht jene Subgruppe an Patienten mit einem erhöhtem Risiko, der man die Chemotherapie und die damit verbundenen Nebenwirkungen ersparen könnte, weil sie ohnehin gesund bleiben werden. Es gibt bislang keine zuverlässigen Biomarker, um jene Subgruppe an Patienten mit erhöhtem Risiko zu identifizieren, die jedenfalls eine Chemotherapie benötigen, um bessere Heilungschancen zu haben.
Warum kommt es bei manchen Patienten zu einem Wiederauftreten der Erkrankung und bei anderen nicht? An der Klinischen Abteilung für Onkologie, Med Uni Graz, unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Hellmut Samonigg, gingen Wissenschaftler der Frage nach, ob es in Gewebezellen von Tumorpatienten bestimmte genetische Varianten gibt, die mit Tumorrezidiven assoziiert sind. Um in die Blutbahn eindringen und sich an anderer Stelle festsetzen zu können, muss eine Tumorzelle ihren ursprünglichen epithelialen Charakter verlieren und sich in eine Zelle mit mesenchymalen Eigenschaften transformieren. Eine entscheidende Rolle in diesem Prozess spielt die Aktivierung von bestimmten Stammzell-Signalwegen. Assoz.-Prof. PD Dr. Armin Gerger und seine Mitarbeiter untersuchten daher in der vorliegenden Studie bei Patienten mit Kolonkarzinomen im Stadium II und III Genvarianten in den Stammzell-Signalwegen Wnt, Notch und Hedgehog auf ihren Zusammenhang mit dem Wiederauftreten der Erkrankung. In dieser Studie wurden nicht nur einzelne Mutationen, sondern ganze Signalwege mit zahlreichen Genen analysiert. Insgesamt wurden in die retrospektive Studie 742 Patienten eingeschlossen.
Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass Genvarianten der Stammzell-Signalwege tatsächlich Auswirkungen auf den Verlauf der Erkrankung zu haben scheinen: Die Wissenschaftler fanden heraus, dass eine bestimmte Variante im Gen GLI1 bei homozygotem Vorliegen mit einer verkürzten Zeit bis zum Wiederauftreten der Erkrankung assoziiert war. „Die mutierte Variante beeinflusst den Hedgehog-Signalweg, der die Mobilität von Krebszellen steuert“, erläutert Prof. Gerger die Funktion des Proteins. Die Analyse der Daten ergab auch, dass Patienten mit dem homozygot mutierten Genotyp nicht von der Sicherheits-Chemotherapie profitierten. Die gefundene Genvariante hat also einen prädiktiven Wert, um das Wiederauftreten der Erkrankung und eine mögliche Resistenz gegen eine vorbeugende Chemotherapie vorherzusagen. Ob dieser Biomarker auch für den klinischen Einsatz geeignet ist, muss allerdings noch in weiteren Studien untersucht werden. Originalpublikation: A Functional Germline Variant in GLI1 Implicates Hedgehog Signaling in Clinical Outcome of Stage II and III Colon Carcinoma Patients Joanna Szkandera et al.; Clin Cancer Res., doi: 10.1158/1078-0432.CCR-13-1517; 2014