Kanzerogene Sonnencreme, Derma-Apps und Epigenetik – mit diesen und weiteren Themen beschäftigte sich die Arbeitsgemeinschaft Dermatologischer Onkologie. Der diesjährige Kongress im Schnelldurchlauf.
Die Zahl der Hautkrebsbehandlungen in deutschen Krankenhäusern hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten fast verdoppelt, so das statistische Bundesamt. Dem damit bedenklich steigenden Hautkrebsrisiko widmet sich jährlich die Arbeitsgemeinschaft Dermatologischer Onkologie (ADO). Mit über 1.000 Teilnehmern ging es beim diesjährigen 35. Hautkrebskongress in Essen um drei große Schwerpunktthemen: neue Therapieformen, Künstliche Intelligenz (KI) sowie mögliche Risikofaktoren und Prävention.
Gesetzlich ist die Vorsorge in Deutschland bereits geregelt: Ab 35 Jahren können Kassenpatienten alle zwei Jahre das Hautkrebsscreening kostenfrei in Anspruch nehmen. Doch woran der Gang zur lebensverlängernden Untersuchung oft scheitert, sind überfüllte Praxen, Terminknappheit und lange Wartezeiten: Die Anzahl an Screening-Teilnehmenden bleibt daher gering, die Evidenzlage komplex, so Prof. Carola Berking (Hautklinik Erlangen). Was helfen kann? Aufklärungsarbeit.
Denn Vorsorge startet bereits mit der Sichtbarmachung der klimabedingt steigenden Sonnengefahr. So weisen einige Kommunen bereits mit Plakaten auf den tagesaktuellen UV-Index hin. Ein weiterer Vorschlag sind gesetzlich vorgeschriebene Schattenplätze wie beispielsweise Sonnensegel in Freibädern. Die Nutzung von Sonnencreme bleibe trotz Diskussionen zur Hormonbelastung und Korallenriff-Verseuchung weiterhin Plädoyer der Dermatologen – so Prof. Lisa Zimmer, Teil der Wissenschaftlichen Kongressleitung.
Problematisch bleibt dennoch der bestehende ärztliche Versorgungsmangel. Dem technischen Zeitgeist folgend verspricht sich auch die Dermaonkologie hier eine mögliche Entlastung durch Künstliche Intelligenz (KI): So können Sprachmodelle bereits erfolgreich die Erstellung von Arztbriefen unterstützen – und das datenschutzkonform, so Zimmer. Doch auch die multimodale Nutzung von KI spart bereits bei der Erstellung einfacher Standard-Befunde Zeit, beispielsweise durch Ausmessen der Karzinom-Größe. Neben diesen echten Alltagshilfen sind KI-Apps zum eigenen Hautkrebs-Screening für den Patienten jedoch noch Zukunftsmusik und ersetzen längst nicht den Besuch beim Hautarzt. Dafür fehle sowohl bisher die Validierung als auch die nötige medizinische Zertifizierung, so Tagungspräsident Prof. Dirk Schadendorf. Oft reiche nicht einmal die Auflösung der eigenen Handy-Kamera aus, um eine differenzierte Diagnose zu stellen.
Bei Terminknappheit würde das risikoadaptierte Screening Abhilfe schaffen: Fokus dabei ist die familiäre Vorgeschichte. Denn etwa 10 % der Melanome entwickeln sich aufgrund familiärer Veranlagung. Bei der Hälfte der Fälle kann eine genetische Veränderung nachgewiesen werden (u. a. in CDKN2A, CDK4, BAP1, MITF, POT1 oder im TERT-Promotor). Eine Grundlage für die Gründung des ersten deutschen Zentrums zur Untersuchung familiärem Hautkrebs mit Standort in der Kongressstadt Essen, so Schadendorf. Dort werden eine spezialisierte Beratung und genetische Typisierung angeboten. Allem voran geht eine Checkliste – denn auf eine genetische Veranlagung weisen mehrere Kriterien hin:
Neben bekannten Risikofaktoren wie hellem Hauttyp, blauen Augen oder roten Haaren könnte ein individueller Risikoscore helfen. Zusammen mit den Ergebnissen von Screenings könnte dieser eine gezielte Vorselektion ermöglichen und so den Versorgungsmangel entschärfen.
Im Mittelpunkt des diesjährigen Kongresses standen vor allem aktuelle Therapien, besonders in der Melanom-Forschung – zielgerichteten Immuntherapien und neuen Checkpoint-Inhibitoren sei Dank. Der T-Zell-vermittelnde Wirkstoff Tebentafusp eröffnet dabei neue Ansätze zur Behandlung des inoperablen oder metastasierten Uveamelanoms (hier und hier). Auch das Drug Target LAG3 weckt Hoffnung für neue Checkpoint-Inhibitoren: Derzeit befinden sich spezifische Antikörper in unterschiedlichen Prüfungsphasen.
Auf dem Vormarsch sind vor allem mRNA-Impfstoffe. So ermöglichen die Phase-III-Studien von Moderna und Biontech eventuell neue Therapie-Standards im Kampf gegen Hautkrebs. Dank individueller Tumor-Charakterisierung sollen Therapien künftig exakt auf den Patienten abgestimmt werden, so Schadendorf. Was derzeit noch hohe Kosten mit sich bringt, zeigt große Wirksamkeit.
Mit verbesserter Krebsvorsorge und -therapie folgt eine höhere Chance, zu überleben: Über einen Zeitraum von 10 Jahren zeigt sich in den Daten, dass bereits die Hälfte der Patienten Hautkrebs überleben, so Zimmer. Die einerseits vielversprechende Statistik umfasst jedoch auch, dass 30 % der Krebs-Überlebenden unter schweren Nebenwirkungen leiden – eine große Diskrepanz. So fordert Zimmer, dass Cancer-Survivor-Konzepte, wie das ADO-Survivorship, häufiger in Kliniken etabliert werden. So können Betroffene gezielt über wichtige Aspekte aufgeklärt werden, beispielsweise dass jeder Hautkrebspatient auch Anspruch auf eine Reha hat. Doch auch die dadurch entstehende ärztliche Vernetzung und wissenschaftliche Recherche sind essenziell – für ein Leben nach dem Krebs.
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