KI im Kuhstall
Ein moderner Melkstand hat wenig mit einem Bauern zu tun, der auf einem Schemel sitzt und seine Kühe per Hand melkt. In deutschen Milchviehbetrieben werden heute automatisch zahlreiche Daten wie Milchleistung, Milchzusammensetzung, Temperatur oder Aktivitäts- und Wiederkäuverhalten der Kuh erfasst. Viele Systeme arbeiten mit Transponder- oder Halsbandtechnik, sodass die Messungen jedem Tier einzeln zugeordnet werden können – aber bei verschmutzten Ohrmarken oder wenn das Tier nur von hinten zu sehen ist, stößt die Technik an ihre Grenzen. Ein Forschungsprojekt setzt jetzt genau da an und möchte KI in den Kuhstall bringen. Forscher entwickelten ein System, das Kühe anhand von Bildern mit rund 93 % Genauigkeit identifiziert. Damit sollen Eutererkrankungen gezielter behandelt und prophylaktischer Antibiotika-Einsatz gemäß EU-Richtlinien reduziert werden. Das System läuft lokal auf mobilen Geräten, benötigt weder Cloud noch Server und liefert zugleich einen wertvollen Bilddatensatz für weitere KI-Anwendungen wie Verhaltensanalyse oder Tierortung. Effizienz vor Tierwohl?Eine Studie der Vetmeduni Wien zeigt jedoch auch die Grenzen bei der Verwendung von KI im Tierstall auf: In einem Praxisbeispiel zur automatisierten Sauberkeitsbewertung von Milchkühen erreichte ein System eine Genauigkeit von 71 % bei der Beurteilung der Hinterbeine, die Präzision lag bei 63 %. Segmentierte Bilder lieferten die besten Resultate, jedoch tendierte das Modell dazu, Tiere als „schmutzig“ zu klassifizieren. Neben technologischen Hürden wie geeigneten Indikatoren oder Datenqualität stellen sich außerdem laut der Forscher ethische Fragen. „Künstliche Intelligenz sollte als Werkzeug verstanden werden, das Landwirten unter die Arme greift, sie jedoch nicht ersetzt. Nur durch die Kombination von menschlichem Fachwissen und KI-gestützten Analysen können wir nachhaltige Verbesserungen im Tierwohl erreichen“, betont Studienerstautorin Borbala Foris. Entscheidend sei, Tierwohl nicht allein unter Effizienzgesichtspunkten zu betrachten, sondern im Rahmen eines One-Welfare-Ansatzes, der neben dem Tier auch Mensch und Umwelt einbezieht. |