Immer häufiger verschreiben Ärzte nach bariatrischen Eingriffen zusätzlich GLP-1-Rezeptoragonisten. Aber wie sinnvoll ist dieses Vorgehen – und wie sieht’s eigentlich mit der Evidenz aus?
Lange Zeit galt die bariatrische Chirurgie als wirksamste Maßnahme gegen schwere Adipositas. Sie führt bei Patienten mit einem Body-Mass-Index (BMI) über 35 meist zu einem deutlichen Effekt. „Im ersten Jahr verlieren Betroffene durchschnittlich 30 Prozent ihres Körpergewichts, häufig begleitet von einer Remission von Hypertonie oder Diabetes“, schreiben Kate V. Lauer und ihre Kollegen von der University of Wisconsin-Madison in einem Kommentar in JAMA Surgery. Der Effekt ist deutlich stärker als bei GLP-1-Rezeptoragonisten (GLP-1-RA), wie Head-to-Head-Vergleiche zeigen.
Nur erreichen etwa 20 Prozent aller Operierten dieses angestrebte Ziel nicht. Weitere 20 bis 30 Prozent nehmen nach einigen Jahren wieder zu oder entwickeln erneut Begleiterkrankungen. Bislang blieb in solchen Fällen meist nur eine Verhaltenstherapie oder eine weitere Operation als Möglichkeit.
Doch Hilfe naht: Eine in JAMA Surgery publizierte Analyse von Minji Kim, Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health, Baltimore, und Kollegen fördert Überraschendes zu Tage: Die Auswertung elektronischer Gesundheitsdaten von mehr als 112.000 Patienten zeigt, dass etwa 14 Prozent innerhalb von fünf Jahren nach ihrer bariatrischen Operation eine Therapie mit GLP-1-Rezeptoragonisten begonnen haben. Besonders häufig galt das für Frauen, für Patienten nach einer Sleeve-Gastrektomie und für Menschen mit Diabetes. Meist erhielten Patienten im dritten und vierten Jahr nach der OP die Medikamente. Mit jeder zusätzlichen BMI-Einheit nach der OP stieg die Wahrscheinlichkeit, dass Ärzte GLP-1-RA verordnen, um 8 Prozent.
Bei der Analyse zeigte sich auch, wie rasch diese Wirkstoffe bei Patienten nach einer bariatrischen OP im Versorgungsalltag angekommen sind. Während die Autoren in 2015 nur wenige Verordnungen fanden, wurden in 2024 mehr GLP-1-RA nach bariatrischer OP initiiert als in allen Vorjahren zusammen.
Dass Ärzte bei chirurgischen Patienten auf GLP-1 zurückgreifen, hat mehrere Gründe: Entweder erreichen die Operierten durch den Eingriff nicht die gewünschte Gewichtsreduktion – oder sie nehmen in den nächsten Jahren wieder zu. Die Pharmaka senken aber nicht nur das Gewicht sondern verringern den HbA1C-Wert um 0,8 bis 1,5 Prozentpunkte, je nach Wirkstoff und nach individuellem Ansprechen.
Der optimale Zeitpunkt für den Einsatz bleibe jedoch unklar, schreiben Kim und Kollegen im Artikel. Viele Ärzte würden abwarten, bis das Gewicht nach dem postoperativen Plateau wieder ansteige. Teilweise würden sie jedoch auch einen früheren Beginn der Pharmakotherapie in Erwägung ziehen. Im begleitenden Kommentar schreiben Lauer und Kollegen, die bariatrische Chirurgie bleibe „die effektivste Therapie bei schwerer Adipositas“. Zugleich hätten Ärzte mit GLP-1-RA ein deutlich größeres Spektrum an Möglichkeiten. Mehrere Trends seien anhand der Daten klar zu erkennen, heißt es im Editorial. GLP-1-RA würden zunehmend als Ergänzung nach Operationen eingesetzt. Dabei gebe es eine starke Variabilität beim Zeitpunkt – vom zweiten bis zum sechsten Jahr nach den Eingriffen.
Doch die Analyse hat auch ihre Grenzen. Ihre Daten stammen größtenteils aus der Zeit vor der flächendeckenden Verfügbarkeit von Semaglutid und Tirzepatid. Angaben zur Dosierung, zur Titration und zur Therapietreue fehlten außerdem oft. Ein erster Schritt hin zu mehr Evidenz ist die recht kleine BARI-OPTIMISE-Studie mit 70 Patienten, die 12 oder mehr Monate nach einer bariatrischen Operation maximal 20 Prozent an Körpergewicht verloren hatten. Sie erhielten randomisiert Liraglutid (3 mg täglich) oder ein Placebo zusätzlich zu der Empfehlung, die Kalorienaufnahme zu verringern. Nach 24 Wochen hatten Patienten unter Verum im Schnitt weitere 9 Prozent ihres Körpergewichts verloren, während es bei Teilnehmern der Placebo-Gruppe praktisch zu keiner Gewichtsveränderung gekommen ist.
Der Trend ist klar – doch hochwertige Daten gib es nicht. Deshalb fordern die Kommentatoren „gut konzipierte, prospektive, randomisierte Studien“, um zu klären, wann GLP-1-RA sinnvoll sind, wie lange die Therapie dauern sollte und wie sie sich am besten mit Operation und Verhaltenstherapie kombinieren lässt. In Zukunft rechnen sie mit Empfehlungen, die chirurgische und pharmakologische Therapien sinnvoll mit Änderungen des Lebensstils zu kombinieren.
GLP-1-Rezeptoragonisten nach bariatrischen OPs
Bildquelle: Pablo Merchán Montes, Unsplash