Methylenblau (Methylthioniniumchlorid) ist ein blauer Farbstoff und zugleich ein Arzneistoff mit spannender Geschichte. Ursprünglich 1876 entwickelt, wurde er Ende des 19. Jahrhunderts als Malariamedikament eingesetzt. Heute ist er in Europa vor allem als Antidot bei Methämoglobinämie zugelassen – gleichzeitig weckt er in der Forschung rund um Mitochondrien, Gehirn und oxidativen Stress neues Interesse.
Energie: Kann in Studien den Elektronentransport in Mitochondrien verbessern → mehr ATP [1]
Schutz vor oxidativem Stress: Fängt freie Radikale ab, schützt Zellen [2]
Kognition: Erste Humanstudien zeigen leichte Verbesserungen von Gedächtnis & Aufmerksamkeit [3]
Risiken: Blaue Verfärbung (harmlos), Übelkeit, Kopfschmerzen, Interaktionen mit SSRI/SNRI [8]
Rechtlicher Status (DE/EU): Als Arzneimittel zugelassen (z. B. Proveblue®), nicht als Nahrungsergänzung [9]
Methylenblau wirkt als eine Art Elektronen-Shuttle in der Atmungskette. Präklinische Daten zeigen, dass es die ATP-Produktion um bis zu 30 % steigern kann – auch bei eingeschränkter mitochondrialer Funktion [1].
Freie Radikale (ROS) können Zellen schädigen. MB wirkt antioxidativ und kann in Modellen neuronale Strukturen schützen. Zudem wurde gezeigt, dass es die Aggregation von Tau-Proteinen hemmen könnte – relevant für die Alzheimer-Forschung [2].
Kleine Humanstudien deuten auf kurzfristige Verbesserungen von Gedächtnis und Aufmerksamkeit hin [3]. Viele Biohacker berichten von subjektiv klarerem Denken, ohne typische Nebenwirkungen von Stimulanzien.
Alzheimer: Hemmung von Tau-Fibrillen in präklinischen Modellen [2].
Depressionen: Mögliche Wirkung über MAO-A-Hemmung, erste Daten aus kleinen Studien [4].
COVID-19: Ein Review beschreibt mögliche Vorteile durch NO-Hemmung und mitochondriale Effekte. Erste Pilotdaten existieren, aber die Evidenz ist noch dünn [5].
Häufig (meist harmlos):
Blaue Verfärbung von Urin oder Zunge [6]
Metallischer Geschmack
Gelegentlich:
Übelkeit, Kopfschmerzen [7]
Schwerwiegende Risiken:
Interaktionen: Mit SSRI, SNRI oder Clomipramin → Risiko eines Serotonin-Syndroms [8]
G6PD-Mangel: Gefahr einer hämolytischen Anämie [9]
Schwangerschaft/Stillzeit, Niereninsuffizienz: Anwendung nicht empfohlen bzw. kontraindiziert [10]
👉 Eine Einnahme oder Anwendung sollte immer ärztlich abgeklärt werden.
❌ „Blauer Urin ist gefährlich“ → Tatsächlich harmlos und reversibel.
❌ „Mehr ist besser“ → Falsch. MB zeigt einen biphasischen Effekt: niedrige Dosen stimulieren, hohe können hemmen [1].
❌ „Methylenblau ist ein Wundermittel“ → Nein. Die Datenlage ist interessant, aber noch begrenzt.
Methylenblau ist ein alter Wirkstoff mit neuen Forschungsansätzen – von Mitochondrien über Neuroprotektion bis zu COVID-19-Studien. Gleichzeitig bestehen klare Risiken und rechtliche Einschränkungen.Für Ärzt:innen bleibt MB ein wichtiges Antidot, für alle anderen ein spannendes, aber noch experimentelles Thema.
Für praktische Infos zu Anwendung, Erfahrungen und seriösen Präparaten nutze diesen Methylenblau-Guide.
Atamna H, et al. Methylene blue delays cellular senescence and enhances mitochondrial pathways. FASEB J. 2008;22(3):703–12. doi:10.1096/fj.07-9610com. PMID: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/17928358/
Wischik CM, et al. Selective inhibition of tau aggregation by phenothiazines. Proc Natl Acad Sci U S A. 2013;110(16):6416–21. doi:10.1073/pnas.1302796110. PMID: https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC38310/
Rojas JC, et al. Methylene blue enhances mitochondrial respiration and memory retention. Neurobiol Aging. 2012;33(3):545–55. doi:10.1016/j.neurobiolaging.2010.04.007. PMID: https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC3265679/
Oz M, et al. Neuroprotective and neurorestorative properties of methylene blue. CNS Neurosci Ther. 2011;17(5):453–65. doi:10.1111/j.1755-5949.2010.00198.x. PMID: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/21143699/
Dabholkar N, Gorantla S, Dubey SK, Alexander A, Taliyan R, Singhvi G. Repurposing methylene blue in the management of COVID-19: Mechanistic aspects and clinical investigations. Biomed Pharmacother. 2021;142:112023. doi:10.1016/j.biopha.2021.112023. PMID: https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC8352658/ | PMC: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8352658/
StatPearls. Methylene Blue – Adverse Effects. NCBI Bookshelf (2023). https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK557593/
Ginimuge PR, et al. Methylene Blue: Revisited. Indian J Anaesth. 2010;54(2):127–134. doi:10.4103/0019-5049.63650. PMID: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/20661325/ | PMC: https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC3087269/
FDA Drug Safety Communication. Updated information about drug interaction between methylene blue and serotonergic psychiatric medications. (2017). https://www.fda.gov/drugs/drug-safety-and-availability/fda-drug-safety-communication-updated-information-about-drug-interaction-between-methylene-blue
EMA EPAR – Proveblue® (Methylthioninium chloride): Übersicht/SmPC (aktuell). https://www.ema.europa.eu/en/medicines/human/EPAR/methylthioninium-chloride-proveblue
Medsafe New Zealand. Proveblue® Data Sheet – Severe renal impairment contraindicated. (2016). https://www.medsafe.govt.nz/profs/datasheet/p/proveblueinj.pdf