Was wäre, wenn es eine Methode gäbe, mit der sich eine Hyperkaliämie nicht nur durch eine Blutanalyse, sondern auch kontinuierlich im Alltag der Patient:innen diagnostizieren ließe? Was wäre, wenn Wearables (zum Beispiel Smartwatches inklusive App) in Kombination mit Künstlicher Intelligenz (KI) frühzeitig vor einem gefährlichen Anstieg des Kaliumspiegels warnen könnten?
Angesichts der Tatsache, dass es sich bei Hyperkaliämie – insbesondere bei kardiorenalen Patient:innen – um eine potenziell lebensgefährliche Elektrolytstörung handelt, wäre ein solches Vorgehen ein entscheidender Fortschritt.1 Routinelaborkontrollen erfassen gefährliche Kaliumpeaks oft nicht rechtzeitig. Einerseits besteht dadurch ein hoher klinischer Bedarf an früher Detektion, andererseits zeigen technologische Innovationen, dass genau dies bald möglich sein könnte. Hier könnten Wearables und KI-gestützte EKG-Analysen diese Lücke schließen.2,3
Wichtiger Hinweis: Es sind weitere Studien notwendig, um den Einsatz von KI beim Hyperkaliämie-Monitoring zu sichern. Zudem können KI-Tools die ärztliche Diagnostik nicht ersetzen, sondern sind als Ergänzung zur klinischen Expertise gedacht.
Zwischen 2007 und 2018 wurden an der Mayo Clinic die Daten von über 11.000 Patient:innen, die auf der kardialen Intensivstation behandelt wurden, ausgewertet. Neben den Blutwerten standen auch EKGs zur Verfügung. Das Ziel bestand darin, zu prüfen, ob ein KI-gestütztes EKG eine Hyperkaliämie (Kalium > 5 mmol/l) zuverlässiger erkennen und das Mortalitätsrisiko besser einschätzen kann als allein die Laborwerte.2
Das Ergebnis: Während im Labor nur bei etwa 13 % der Patient:innen eine Hyperkaliämie festgestellt wurde, erkannte der KI-Algorithmus anhand der EKGs rund 34 % von ihnen als Risikopatient:innen. Auffällig war, dass sowohl korrekt erkannte als auch falsch-positive oder falsch-negative Fälle mit einer erhöhten Krankenhaussterblichkeit verbunden waren. Zudem zeigte sich: Je höher das durch die KI geschätzte Risiko, desto schlechter war die 1-Jahres-Überlebensrate. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die KI-gestützte EKG-Auswertung eine schnelle und individuelle Risikostratifizierung bei kritisch kranken Patient:innen ermöglicht, die über die alleinige Betrachtung der Laborwerte hinausgeht.2
Abbildung 1: Mortalitätsrisiko-Stratifizierung auf der kardiologischen Intensivstation (CICU) unter Verwendung eines KI-gestützten EKGs zur Hyperkaliämie-Vorhersage. Modifiziert nach 2.
In einer weiteren Studie wurde ein tragbares 1-Kanal-EKG getestet. Es soll Dialysepatient:innen mit chronischer Nierenkrankheit (CKD) eine kontinuierliche Überwachung des Kaliumspiegels ermöglichen. Das Ziel besteht darin, ein System zu entwickeln, das auch im Alltag über einen längeren Zeitraum eingesetzt werden kann.3
Dazu nutzten die Forschenden ein spezielles KI-Modell zur automatischen Auswertung der EKG-Signale. Das System zeigte eine sehr hohe Genauigkeit und konnte damit vergleichbare Ergebnisse wie ein 12-Kanal-EKG erzielen, wobei die Rechenkomplexität geringer war. Damit eignet sich dieser Ansatz besonders für Wearables und telemedizinische Anwendungen.3
Ein Beispiel aus den USA zeigt, wie weit die Entwicklung bereits fortgeschritten ist: Dort wird eine Software getestet, die EKG-Daten von Smartwatches auswertet und bei auffälligen Kaliumwerten frühzeitig Alarm schlägt. Die U.S. Food and Drug Administration (FDA) hat sie dafür als „Breakthrough Device“ eingestuft.4,5
Gleichzeitig steckt die Forschung noch in den Kinderschuhen. Bis solche Systeme in Deutschland geprüft und eingesetzt werden können, wird es voraussichtlich noch einige Zeit dauern. Schon jetzt ist jedoch klar: KI-gestützte Wearables könnten das Hyperkaliämie-Management künftig sinnvoll ergänzen, die ärztliche Diagnostik können sie jedoch nicht ersetzen.