In Gehirnen von Parkinson-Patienten wurde ein normalerweise harmloses Virus gefunden – in gesunden Gehirnen aber nicht. Müssen wir unser Verständnis der Erkrankung überdenken?
Die Häufigkeit der Parkinson-Krankheit nimmt weltweit zu. Unter Epidemiologen ist sogar von einer Parkinson-Pandemie die Rede. Die Zunahme hat unterschiedliche Gründe. In vielen Ländern steigt das Durchschnittsalter, wodurch auch die Häufigkeit neurodegenerativer Erkrankungen zunimmt. Zudem werden Diagnosemöglichkeiten immer besser, sodass auch mildere Fälle früher erkannt werden. Dies erklärt jedoch nicht den gesamten Anstieg der Zahlen. Auch verschiedene Umweltgifte, wie Pestizide und Herbizide, sowie Luftverschmutzung durch Feinstaub stehen in Zusammenhang mit einem erhöhten Parkinson-Risiko.
Wissenschaftler haben nun einen weiteren Faktor entdeckt, der die Entstehung von Parkinson begünstigen könnte: Eine Forschergruppe aus Chicago untersuchte die Gehirne verstorbener Parkinson-Patienten auf verschiedene Viren. Dazu verglichen sie die Viren in den Gehirnproben der Parkinson-Patienten mit Kontrollproben von Menschen, die aus anderen Gründen verstorben waren. Die Hirnschnitte wurden nicht nur auf einige, sondern auf alle bekannten potenziell den Menschen infizierenden Viren getestet. Dabei gab es einen Treffer, der in der Hälfte der Parkinson-Gehirne, aber in keinem der Kontrollgehirne zu finden war: das Humane Pegivirus (HPgV).
HPgV ist ein RNA-Virus, das mit dem Hepatitis-C-Virus verwandt ist. Man geht davon aus, dass es zwar viele Menschen infiziert, aber keine Symptome auslöst. In Untersuchungen fand man das Virus im Blut von 1–5 % gesunder Blutspender.
Die Studie stützt sich auf eine kleine Stichprobe. Es wurden 10 Proben von Parkinson-Gehirnen untersucht, bei denen in 5 das HPgV nachgewiesen wurde. In der Kontrollgruppe, die aus Proben von 14 Gehirnen bestand, konnte kein HPgV nachgewiesen werden. Da die Proben auf eine Vielzahl von Viren getestet wurden, besteht die Gefahr eines zufällig zustande gekommenen Ergebnisses. HPgV war nicht das einzige gefundene Virus. Insgesamt wurden Viren von 7 unterschiedlichen Familien gefunden. Im Durchschnitt waren es pro Gehirnprobe 2 Viren, egal ob es sich um Proben von Parkinson- oder Kontrollgehirnen handelte. HPgV war aber das einzige, das ausschließlich in den Parkinson-Proben gefunden wurde.
Aus dem reinen Nachweis der Viren sollte man deshalb noch keine großen Schlüsse ziehen. Die Forscher führten jedoch weitere Untersuchungen durch. Das Vorliegen des HPgV war mit einer fortgeschrittenen, parkinson-typischen Pathologie assoziiert. In infizierten Gehirnen waren die typischen Parkinson-Veränderungen bereits deutlich weiter fortgeschritten.
Im nächsten Schritt wurde im Blut von Parkinson-Patienten nach Viren gesucht. Dafür wurden Proben einer durch die Michael J. Fox Stiftung finanzierten Kohorte verwendet. Auch im Blut fand man HPgV, allerdings nur bei 1,4 % der Patienten. Zudem wurde HPgV bei dieser Untersuchung auch in Proben von Kontrollpatienten ohne Parkinson gefunden.
Bei den HPgV-positiven Proben zeigte sich eine veränderte Immunreaktion mit niedrigeren Spiegeln von Interleukin-4. Bei den Blutproben mit HPgV-Nachweis fanden die Forscher zudem Unterschiede in der Immunreaktion zwischen Patienten mit einer Mutation im Parkinson-Risikogen LRRK2 und solchen ohne diese Mutation. Die Autoren führen diese Ergebnisse auf ein komplexes Zusammenspiel zwischen viralen, immunologischen und genetischen Einflüssen zurück.
Angesichts der geringen Stichprobengröße stellt sich die Frage, ob hier mehr neue Theorien abgeleitet wurden, als die Daten tatsächlich hergeben. Die Befunde liefern zwar interessante Hypothesen, die jedoch durch weitere Untersuchungen mit größeren Stichproben bestätigt werden müssen.
Parkinson wäre jedenfalls nicht die einzige neurologische Erkrankung, bei der ein Virus an der Krankheitsentstehung beteiligt ist. So spielt beispielsweise das Epstein-Barr-Virus (EBV) bei der Entstehung von Multipler Sklerose (MS) eine zentrale Rolle (DocCheck berichtete). Forscher gehen davon aus, dass eine Impfung gegen das Virus die Multiple Sklerose effektiv verhindern könnte. Was bei MS bereits als gesichert gilt, ist bei Parkinson bislang nur eine Spur. Doch auch hier könnten sich durch weitere Forschungen neue Ansätze für Prävention und Therapie ergeben. Ob Viren tatsächlich ein neues Puzzleteil im Parkinson-Rätsel sind, bleibt abzuwarten – spannend ist die Spur allemal.
Albin et al.: What is the Parkinson Pandemic? Mov Disord, 2023. doi: 10.1002/mds.29637
Hanson et al.: Human pegivirus alters brain and blood immune and transcriptomic profiles of patients with Parkinson's disease. JCI Insight, 2025. doi: 10.1172/jci.insight.189988
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