Pandemien, Resistenzen, Umweltzerstörung – die Erde ist längst ein Intensivpatient. Die One-Health-Experten von Lancet mahnen: Nur zusammen lassen sich künftige Krisen verhindern. Was jetzt passieren muss.
Die Lancet-One-Health-Kommission warnt in ihrem ersten Bericht vor einer globalen Gesundheitskrise: Zoonosen, Resistenzen, Umweltzerstörung und Klimawandel bedrohen laut den Autoren Millionen Menschenleben. Ein grundlegender Wandel sei nötig, denn nur ein integrierter Ansatz, der Mensch, Tier und Umwelt zusammendenkt („One Health“), könne die wachsende Flut an Gesundheitsproblemen stoppen. Die COVID-19-Pandemie habe verdeutlicht, wie eng Gesundheit, Ökologie und Gesellschaft verflochten sind.
Die klassischen Strategien reichen nach Ansicht der Kommission nicht mehr aus: Infektionskrankheiten, Antibiotikaresistenzen und Umweltzerstörung wirken zusammen und bedrohen nicht nur die Gesundheit, sondern auch Ernährung, Wirtschaft und soziale Stabilität. One Health setzt an den Verbindungen zwischen Mensch, Tier und Umwelt an – und fordert, alle Politikbereiche darauf auszurichten. Besonders wichtig: Länder mit wenigen Ressourcen dürfen beim Zugang zu Impfstoffen oder Schutzausrüstung nicht benachteiligt werden. Globale Gesundheit – so das Fazit – gelingt nur, wenn alle mitziehen.
Hinter dem Bericht stehen 40 internationale Wissenschaftler aus Medizin, Tiermedizin, Umwelt- und Sozialwissenschaften sowie Ökonomie. Auch das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) hat mitgewirkt, darunter Prof. John Amuasi als Co-Vorsitzender und Prof. Jürgen May als Kommissionsmitglied. Der Bericht fußt auf umfangreichen Datenanalysen, Fallstudien und Prognosen. Ziel: Risiken klar benennen, Handlungsbedarf aufzeigen und konkrete Empfehlungen geben.
Rund 60 Prozent aller bekannten Erreger beim Menschen stammen ursprünglich aus dem Tierreich. Bei neu auftretenden Krankheiten wie Ebola oder COVID-19 ist der Anteil noch höher. Täglich sterben außerdem viele Kinder an vermeidbaren Infektionen durch verschmutztes Wasser; auch die Luftverschmutzung sorgt weltweit für Millionen Tote. Hinzu kommt die schwindende Artenvielfalt, wie am Beispiel der Korallenriffe und Tropenwälder deutlich wird.
Die Kommission unterstreicht auch die wirtschaftliche Dimension: Die Afrikanische Schweinepest etwa brachte Chinas Schweinehaltung ins Wanken und verursachte immense Kosten. Ein integriertes Überwachungssystem – wie das Beispiel Italien beim West-Nil-Virus zeigt – kann Menschenleben retten und zugleich Kosten senken.
„Gesundheit ist kein isoliertes medizinisches Problem. Sie entsteht in komplexen Ökosystemen“, betont Prof. Jürgen May. „Wenn wir weiter in Schubladen denken, riskieren wir Pandemien, resistente Erreger und den Kollaps unserer Ernährungssysteme.“ Prof. John Amuasi ergänzt: „Regierungen und internationale Organisationen müssen One-Health-Ansätze in nationale Strategien und Budgets integrieren. Die Umsetzung kann allerdings nur funktionieren, wenn die verschiedenen Interessensgruppen auf Augenhöhe miteinander arbeiten. Das gilt auch für das kürzlich vereinbarte Pandemie-Abkommen. Nur dann können wir weltweit Vertrauen stärken und Pandemien verhindern.“
Die Kommission fordert eine internationale Governance-Struktur ähnlich dem Pariser Klimaabkommen. One Health soll in Gesetze, Strategien, Budgets sowie in sämtliche relevanten Lehrpläne und Abkommen aufgenommen werden. Ein grundlegender Wertewandel ist gewünscht: Weg vom reinen Wachstumsdenken, hin zu Nachhaltigkeit und Gesundheit im Mittelpunkt. Dafür sieht die Kommission auch die großen UN-Organisationen in der Pflicht.Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung. Wir haben sie euch hier und im Text verlinkt.
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