Im Notfall liefert eine CT-Untersuchung den lebensrettenden Hinweis. Doch cave: Für manche Patienten birgt die Bildgebung ein besonderes Risiko. Für wen es gefährlich sein kann, erfahrt ihr hier.
Für Eilige gibt’s am Ende eine Zusammenfassung.
Auf eine computertomografische Untersuchung (CT) setzen Ärzte in Deutschland vor allem in der Notfalldiagnostik, bei komplexen Fragestellungen und bei onkologischen Patienten. Die Strahlenexposition ist – insbesondere bei Kindern, Jugendlichen und jungen Frauen – ein zentrales Thema, auf das zunehmend geachtet wird, weshalb eine Indikation hier besonders streng gestellt wird. Eine aktuelle Studie zeigt einmal mehr, dass dies auch angebracht ist und vor der Entscheidung für ein CT ein besonderes Augenmerk auf die Risiken für Frauen im reproduktionsfähigen Alter bzw. vor allem Frauen mit Kinderwunsch gelegt werden sollte.
Die in Annals of Internal Medicine veröffentlichte populationsbasierte Kohortenstudie hat Daten von über fünf Millionen Schwangerschaften ausgewertet und die Autoren kommen zu dem Schluss: „Die Exposition gegenüber CT-Bildgebung vor der Empfängnis kann mit einem höheren Risiko für spontane Fehlgeburten und angeborene Anomalien verbunden sein.“ Welche Mechanismen hier zugrunde liegen könnten, müsse nun weiter erforscht werden, so die Autoren.
Die kanadischen Forscher schauten sich die Daten von 5.142.339 Schwangerschaften aus der Ontario Health Database von 1992 bis 2023 an und erfassten die Anzahl der durchgeführten CT-Untersuchungen bis zu vier Wochen vor dem geschätzten Zeitpunkt der Befruchtung. 687.692 Frauen erhielten vor der Empfängnis eine CT-Untersuchung und von allen bestätigten Schwangerschaften endeten 10,4 Prozent mit einem spontanen Schwangerschaftsverlust (dazu zählen Fehlgeburt, Eileiterschwangerschaft oder Totgeburt). Das durchschnittliche Alter der Mütter betrug 29 Jahre. Diabetes, Hypertonie, Adipositas und Rauchen traten bei denjenigen, die einer CT-Untersuchung ausgesetzt waren, häufiger auf.
Bei Frauen ohne vorherige CT-Untersuchung lag die Rate an Schwangerschaftsverlusten bei 101 pro 1.000 Frauen. Im Vergleich dazu stieg die Rate bei Frauen mit einer CT-Untersuchung auf 117, bei zwei CT-Untersuchungen auf 130 und bei drei oder mehr CT-Untersuchungen auf 142 pro 1.000 Frauen an.
Bei CT-Untersuchungen im Bereich des Bauchs, des Beckens und der unteren Wirbelsäule waren die absoluten Raten für Schwangerschaftsverluste höher. Je näher die CT-Untersuchung am geschätzten Empfängnisdatum lag, desto höher war auch das Risiko für einen spontanen Schwangerschaftsverlust. Außerdem stieg die Rate angeborener Fehlbildungen von 62 pro 1.000 Lebendgeburten bei Frauen ohne CT-Untersuchungen auf bis zu 105 Fälle pro 1.000 Geburten bei Frauen mit drei oder mehr CT-Untersuchungen an.
„Die vorliegende Arbeit spiegelt die Situation in Ontario, Kanada, wider“, sagt Dr. Ilias Tsiflikas. Er ist Kinder-Radiologe und ärztlicher Leiter der pädiatrischen Sonographie am Universitätsklinikum Tübingen. „Dort – wie auch in den USA – wird deutlich häufiger auf CT zurückgegriffen als in Europa.“ So würden die Autoren berichten, dass etwa eine von sieben Frauen vor einer Schwangerschaft eine CT-Untersuchung erhalten habe. „In Nordamerika werden CT insgesamt häufiger eingesetzt als in Europa; zum Beispiel gab es 2021 in den USA und Kanada 255 CT pro 1.000 Einwohner:innen, in Deutschland 160 pro 1.000.“ Auch sei bei der Bewertung der Ergebnisse zu beachten, dass die Daten von 1992 bis 2023 erfasst wurden – ein Zeitraum, in dem die CT-Technik enorme Fortschritte gemacht hat und die Strahlendosis erheblich reduziert werden konnte.
Der Radiologe warnt trotzdem: „Hinsichtlich der biologischen Wirkung ist anzumerken, dass Strahlung theoretisch die Erbinformation von Eizellen beeinflussen kann, was das Risiko für Fehlgeburten oder genetische Veränderungen erhöhen könnte.“ Noch sei aber unklar, ob die Zeitspanne zwischen CT und Schwangerschaft oder das Alter der Frau einen Unterschied mache. Aktuelle Forschungsergebnisse würden zeigen, dass eine CT-Untersuchung des Brustkorbs kurz vor einer künstlichen Befruchtung (IVF/ICSI-Behandlung) keinen Einfluss auf Schwangerschafts- und Neugeborenen-Ergebnisse habe, einschließlich Fehlgeburten, Implantationsraten oder Lebendgeburten.
Auch Prof. Daniel Wollschläger, Leiter der Arbeitsgruppe Epidemiologische Methodik und Strahlenforschung am Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik der Universitätsmedizin Mainz möchte die Implikationen der Studienautoren nicht zu hoch bewerten: „Die berücksichtigten Daten und die angewendete wissenschaftliche Methodik machen die Studie grundsätzlich informativ, um zur Beantwortung der Fragestellung beizutragen“, sagt er. Methodische Einschränkungen würden sich aber unter anderem daraus ergeben, dass der Grund für die CT-Untersuchungen nicht ausgewertet und keine untersuchungsspezifische Strahlendosis der Eierstöcke berechnet worden sei.
„Ein eindeutiger kausaler Rückschluss des höheren Risikos für Fehlgeburten und angeborene Fehlbildungen der Kinder von Frauen mit vor der Schwangerschaft durchgeführten CT-Untersuchungen ist daher auf Basis dieser Studie nicht möglich.“ Die Strahlendosis in einzelnen Organen hänge stark von der Ausgestaltung der CT-Untersuchung ab, z. B. der genauen Wahl des gescannten Körperbereichs, der Anzahl einzelner Scans pro Untersuchung, dem verwendeten CT-Gerät mit seinen Möglichkeiten zur dosissparenden Bildrekonstruktion sowie dem Einsatz auf die Anatomie angepasster Protokolle. Auch findet er die Ergebnisse zu Fehlgeburten und Fehlbildungen nicht schlüssig. „Die Studie stellte höhere Risiken für Fehlgeburten und angeborene Fehlbildungen, teils auch für Kinder von Frauen nur mit Schädel-CT fest. Bei Schädel-CT sind Strahlenwirkungen auf die Eierstöcke unplausibel, methodische Artefakte können daher zu den Studienergebnissen beigetragen haben.“
„Die Aussagekraft der Studie muss [...] aufgrund einiger Limitation in der Durchführung kritisch betrachtet werden“, schlussfolgert auch Dr. Peter Scholz-Kreisel, Fachgebietsleiter Strahlenepidemiologie und Risikobewertung im Bundesamt für Strahlenschutz. Er zweifelt daran, dass die CT-Untersuchungen Ursache der in der Studie beobachteten Effekte sind. „Ein großes Problem der Studie ist, dass keine Informationen zu den Indikationen der CT-Untersuchungen in der Studie berücksichtigt wurden. Generell ist es eher untypisch, dass so junge Frauen (insbesondere mehrfache) CT-Untersuchungen erhalten“. Es deute auf das Vorliegen gesundheitlicher Einschränkungen bei diesen Frauen hin. „Ist der Grund für die CT-Untersuchung eine Erkrankung, welche auch den Verlauf einer Schwangerschaft beeinträchtigt, würde dies zu einer Scheinkorrelation zwischen CT und Fehlgeburten führen.“
Es gebe inzwischen außerdem eine Vielzahl von Untersuchungen, die erbliche Effekte von ionisierender Strahlung untersuchen. Bisher habe sich aber in diesen Arbeiten kein schlüssiger Zusammenhang zwischen elterlicher Exposition und Fehlgeburten oder kognitiven Veränderungen bei den Nachkommen gezeigt (zwei aktuelle, umfassende systematische Übersichtsarbeiten findet ihr hier und hier). „Es ist sehr überraschend, dass in der vorliegenden Studie mit der ungenauen Expositionsabschätzung basierend auf der Anzahl an CT-Untersuchungen ein solch deutliches Ergebnis gefunden wird, welches im Widerspruch zu den bisherigen Ergebnissen in der Literatur steht“, sagt Scholz-Kreisel. „Leider haben es die Autoren der neuen Studie versäumt, ihre Ergebnisse in den Kontext der bereits vorhandenen Studien zu dieser Thematik einzuordnen.“
Weitere Studien mit dieser Fragestellung wären sicherlich wertvoll – denn bisher sind die Auswirkungen einer CT-Untersuchung vor einer Schwangerschaft auf diese wenig bis gar nicht erforscht. Für Ärzte gilt aber bis dahin weiterhin: Alternative Verfahren mit geringerer oder ohne Strahlenexposition müssen natürlich – und vor allem bei jungen Frauen –berücksichtigt werden. Die Indikation für eine CT-Untersuchung hat in Deutschland aber jetzt schon entsprechend hohe Hürden. Das Verfahren ist in Bereichen wie der Notfallmedizin nicht mehr wegzudenken und hat hier auch seine Berechtigung.
Eine große kanadische Kohortenanalyse zeigt, dass CT-Untersuchungen kurz vor der Empfängnis mit einem erhöhten Risiko für Fehlgeburten und Fehlbildungen verbunden sein können.
Fachleute weisen auf methodische Schwächen hin – etwa fehlende Angaben zu Indikationen und Strahlendosis –, zudem könnten Vorerkrankungen der Frauen die Ergebnisse erklären.
In Deutschland gilt ohnehin eine strenge Indikationsstellung; bei jungen Frauen sollten aber besonders sorgfältig Alternativen ohne Strahlenbelastung geprüft werden.
Bildquelle: Henry Lai, Unsplash