Ein fortschrittlicher Bluttest sorgt in Finnland für Furore: Neuartige PEth-Tests können Arbeitnehmer den Job kosten – zu Unrecht? Welche moralischen Implikationen durch feinere Analysemethoden entstehen.
„Aufgrund eines Tests wurde ich als Alkoholiker eingestuft“, erzählt der 38-jährige Kalle aus Finnland. Was war passiert? Nach der Geburtstagsparty seines Bruders, auf der er – wenn auch nur einmalig – zu viel getrunken hatte, kehrte er wenige Tage später an seinen Arbeitsplatz zurück. Seine Blutalkoholkonzentration war längst auf null gesunken.
Doch bei einer routinemäßigen Blutuntersuchung schlug der PEth-Test an – mit gravierenden Folgen: Der Bahnmitarbeiter wurde suspendiert und in eine Klinik geschickt, obwohl Unterlagen keinerlei Hinweise auf Trunkenheit im Dienst gezeigt hatten. Phosphatidylethanol (PEth) ist ein Labormarker für den Langzeit-Alkoholkonsum. Was steckt dahinter – und welche Möglichkeiten gibt es noch?
Bekanntlich ist Alkohol ist die am besten untersuchte psychoaktive Substanz, wenn es um Nachweisverfahren geht. Ethanol selbst ist zwar nur für wenige Stunden im Körper nachweisbar – doch seine Stoffwechselprodukte und die durch ihn ausgelösten biochemischen Veränderungen hinterlassen Spuren, die Wochen oder sogar Monate bestehen bleiben.
Unmittelbar nach dem Konsum lässt sich Ethanol zuverlässig in Atem, Blut und Urin nachweisen. Atemalkoholtests sind etabliert, unblutig und liefern binnen Sekunden Ergebnisse. Im Blut ist Ethanol nach wenigen Stunden nicht mehr messbar, im Urin verschwindet es spätestens nach 12 Stunden. Diese akuten Marker beantworten nur eine Frage: Hat jemand in den letzten Stunden getrunken? Rückschlüsse auf Trinkgewohnheiten lassen sie nicht zu. Methanol, das in Spuren in alkoholischen Getränken enthalten ist, bleibt etwas länger erhalten, hat aber im praktischen Nachweis nur eine Nebenrolle.
Beim Abbau in der Leber entsteht aus Ethanol nicht nur Acetaldehyd, das für viele der toxischen Effekte des Alkohols verantwortlich ist. Vielmehr bilden sich auch die Stoffwechselprodukte Ethylglucuronid (EtG) und Ethylsulfat (EtS). Sie entstehen in geringen Mengen, sind aber hochspezifisch – sie bilden sich nur in Gegenwart von Ethanol.
EtG und EtS tauchen schon 45 Minuten nach Konsum im Blut auf und bleiben dort bis zu zwei Tage nachweisbar. Im Urin verlängert sich das Zeitfenster: Nach exzessivem Trinken können sie bis zu fünf Tage detektiert werden. Besonders interessant ist die Analyse von Haaren: Dort lassen sich EtG und EtS über Monate hinweg messen: eine Möglichkeit, um langfristige Konsummuster zu rekonstruieren.
Die Verfahren sind sensitiv, aber nicht unproblematisch. Denn auch alkoholhaltige Medikamente, Mundspüllösungen mit Ethanol oder Desinfektionsmittel können zu positiven Ergebnissen führen. Für die Praxis bedeutet das: Die Tests zeigen sicher, ob Alkohol im Spiel war – nicht aber in welcher Form.
Doch das Spektrum an Möglichkeiten ist damit noch nicht ausgeschöpft. Klassische Laborwerte wie das mittlere korpuskuläre Volumen der Erythrozyten (MCV) oder die Enzyme Gamma-GT, GOT und GPT steigen bei chronischem Alkoholkonsum an. Diese Marker sind unspezifisch: Auch Lebererkrankungen anderer Ursache können ähnliche Veränderungen hervorrufen. Dennoch bleiben sie bis zu 16 Wochen nach intensiven Trinkphasen messbar und liefern damit wertvolle Hinweise.
Besonders etabliert ist das Kohlenhydrat-defiziente Transferrin (CDT). Das Eiweiß verändert sich bei längerem Konsum von mindestens 50 bis 80 Gramm Alkohol täglich über ein bis zwei Wochen hinweg. „Normale“ Trinker oder episodische Rauschtrinker zeigen keine Veränderungen. Der Nachweis gelingt bis zu drei Wochen nach der Trinkphase. Falsch positive Befunde sind selten, können aber bei Varianten des Transferrin-Gens auftreten.
Eine neuere Methode ist der PEth-Test. Phosphatidylethanol entsteht ausschließlich in Gegenwart von Ethanol in den Membranen roter Blutkörperchen. Die Menge korreliert direkt mit der getrunkenen Menge und erlaubt eine Differenzierung zwischen moderatem Konsum, exzessivem Trinken und Abstinenz. Nachweisbar ist PEth noch bis zu vier Wochen – ein mächtiges Werkzeug, das aber auch in der arbeitsmedizinischen Kontrolle ethische Fragen aufwirft: Die meisten Getesteten aus Finnland wussten nicht, was ihre Arbeitgeber eigentlich im Schilde führen.
Nicht immer geht es aber um Ethanol. Bei illegalen Substanzen wie Amphetaminen, Kokain, Opiaten oder Cannabinoiden gibt es eine Vielzahl an Nachweismöglichkeiten. Meist erfolgt zunächst ein Screening aus Urinproben mit immunologischen Methoden. Bei positivem Ergebnis folgt eine Bestätigung per Chromatografie/Massenspektrometrie. Blutproben sind weniger sensitiv, eignen sich aber, um den aktuellen Konsum zu belegen.
Langzeitmarker gibt es kaum – mit einer wichtigen Ausnahme: unsere Haare. Sie wachsen im Schnitt einen Zentimeter pro Monat. Währenddessen lagern sie Fremdstoffe ein: Alkoholmetabolite, Drogen, Medikamente, aber auch Umweltgifte. Damit sind sie ein einzigartiges Archiv, das monatelang, manchmal jahrelang Rückschlüsse erlaubt, sogar über den Tod hinaus. Im Bereich Alkohol lassen sich EtG und EtS ebenso wie Fettsäureethylester im Haar nachweisen. Auch hier gilt: Die Konzentration erlaubt Aussagen über die konsumierte Menge. Allerdings hinterlässt schon der einmalige Konsum messbare Spuren.
Die Analyse erfolgt standardisiert: Nach dem Waschen werden die Haare chemisch aufgeschlossen, die Proben aufbereitet und meist mittels Gaschromatographie-Massenspektrometrie untersucht. Ob Kopf-, Bart- oder Körperhaar – alle Proben eignen sich. Eine Glatze schützt also nicht vor Nachweisen.
Während klassische Biomarker bereits klinisch etabliert sind, arbeitet die Forschung an der nächsten Generation, sprich epigenetischen Markern. Veränderungen in der DNA-Methylierung oder im Muster des Transkriptoms könnten künftig Hinweise auf chronischen Substanzkonsum liefern – präziser und spezifischer als heutige Methoden. Erste Studien zeigen, dass sich sogar Tabakkonsum auf diese Weise erkennen lässt. Bis zur routinemäßigen Anwendung ist es aber noch ein weiter Weg.
Bleibt als Fazit: Alkohol- und Drogenmarker sind heute unverzichtbare Instrumente in Medizin, Forensik und Forschung. Sie ermöglichen den Nachweis akuten Konsums ebenso wie die Beurteilung chronischer Muster.
Für die medizinische Diagnostik, die Therapiekontrolle oder die Verkehrssicherheit sind Biomarker unverzichtbar. Gleichzeitig werfen sie schwerwiegende Fragen auf: Wo endet die Überwachung durch Arbeitgeber, wo beginnt die unverhältnismäßige Kontrolle?
Bildquelle: Sérgio Alves Santos, Unspleash