Wie gut wirken Antidepressiva, Benzodiazepine und Antihistaminika bei Angststörung, Depression und Schizophrenie? Polygenetische Risikoscores könnten genau das vorhersagen. Was uns das Erbgut verrät.
Die pharmakologische Behandlung von Angst- und Depressionsstörungen gestaltet sich in der Praxis oft als langwieriger Prozess mit ungewissem Ausgang. Nur ein Drittel der Patientinnen und Patienten erreicht mit der Erstlinientherapie eine vollständige Remission. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob genetische Informationen künftig helfen können, die individuelle Wirksamkeit psychotroper Medikamente besser vorherzusagen. Eine aktuelle Studie aus Schweden liefert hierzu neue, differenzierte Erkenntnisse.
Das Forschungsteam um Amelie Markant analysierte Daten von über 2.500 Personen mit angst- und/oder depressionsbezogenen Symptomen aus dem schwedischen Zwillingsregister. Die Verschreibungsdaten wurden mit sogenannten polygenen Risikoscores (PRS) verknüpft. Diese Scores fassen genetische Varianten zusammen, die mit psychiatrischen Erkrankungen oder verwandten Merkmalen assoziiert sind. Insgesamt wurden 42 verschiedene PRS ausgewertet, darunter Scores für Depression, Angststörung, Schizophrenie und weitere phänotypische Merkmale.
Für die Gruppe mit Antidepressiva-Monotherapie konnte kein PRS eine relevante Vorhersagekraft auf das Therapieansprechen entfalten. Auch in geschlechtsspezifischen Analysen blieb das Bild weitgehend uneinheitlich. Bei Frauen zeigte sich ein schwacher Zusammenhang zwischen einem Depressions-PRS und der Therapiewirksamkeit, bei Männern war kein entsprechender Zusammenhang erkennbar. Die heterogene Zusammensetzung der Patientengruppe mit unterschiedlich ausgeprägten Symptomen könnte ein möglicher Erklärungsfaktor sein.
Deutlich klarer fiel das Ergebnis in der Gruppe aus, die ausschließlich mit Benzodiazepinen behandelt wurde. Hier war ein höherer PRS auf Basis des Patient Health Questionnaire (PHQ-9) signifikant mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche Monotherapie assoziiert. Dieser Score bildet genetische Anteile depressiver Symptome ab. Da alle Patienten in dieser Gruppe ausschließlich Angstsymptome aufwiesen, scheint der PHQ-PRS auch unabhängig von einer klassischen Depressionsdiagnose relevant zu sein. Die Ergebnisse sprechen dafür, dass ein erhöhtes genetisches Risiko für Depressionen die Wirksamkeit von Benzodiazepinen bei Angstsymptomen einschränken kann.
Ein vergleichbares Muster zeigte sich in der Gruppe, die ausschließlich mit Antihistaminika, wie Hydroxyzin, behandelt wurde. Hier wiesen Personen mit höherem genetischen Risiko für Angststörungen oder Schizophrenie eine geringere Wahrscheinlichkeit auf, unter Monotherapie stabil zu bleiben. Die Assoziationen blieben auch dann bestehen, wenn Komorbiditäten statistisch kontrolliert wurden – ein Hinweis darauf, dass eine erhöhte genetische Vulnerabilität für schwerere psychische Erkrankungen die Wirksamkeit von Antihistaminika bei Angstsymptomen beeinflussen könnte.
Die Daten legen nahe, dass polygenetische Risikoscores zukünftig eine Rolle spielen können, indem sie das Ansprechen auf sedierende Medikamente wie Benzodiazepine und Antihistaminika vorhersagen. Für Antidepressiva ließ sich bislang jedoch kein belastbarer genetischer Prädiktor ermitteln. Die praktische Anwendung dieser Erkenntnisse ist jedoch noch eingeschränkt, da die erklärten Varianzanteile gering ausfielen. Die Autoren betonen, dass PRS aktuell nur einen kleinen Teil des genetischen Einflusses auf das Therapieansprechen abbilden. Künftig könnten größere Kohorten, multimodale Daten und neue PRS-Modelle die Aussagekraft dieser Methode erhöhen.
Genetische Faktoren könnten also zukünftig Hinweise darauf liefern, wie gut eine Person auf bestimmte Psychopharmaka anspricht. Besonders bei der Entscheidung zwischen verschiedenen angstlösenden Medikamenten könnten PRS in Zukunft als zusätzliches Kriterium dienen. Die Vision einer präzisionsmedizinischen Psychiatrie rückt damit einen Schritt näher – bleibt dennoch aber vorerst ein Forschungsziel.
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