Die Früherkennung von Demenz ist und bleibt eine große Herausforderung. Dabei wird die Diagnostik immer präziser. Welche Tools sich bewährt haben – und welche Innovationen bald Einzug in die Praxis finden könnten.
In deutschen Arztpraxen und Kliniken haben sich mehrere Kurztests etabliert, die innerhalb weniger Minuten ein erstes Bild der kognitiven Leistungsfähigkeit ermöglichen. Sie dienen als Türöffner für weiterführende Diagnostik und werden häufig von medizinischem Fachpersonal mit Schulungserfahrung angewandt:
Weitere Instrumente wie z. B. der Mini-Cog, der Syndrom-Kurztest (SKT) oder der Bamberger Demenz Screening Test (BDST) finden punktuelle Anwendung – oft abhängig vom Setting und der Expertise vor Ort.
Die Diagnose einer Demenz basiert traditionell auf klinischer Einschätzung und neuropsychologischen Verfahren und wird durch strukturelle Bildgebung ergänzt. In den letzten Jahren hat jedoch vor allem die funktionelle und die molekulare Bildgebung entscheidende Fortschritte gemacht:
Künstliche Intelligenz verändert auch die Demenzdiagnostik. Machine-Learning-Algorithmen analysieren komplexe Bilddaten mit einer Genauigkeit, die in mehreren Studien deutlich über dem klinischen Alltagsstandard liegt. So konnten KI-Systeme die Unterscheidung zwischen normaler Kognition, leichter kognitiver Störung (MCI) und manifester Demenz mit bis zu 94 % Treffsicherheit leisten – die Differenzierung zwischen Subtypen wie Alzheimer und vaskulärer Demenz sogar mit über 96 % Genauigkeit.
Die Liquoruntersuchung bleibt ein zentraler Baustein in der Demenzdiagnostik, insbesondere bei der Früherkennung der Alzheimer-Krankheit und der Differenzierung verschiedener Demenzformen. In den letzten Jahren haben sich mehrere Fortschritte und Neuerungen ergeben:
Amyloid-Beta 42/40-Verhältnis und Tau-Proteine: Die Bestimmung von Aβ42, Aβ40 und deren Verhältnis (Aβ42/40) im Liquor ist aktuell der sensitivste Marker für die Alzheimer-Pathologie. Der Wert erlaubt bereits Jahre vor dem Auftreten von Symptomen eine Diagnostik. Auch phosphorylierte Tau-Proteine (z. B. p-tau181, p-tau217) werden zunehmend verwendet, um Alzheimer von anderen Demenzursachen zu unterscheiden. Ratios wie p-tau/Aβ42 liefern sogar noch verlässlichere Ergebnisse als Einzelwerte.
Die Untersuchung des Liquors erfordert einen invasiven Eingriff, bleibt dennoch in vielen Leitlinien erste Wahl – vornehmlich, wenn alternative Verfahren keine eindeutigen Ergebnisse liefern oder Therapieentscheidungen anstehen.
Was lange als Zukunftsmusik galt, wird nun Realität: Heute können mehrere Bluttests zentrale Liquormarker nahezu gleichwertig bestimmen – und das wesentlich weniger invasiv. Einzelne Verfahren zeigen inzwischen sogar Marker-Konzentrationen, die dem Liquor in diagnostischer Aussagekraft kaum noch nachstehen.
Die wissenschaftliche Evaluation weiterer Biomarker, wie Beta-Synuclein (für synukleopathische Demenzen wie M. Parkinson oder Lewy-Body), die die Differenzialdiagnostik weiter präzisieren sollen, läuft auf Hochtouren. Kürzlich hat ein internationales Forschungsteam, den Blut-Biomarker Beta-Synuclein vorgestellt. Die Konzentration dieses Proteins im Blut weist schon 11 Jahre vor Ausbruch genetisch bedingter Alzheimer-Symptome auf Nervenschäden hin und eröffnet völlig neue Möglichkeiten für die Kombination mit bildgebenden Verfahren.
Als wegweisend zeigen sich ebenfalls die neuen Bluttests wie Precivity AD-Bloodtest oder Elecsys pTau181-Test, die inzwischen auch in der EU zugelassen sind. Diese Analysen sollen künftig die Diagnostik erleichtern und ggf. die Liquorpunktion ersetzen. Die Integration dieser Testverfahren in die klinische Routine steht vielerorts kurz bevor. Gleichzeitig laufen internationale Studien zur Validierung weiterer Kandidaten.
Auch die Digitalisierung eröffnet neue Wege zur Früherkennung – jenseits von Klinik oder Praxis. Apps, Online-Selbsttests und KI-gestützte Plattformen sollen erste Anzeichen kognitiver Beeinträchtigungen rascher identifizieren und in Zukunft bestehende Versorgungslücken schließen.
Beispielsweise erleichtern Online-Selbsttests und Apps flächendeckende Früherkennung und liefern Ergebnisse direkt an die Hausarztpraxis. Bundesweit laufen erste Studien mit dem Ziel, leichte kognitive Beeinträchtigungen zu erfassen und bisher unerkannte Betroffene früher zu identifizieren. In Kombination mit molekularen Daten und Bildgebung könnten sich daraus in Zukunft intelligente Diagnostikstrecken formen; mit KI im Zentrum und der Hausarztpraxis als Schnittstelle.
Demenzscreenings liefern als erste Filterinstrumente entscheidende Hinweise auf kognitive Defizite und leiten eine weiterführende Diagnostik ein. Die Demenzdiagnostik wird zunehmend schneller, präziser und patientenzentrierter – ohne auf bewährte Verfahren zu verzichten. Präzisere Bildgebung, vielversprechende Blutmarker, der Goldstandard Liquor und zunehmend digitale, niedrigschwellige Tools eröffnen neue Perspektiven für eine frühzeitige, patientenzentrierte Erkennung kognitiver Störungen – insbesondere im ambulanten Bereich.
Die Herausforderung der Zukunft liegt darin, noch empfindlichere, leicht anwendbare und niedrigschwellige Screening-Tools zu entwickeln, die vor allem im ambulanten Setting frühzeitig zur Anwendung kommen können. Der Blick auf neue Entwicklungen bleibt also nötig, um der Bedeutung der Demenzfrüherkennung gerecht zu werden.
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